• Viele Regionen im Alpenraum sind derzeit außergewöhnlich trocken, weil Schnee und Regen oftmals ausbleiben. Expertinnen und Experten befürchten bereits jetzt eine anhaltende Dürre.
  • Auch in Deutschland vermelden Meteorologinnen und Meteorologen gebietsweise zu wenig Regen, dazu einen zu warmen Winter – den zwölften in Folge.
  • Was bedeuten fehlende Niederschläge für uns alle? Unsere Existenzgrundlage verschlechtere sich zunehmend, sagt Meteorologe und ZDF-Wetter-Moderator Özden Terli im Interview.
Ein Interview

Den Alpenländern droht massive Trockenheit. Warum regnet es gerade so wenig?

Özden Terli: In den letzten Monaten konnten wir einen starken Hochdruckeinfluss über Westeuropa beobachten. Diese Hochdruckgebiete blockieren den Weg der Tiefs, sie müssen einen anderen Weg nehmen. Wenn es jedoch ein Tief am Rand eines Hochs doch schafft, den Regen nach Mitteleuropa zu bringen, regnet es auf der Nordseite der Alpen. Auf der Südseite kommt von den Niederschlägen kaum etwas an. Unter dem Hoch bleibt es sowieso trocken. Es ist in Norditalien, Frankreich, Österreich und auch in Teilen Deutschlands also deutlich niederschlagsärmer als sonst, wenn zum Beispiel normalerweise Tiefs die Feuchtigkeit von der Biskaya zu uns lenken. Es ist schon dramatisch, was da passiert, wenn in den Alpen zu wenig Niederschlag fällt – insbesondere Schnee, der später als Schmelzwasser in den Flüssen fehlt. Gerade in Norditalien in der Po-Ebene nimmt die Trockenheit zu, aber auch der Rhein bekommt dann weniger Wasser.

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Warum nehmen extreme Trockenperioden zu?

Die Auswirkungen der globalen Erderhitzung sehen wir hier im Regionalen. Die Hochs stabilisieren sich massiv, der Jetstream weht drumherum und nimmt die Tiefs mit. Kurz erklärt: Der Jetstream ist ein Starkwindband in etwa zehn Kilometern Höhe – grundsätzlich lenkt es die Tiefs. Der Regen geht also woanders hin. Das hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Und auch wenn es einmal richtig schüttet, ist das zwar dann gut gegen die Trockenheit, aber häufig kann der ausgezehrte Boden das Wasser gar nicht aufnehmen und es fließt ab. Damit das Wasser einsickert, brauchen wir beständigen Regen, was nicht mehr so in der Art vorkommt wie früher. Es gibt eine bereits spürbare Veränderung im System.

Was bedeuten zu wenig Regen und Schnee für die Landwirtschaft in Europa?

Weniger Schnee bedeutet vor allem weniger Schmelzwasser, was dann den Flüssen und den Bächen fehlt. Die Auswirkungen sind vielfältig. Wir haben das schon im vergangenen Jahr gesehen. Wasser wurde rationiert in Frankreich, in Italien und auch in Deutschland. Letztes Jahr sprach ich mit einem Landwirt, der sich beschwerte, er habe alles gemacht – das Feld bestellt, gesät, Zeit und Geld investiert, aber der Regen blieb aus. Das ist nicht nur für den Landwirt dramatisch, sondern auch für die Lebensmittelproduktion. Gleiches gilt für Norditalien, dort wird die größte Menge Reis innerhalb der EU produziert. Ganz genau kann man es noch nicht sagen, aber vielleicht wird es noch schlimmer dieses Jahr – wenn es sich so fortsetzt, also nicht mindestens der durchschnittliche Regen vom Frühling oder Sommer fällt. Das Defizit des vergangenen Jahres lässt sich sowieso nicht wieder aufholen.

Der Regen fehlt auch für das Grundwasser: Was heißt das für uns als Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa?

Das Wasser fehlt dann an allen Stellen. Konkret: Das Wasser wird rationiert, den Rasen im eigenen Garten zu sprengen wird verboten. Kommen zur Trockenheit auch noch überdurchschnittliche Temperaturen, ist auch die Gefahr von vermehrter Algenbildung zum Beispiel in der Ostsee gegeben – das kann auch gesundheitsgefährlich sein. Europa ist der Kontinent, der sich am stärksten erwärmt. Die Politikerinnen und Politiker haben in den vergangenen Jahrzehnten den Klimaschutz ignoriert – wir baden diese Versäumnisse aus der Vergangenheit bereits aus.

Was muss die Politik jetzt tun?

Die Politik muss viel mehr in Richtung Klimaschutz machen. Für jetzt reicht das nicht mehr, was heute geplant wird. Aber für spätere Generationen. Was viele nicht begreifen: Auch wenn wir unsere CO2-Emissionen drastisch reduzieren, ist die Temperatur ins "System" eingestanzt. Dann sind, sagen wir einmal, 1,8 Grad eingestanzt – die Erderwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bleibt damit auf einem sehr hohen Level und sorgt weiterhin für Zerstörungen und das über Hunderte von Generationen. Der komplette Verzicht auf fossile Energieträger ist also das Mindeste, was wir machen müssen. Die Emissionen müssen massiv reduziert werden, viel schneller, auf europäischer Ebene, auch international. Nicht nur die Grünen, auch echte konservative Politiker und Politikerinnen müssten in Deutschland endlich das Klima und die Natur schützen, tun es aber nicht. Dass Klimaschutz nicht ernst genommen wird in diesen Kreisen, zeigen die Diskussionen um das Tempolimit, was schlagartig Emissionen reduzieren würde oder die Debatte um E-Fuels, die nicht massentauglich sind. Wenn ich an die Hitzerekorde denke, dann wundere ich mich, dass sich so wenig im Städtebau ändert. Städte sollten auf Starkregen und Überhitzung reagieren, von Asphalt- und Betonwüsten müssen wir zu entsiegelten Flächen kommen – also in Richtung Schwammstädte denken. Ich bemerke hier aber keine Veränderungen in Deutschland. Flächen werden weiter zubetoniert.

Was macht Ihnen derzeit am meisten Sorgen?

Dass es parallel zur Klimakrise auch noch die Biodiversitätskrise gibt. Unsere Existenzgrundlage verschlechtert sich zunehmend.

Und was bereitet Ihnen am meisten Hoffnung?

Die jungen Menschen, die alles auf den Kopf stellen und Veränderungen herbeiführen. Das wird sowieso passieren, aber das kommt nicht rechtzeitig genug. Wir, die wir derzeit die Verantwortung tragen, sind die letzten Generationen, die den Wandel herbeiführen können. Bis 2030 müssen die Emissionen halbiert werden. Das werden nicht die Kindergartenkinder tun, sondern wir. Machen wir das nicht, müssen diese Kinder es allerdings ausbaden. Daran gibt es keinen Zweifel.

Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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