Die deutsche Wirtschaft schwächelt weiter. In diesem Jahr dürfte das Wachstum nahe null liegen. In ihrem Frühjahrsgutachten halten die großen Forschungsinstitute fest: Die Produktivität tritt auf der Stelle. Es fehlt der wirtschaftspolitische Aufbruch.

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Stefan Kooths kommt gleich zur Sache. "Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen", sagt der Ökonom vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). In Zahlen ausgedrückt, heißt das: Die Wirtschaftsleistung legt in diesem Jahr um lediglich 0,1 Prozent zu. Das geht aus der Gemeinschaftsdiagnose hervor, die die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute am Mittwoch in Berlin vorgestellt haben. Sie bildet die Grundlage für die Konjunkturprognose der Bundesregierung.

Kooths und seine Kollegen haben sich angeschaut, wie sich die Performance der Volkswirtschaft entwickelt. Die bittere Erkenntnis: Der Trend zeigt nach unten – und der Aufschwung verschiebt sich erneut. Noch im Herbst waren die Ökonomen von einem Wachstum von 1,3 Prozent in diesem Jahr ausgegangen. Schon 2023 war Europas größte Volkswirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft. Unterm Strich befindet sich die wirtschaftliche Leistung leicht über dem Vor-Pandemie-Niveau. "Seitdem tritt die Produktivität auf der Stelle", halten die Wissenschaftler nüchtern fest.

Forscher sehen "schwindende Wachstumskräfte"

Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, die im Gutachten benannt werden: Der private Konsum hat sich schwächer als erwartet entwickelt. Trotz des weltwirtschaftlichen Aufschwungs sind die Ausfuhren zurückgegangen. Auch die Bauwirtschaft gehe durch ein tiefes Tal. Die Forscher diagnostizieren eine "zähe konjunkturelle Schwächephase", die mit "schwindenden Wachstumskräften" einhergehe.

Keine guten Aussichten.

Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung der Konjunktur einsetzen, die Dynamik aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen. Der private Konsum werde zur wichtigsten Stütze. Hier dürften Reallohnsteigerungen eine Rolle spielen. Im kommenden Jahr werde auch der Export wieder wichtiger für die konjunkturelle Entwicklung.

Ein Problem aber bleibt. Und das nennen die Institute "Politikunsicherheit". Gemeint ist damit der unklare wirtschaftspolitische Kurs der Bundesregierung. Firmen hielten Investitionen zurück, da nicht absehbar sei, in welche Richtung sich das Land entwickele.

Nun ist es nicht so, dass die Ampel das Problem der Wachstumsschwäche nicht erkannt hätte. Allerdings haben Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gänzliche andere Vorstellungen über das Notwendige. Vereinfacht gesagt: Der FDP-Chef möchte eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik betreiben. Wohingegen Habeck eher auf staatliche Investitionen als Nachfrageboost setzt.

Der alte Konflikt also: Markt versus Staat.

CDU fordert ein "Wirtschaftswende-Sofortprogramm"

Aus Sicht der Opposition ist klar: Es muss etwas passieren. "Die Prognose der Forschungsinstitute ist das Gegenteil von Beruhigung", sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Julia Klöckner, dieser Redaktion. Ohne Wachstum gebe es keinen Wohlstand.

Klöckner attestiert der Ampel eine verfehlte Wirtschaftspolitik. "Subventionsspiralen und politisches Mikromanagement lähmen, statt zu beflügeln. Und kleinteilige Eingriffe an der einen Stelle ziehen Interventionen an anderer Stelle nach sich. So ist die deutsche Wirtschaft verunsichert worden und befindet sich in akuter Schieflage", sagt sie.

Die Union fordert ein "Wirtschaftswende-Sofortprogramm mit strukturellen Veränderungen". Ähnlich hatte sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kürzlich im Interview dieser Redaktion geäußert – und eine "Agenda 2030" angeregt.

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Wie die aussehen könnte, skizziert CDU-Wirtschaftspolitikerin Klöckner: weniger Steuern, Abgaben und Bürokratie. Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren bei Infrastruktur und "Anreize für Arbeit statt Bürgergeld". Auch im Arbeitsrecht und bei Fachkräften gebe es Nachholbedarf, sagte sie dieser Redaktion.

Eine Reform der Schuldenbremse allerdings soll es auch mit der Union nicht geben. Die führenden Forschungsinstitute haben sich dafür am Mittwoch in Berlin ausgesprochen. Wie zuvor schon die Bundesbank und die "Wirtschaftsweisen". IfW-Forscher Kooths stellte auf dem Podium der Bundespressekonferenz allerdings klar, dass davon "nicht das Wohl und Wehe des Wirtschaftsstandorts Deutschland" abhänge.

Immerhin: Im kommenden Jahr dürfte es auch so mit dem BIP-Wachstum wieder langsam aufwärtsgehen. Die Ökonomen rechnen dann mit einem Plus von 1,4 Prozent. Und auch für Verbraucher gibt es gute Nachrichten: Die Inflation nimmt weiter ab. In diesem Jahr könnten die Verbraucherpreise um 2,3 Prozent steigen. Im nächsten Jahr könnte die Teuerungsrate bereits wieder bei 1,8 Prozent liegen – und damit unter dem Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB), der bei zwei Prozent liegt.

Verwendete Quellen

  • Vorstellung der Gemeinschaftsdiagnose in der Bundespressekonferenz
  • Stellungnahme von Julia Klöckner
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