Praktisch seit ihrer Gründung gibt es Wirbel um die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV. Klagen auf Informationsfreiheit und ein Untersuchungsausschuss haben inzwischen einige Fakten ans Licht gebracht. Was war der Zweck dieser Stiftung?

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Anfang 2021 gründete das Land Mecklenburg-Vorpommern die "Stiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern für Klimaschutz und Bewahrung der Natur – Stiftung Klima- und Umweltschutz MV". Nach außen kommunizierte die Stiftung die Inhalte des Stiftungsnamens als ihre Ziele: Sie solle Klima- und Naturschutzprojekte im Land und vor der Ostseeküste fördern, ebenso dazugehörige Forschung.

Allerdings formulierte die Landesregierung bereits im Gründungsantrag der Stiftung als ein Ziel "die Gründung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes in der Stiftung mit dem Ziel, einen Beitrag zum Fortgang der Arbeiten an der Pipeline Nord Stream 2 zu leisten".

Wirtschafts- und Politikmedien waren sich schnell einig, dass das Hauptziel der Stiftung tatsächlich darin liege, US-Sanktionen zu umgehen, damit die Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland fertig gebaut werden könne. Dafür spricht, dass 20 Millionen Euro des Stiftungskapitals von der Nord Stream 2 AG, einer 100-prozentigen Gazprom-Tochter, eingelegt worden waren.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern brachte lediglich 250.000 Euro ein. Die Deutsche Umwelthilfe klagte daraufhin gegen die Gründung der – wie sie sagte – "Fake Stiftung". Mit der Begründung, dass das Verbandsklagerecht sich auf Umweltfragen und nicht Stiftungsgründungen erstrecke, wies das Verwaltungsgericht Schwerin die Klage ab.

Warum soll die Stiftung abgewickelt werden?

Vier Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine kündigte Ministerpräsidentin Schwesig 2022 an, die Stiftung aufzulösen. Wenige Tage zuvor hatte die Bundesregierung die Genehmigung für den Weiterbau der Pipeline Nord Stream 2 gestoppt. Schwesig wollte den Geschäftsbetrieb einstellen und das Stiftungskapital für humanitäre Hilfe in der Ukraine verwenden.

Ob das stiftungsrechtlich möglich wäre, sahen mehrere Gutachten unterschiedlich. In der Folge wehrte sich der Vorsitzende der Stiftung, Erwin Sellering, sowohl gegen Auskunftsforderungen von Medien als auch gegen die Abwicklung der Stiftung. Die Medien haben auf allen juristischen Ebenen Recht bekommen. Die insolvente Nord Stream 2 AG fordert von der Stiftung 18,5 Millionen Euro, was die Stiftung zugesagt hat. Aufgelöst ist die Stiftung bis heute nicht. Ihr Vorstand ist weiter im Amt.

Was ist über die Arbeit der Stiftung bekannt?

Die Stiftung unterstützte tatsächlich mehrere Projekte in Einklang mit den Stiftungszielen. Mit ihrem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb allerdings vermittelte die Stiftung etwa 80 Betriebe für den Bau von Nord Stream 2 und schloss mit diesen auch Verträge in einem Gesamtvolumen von 165 Millionen Euro ab. Im Gegenzug zahlte die Nord Stream 2 AG eine Provision.

Außerdem kaufte die Stiftung ein Schiff für Steinschüttungsarbeiten an der Pipeline. In diesem Zusammenhang erklärte der Stiftungsvorsitzende, er halte die Sanktionen gegen die Pipeline für völkerrechtswidrig. Transparency International bezeichnete die Stiftung als "Beispiel für strategische Korruption".

Warum hat eine Finanzbeamtin Unterlagen verbrannt?

Für das von Gazprom eingelegte Stiftungsvermögen soll die Stiftung nicht die üblichen 10 Millionen Euro Schenkungssteuer gezahlt haben. Die Stiftung erklärt dazu, dass sie eine Befreiung von der Steuer beantragt habe. Das Finanzamt Ribnitz-Damgarten hätte diesen Sachverhalt aufklären können, gab jedoch an, dass die Unterlagen verloren gegangen seien.

Mehrere Beobachter spekulierten, das Verschwinden der Steuererklärungen könne politisch motiviert gewesen sein, was die Landesregierung dementierte. Später berichtete das Magazin Cicero, die Staatsanwaltschaft Stralsund habe in einem internen Bericht vermerkt, dass eine Mitarbeiterin des Finanzamtes die Dokumente aus Panik in einem Kamin einer Bekannten verbrannt haben soll.

Dem Magazin zufolge kam die Staatsanwaltschaft ins Spiel, weil die Mitarbeiterin sich ihrem Vorgesetzten mitgeteilt habe, der dann die Behörde einschaltete. Offizielle Ermittlungen nahm die Staatsanwaltschaft jedoch nicht auf.

Welche Rolle spielt Ministerpräsidentin Schwesig?

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat selbst den Antrag zur Gründung der Stiftung ins Landesparlament eingebracht. Sie bestellte außerdem Stiftungsvorstand und Kuratorium. Ihr Einfluss auf die Stiftung ist so groß, dass Gerichte die Stiftung bei der Frage nach deren Auskunftspflicht als Landesbehörde eingestuft haben.

Das legt zumindest nahe, dass die Landesregierung und die Ministerpräsidentin gut über die Aktivitäten der Stiftung informiert waren – zumal deren Vorsitzender Sellering als Schwesigs politischer Ziehvater gilt.

Wie gefährlich kann Manuela Schwesig das Thema werden?

Am 14. April 2022 hat der Landtag Mecklenburg-Vorpommerns mit den Stimmen von CDU, FDP und Grünen einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen um Nord Stream 2 und die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV eingerichtet. Dessen Fokus liegt auf der Rolle von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und ihrer Regierung. Im Januar begann die Anhörung erster Zeugen.

Am 1. März beschäftigte der Vorgang den Bundestag in einer aktuellen Stunde. Die CDU forderte, einen Sonderermittler einzusetzen. Als sich der Stiftungsvorsitzende Sellering dagegen wehrte beauftragte Firmen zu benennen, zitierte ihn die Stiftung wie folgt: "Sie haben rechtmäßig gehandelt. Und sie haben Landtag und Landesregierung vertraut, die einen Schutzschirm gegen die US-Sanktionen versprochen haben."

Schwesig selbst hatte sich mehrfach für den Pipelinebau und gegen die US-Sanktionen geäußert. Ob das alles reicht, um sie persönlich zu belangen, ist fraglich. Das Landesparlament stand zudem seinerzeit mit großer Mehrheit hinter Pipelinebau und Stiftung.

Verwendete Quellen:

  • klimastiftung-mv.de: Offizielle Website
  • ndr.de: Klimastiftung MV: Deutsche Umwelthilfe scheitert mit Beschwerde
  • klimastiftung-mv: Information zum Stand der Abwicklung
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