In Deutschland und der EU stockt der Ausbau der E-Mobilität. Längst wird wieder über Prämien als Kaufanreiz diskutiert. Dabei ist ein Land in Europa bereits viel weiter.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Norwegen wird das erste Land der Welt sein, das Diesel- und Benzinfahrzeuge so ziemlich vom Neuwagenmarkt nimmt", sagt Christina Bu, die Vorsitzende des norwegischen Elektroauto-Verbandes. In Norwegen sollen ab 2025 nur noch Elektroautos neu auf den Markt kommen. Schon 2024 waren neun von zehn neu zugelassenen Autos elektrisch angetrieben.

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Ganz weit vorne dabei sind Marken wie Tesla, Toyota und Volkswagen. Besonders die Autos von Milliardär Elon Musk finden regen Absatz und landen auf Platz eins der meistverkauften Neuwagen. Norwegen ist damit neben China Vorreiter der Elektromobilität.

Deutschland und EU hadern mit Verbrenner-Aus

In Deutschland und der Europäischen Union stockt dagegen der Umstieg auf die E-Mobilität. Zwar sollen nach Vorgaben der EU bis 2035 nur noch CO2-neutrale Autos zugelassen werden, aber der Absatz von E-Autos hat nach dem Ende der E-Auto-Förderung im Herbst 2023 rapide nachgelassen. Im November 2024 wurden fast 22 Prozent weniger E-Autos zugelassen als noch im November 2023, wie das Kraftfahrt-Bundesamt vermeldet.

In Deutschland betrug der Anteil von batteriebetriebenen E-Autos an der Gesamtflotte Anfang 2024 ungefähr drei Prozent. Aber auch beim Absatz stockt es. Im November 2024 war ungefähr jedes achte neuzugelassene Fahrzeug in Deutschland ein E-Auto. Umgekehrte Verhältnisse, wenn man die Zahlen zur Elektromobilität aus Norwegen damit vergleicht.

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Auch regt sich Widerstand gegen den Umstieg auf die E-Mobilität. BMW-Chef Oliver Zipse kritisierte die Entscheidung zum Ausstieg im Jahr 2035 zuletzt heftig. Er warnte, das Verbrenner-Aus gefährde die Wirtschaft und den Wohlstand Deutschlands und steigere die wirtschaftliche Abhängigkeit von China.

Das norwegische Model

Das Geheimnis der Skandinavier scheinen die stringenten Maßnahmen zu sein. Die Regierung in Oslo hatte hohe Einfuhrzölle für Verbrennermodelle verhängt. Das Land selbst verfügt über keine eigene Automobilindustrie und damit keine Lobby, die sich gegen solche Maßnahmen stellen könnte.

Gleichzeitig wurden E-Autos stark subventioniert – und das langfristig und stringent. "In anderen Ländern sehen wir es häufig, dass Steuervergünstigungen zuerst beschlossen und dann wieder zurückgenommen werden", sagt Christina Bu. Norwegen hatte die Maßnahmen dagegen durchgezogen. Das Land fördere die E-Mobilität seit über zehn Jahren äußerst konsequent, erklärt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach gegenüber unserer Redaktion.

"Eine wichtige Rolle spielte neben der Kaufförderung der Aufbau einer umfassenden Ladeinfrastruktur, günstiger Ladestrompreise und zeitweise Bevorrechtigungen beim Parken oder auf Busspuren", so Bratzel.

Norwegen als Vorbild?

Inwiefern Norwegen als Vorbild für Deutschland und die EU dienen kann, ist umstritten. Matthias Schmidt vom deutsch-britischen Analyseinstitut "Schmidt Automotive Research" bezeichnet Norwegen gegenüber unserer Redaktion als "Testsatellit", eine Art Versuchslabor, in dem der Markt für E-Mobilität getestet würde.

Gleichzeitig sind die Voraussetzungen dort jedoch andere als in den meisten EU-Ländern. "Norwegen verfügt über einen enormen Reichtum, der aus den Öleinnahmen vor seiner Westküste stammt und dem Land einen enormen monetären Überschuss beschert hat", so Schmidt. Dieser habe es der norwegischen Regierung ermöglicht, auf einen großen Teil der Steuereinnahmen zu verzichten, die verwendet wurden, um Elektroautos zu subventionieren.

Kommt eine neue E-Auto-Prämie?

Wäre das auch in Deutschland oder anderen EU-Ländern möglich? Schmidt ist skeptisch: "Wie wir sowohl in Deutschland als auch in Frankreich gesehen haben, lassen diese Art von Haushaltsbudgets dies einfach nicht zu." In Deutschland war zuletzt im Herbst 2023 die Subventionierung von E-Mobilität am geplatzten Haushalt der Ampelregierung gescheitert.

Schmidt geht daher davon aus, dass in der EU die Umstellung auf die E-Mobilität, die bis 2035 vorgesehen ist, viel ruhiger und gleichmäßiger verlaufen wird – dafür aber mit einer weitaus höheren Belastung für die Verbraucher.

Allerdings könnte die vorgezogene Bundestagswahl die Entwicklungen in Deutschland beschleunigen. Im Zuge des beginnenden Bundestagswahlkampfes haben bereits Olaf Scholz (SPD) und Markus Söder (CSU) eine Subventionierung von E-Autos in Aussicht gestellt. Gut möglich, dass eine neue E-Auto-Prämie damit schneller kommt als gedacht.

Über die Gesprächspartner

  • Matthias Schmidt ist Berater im Bereich Automobilmarkt mit Sitz in Deutschland und Großbritannien. Zu seinen Kunden zählen unter anderem Führungskräfte, Produktplaner und politische Entscheidungsträger. Sein Unternehmen bietet Analysen zum sich verändernden Automobilsektor.
  • Stefan Bratzel ist Gründer und Direktor des unabhängigen Forschungsinstituts Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.

Verwendete Quellen

Fast alle Neuwagen in Norwegen sind Elektroautos

Fast alle Neuwagen in Norwegen sind Elektroautos

Das skandinavische Land hat es sich zum Ziel gesetzt, ab diesem Jahr nur noch Elektroautos neu auf den Markt zu bringen. 2024 wurden bereits fast 90 Prozent der verkauften Neuwagen ausschließlich elektrisch angetrieben.
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