- Nele Neuhaus ist die Autorin der beliebten Taunuskrimis.
- Die neueste Verfilmung "Muttertag" läuft am 14. und 16. Februar im ZDF.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht die Autorin darüber, wie es ist, wenn die Figuren aus den eigenen Geschichten auf dem Bildschirm zum Leben erwachen.
Frau Neuhaus, am Valentinstag läuft der erste Teil des neuen Taunuskrimis "Muttertag" im ZDF. Wäre eine Ausstrahlung am Muttertag nicht viel passender gewesen?
Nele Neuhaus: Der Muttertag wäre natürlich der Hammer gewesen. Allerdings glaube ich, dass pragmatische Überlegungen das verhindert haben. Wir wünschen uns ja alle, dass wir im Mai schon schönes Wetter haben. Und dann sitzt man nicht mehr so gerne vor dem Fernseher. Und ich denke, dass das ZDF wohl deshalb die Entscheidung getroffen hat, den Taunuskrimi lieber jetzt im dunklen Grusel-Februar auszustrahlen.
Nele Neuhaus: "Bin überrascht, wie kurzweilig und berührend der Zweiteiler geworden ist"
Das Buch "Muttertag" haben Sie bereits 2018 veröffentlicht. Wie sehr wird sich der Film vom Buch unterscheiden?
Der Film wird schon anders sein. Der rote Faden ist derselbe, die Handlung bleibt der im Roman sehr ähnlich. Aber natürlich muss bei zweimal 90 Minuten einiges aus einem 500-Seiten-Buch weggelassen werden. Frei nach dem Motto "Kill your Darlings" muss man auf einiges verzichten. Ich durfte den Film vorab schon sehen und bin dabei natürlich immer sehr kritisch, weil ich immer sehr gerne noch viel mehr drin hätte. Aber ich muss sagen, ich war überrascht, wie kurzweilig, wie spannend und wie berührend der Zweiteiler geworden ist.
Der zweite Teil wird am 16. Februar ausgestrahlt. Begrüßen Sie als Schriftstellerin das Format von zweimal 90 Minuten, das es erlaubt, viel tiefer in die Geschichte einzutauchen?
"Böser Wolf" war 2016 der erste zweiteilige Taunuskrimi. Ich begrüße das Format sehr, weil man so der Menge des Stoffes meiner Bücher besser gerecht wird, als wenn man zu sehr komprimieren muss. Jetzt steckt ein ganz neues Team dahinter, die UFA als Produzent und Felix Herzogenrath als Regisseur. Die Umsetzung meines Romanstoffs hat mir sehr gut gefallen. Weil es nicht so überhastet und vollgestopft ist. Die Zuschauerinnen und Zuschauer lernen die Figuren kennen, es gibt auch mal ein Bild, das ein bisschen länger gezeigt wird und gut wirken kann. Da kann ich es dann auch verschmerzen, wenn der Showdown am Ende nicht auf dem Frankfurter Flughafen stattfindet, sondern woanders (lacht). Das Ende ist auf jeden Fall berührend und gut gelungen.
Können Sie kurz zusammenfassen, worum es in "Muttertag" geht?
Mein Ermittlerteam findet in einem Haus im Taunus die Leiche eines alten Mannes. Der Mann hatte einen Hund, den sie halb verhungert in seinem Zwinger finden. Der Hund hat ein Loch in den Boden gegraben, es werden drei Frauenleichen gefunden. Natürlich fällt der Verdacht auf den Mann, dass er der Serientäter war, der die drei Frauen umgebracht hat. Aber es wird noch viel spannender. Denn die Ermittler stellen Gemeinsamkeiten mit anderen Cold Cases fest. Der amerikanische Profiler David Harding unterstützt die Ermittler mit entscheidenden Tipps, um den Fall zu lösen.
Der erste Taunus-Krimi wurde 2013 verfilmt. Wir war es für Sie, als die Figuren, die Sie erdacht haben, plötzlich auf dem Bildschirm zu sehen waren?
Das war schon ein bisschen eigenartig für mich. Zumal die Besetzung der Hauptcharaktere meiner Meinung nach damals zu jung war (lacht). In meinem Kopf waren Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff (heute Sander) schon Anfang, Mitte Vierzig. Kürzlich habe ich zu Tim Bergmann gesagt: "Du bist wunderbar in die Rolle reingealtert. Jetzt passt du endlich." Seine Romanfiguren in einem Film zu sehen ist immer ein bisschen schwierig. Jeder hat sein eigenes Kopfkino, egal ob ich als Urheberin der Geschichte oder meine Leser. Und wenn sich die Figuren in Fleisch und Blut verwandeln, ist das zuerst ein kleiner Schock. Aber wenn sie gut besetzt sind, wie beispielsweise im Fall von Michael Schenk, der die Figur Kai Ostermann spielt, bin ich absolut fasziniert.
Ja, absolut! Felicitas hat die Rolle schön gespielt und die Zuschauer haben sie als Pia Sander vor Augen. Ich finde Annika Kuhl großartig! Sie ist eine gestandene Frau, so sehe ich meine Pia Sander. Sie spielt die Rolle sehr intensiv. Besonders beeindruckt hat mich, dass sie mich angerufen hat, um über diese Rolle und die Figur Pia Sander zu sprechen. Das hat noch kein Schauspieler vor ihr gemacht.
Was hat sie konkret gefragt?
Sie wollte mehr über die Figur erfahren, über die Hintergründe. Was Pia bewegt. Wovor sie Angst hat. Was sie dazu gebracht hat, Polizistin zu werden. Dieser ganze Hintergrund war für sie wichtig, damit sie sich ein Bild von dieser Figur machen kann. Für mich war das ein interessanter Einblick in die Arbeit einer Schauspielerin, den ich bisher so nicht hatte.
"Als Schriftsteller sind wir einsame Wölfe"
Wie sehr können Sie als Schriftstellerin Einfluss auf die Filme nehmen?
Nicht so viel. Wenn man die Filmrechte vergibt, trennt man sich ein Stück weit von seinem Werk. Man gibt es in die Verantwortung eines anderen. Erfreulicherweise hat mich die UFA aber sehr involviert. Ich durfte die Drehbuchfassung lesen, wir haben sehr viel diskutiert, über die Darstellung und Verhältnisse der Figuren untereinander, zum Beispiel. Und ich durfte an den Dialogen mitschreiben, das hat mich ganz besonders gefreut.
Und Sie haben einen Gastauftritt bekommen. Wie haben Sie das erlebt?
Ja, ich habe einen Cameo-Auftritt bekommen. Das war faszinierend. Als Schriftsteller sind wir einsame Wölfe und sitzen allein in unseren Arbeitszimmern rum. Und plötzlich kommt man dann an ein riesiges Filmset, wo 50, 60 Leute rumspringen. Das hat mich unwahrscheinlich beeindruckt und auch berührt. Dass Dinge, die ich mir ausgedacht habe, dazu führen, dass sich so viele Menschen damit beschäftigen. Dann musste ich in die Maske und habe das ganze Prozedere wie eine echte Schauspielerin erlebt. Ich habe vom Regisseur Anweisungen bekommen, wie ich gucken und reagieren muss. Das habe ich ganz gut hinbekommen, glaube ich (lacht).
Sie halten bei Ihrem kurzen Auftritt Bücher in der Hand. Sind es Ihre eigenen?
Ja, es sind meine eigenen. Da ist ein kleines Augenzwinkern dahinter. Es wurde in Königsstein gedreht, der Nachbarort meines Heimatortes, in dem viele meiner Bücher spielen. Und speziell diese Buchhandlung in der Fußgängerzone, vor der ich im Film stehe, hat in der Realität einen großen Anteil daran, dass ich heute Nele Neuhaus bin. Die Buchhandlung hat eines meiner damals noch selbstverlegten Bücher einer Vertreterin des Ullstein Verlages mitgegeben. So bin ich zu dem Verlag gekommen und habe diese Karriere gemacht. Was fast noch witziger ist: Ein paar Jahre später habe ich meinen jetzigen Mann bei einem Tag der offenen Tür vor genau dieser Buchhandlung, genau an dieser Stelle, wo ich im Film stehe, kennengelernt. Deshalb fand ich den Cameo-Auftritt an genau dieser Stelle tatsächlich eine sehr charmante Idee des Regisseurs und des Produzenten.
"Es geht nicht um die Region als solche, sondern den Mikrokosmos"
Es gibt Eifelkrimis, es gibt Allgäukrimis und Frieslandkrimis und es gibt den Taunuskrimi. Warum eignet sich offenbar gerade der ländliche Raum so gut als Kulisse für Kriminalgeschichten?
Ich denke, es geht nicht um die Region als solche, sondern den Mikrokosmos, den sie darstellt. Den kennt jeder, weil wir alle irgendwo in einer in sich abgeschlossenen Gegend wohnen. Wenn da irgendwo das Verbrechen Einzug hält, berührt uns das viel mehr, als wenn es in irgendeiner Großstadt oder fiktiven Gegend stattfindet. Ich bin sehr im Dialog mit meinen Leserinnen und Lesern und weiß, welche Spannung und Nachwirkungen das verursacht, wenn sie an einer bestimmten Stelle aus dem Buch vorbeikommen. Zum Beispiel an der Fußgängerbrücke, von der jemand in dem "Schneewittchen muss sterben"-Buch stürzte. Genau das macht den Kitzel aus. Wir kennen das alle von "Aktenzeichen XY". Wir sehen uns alle Beiträge an, aber der, der in der Nähe unseres Wohnortes spielt, verursacht uns ganz besondere Anspannung und Grusel. Deswegen glaube ich, dass diese Regionalkrimis, die dem Leser den Einbruch des Verbrechens in eine heile Welt vorgaukeln, ganz besonders faszinierend sind.
Der Taunus ist ja eigentlich eine sehr beschauliche Gegend. Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen, ihn als Ort zahlreicher Verbrechen darzustellen?
Es geht so (lacht). Der echte Chef der Kripo hat mal schmunzelnd zu mir gesagt: "Frau Neuhaus, wie Sie unsere Kriminalstatistik in die Höhe treiben, das ist ja echt ein Ding! Bei uns ist es doch in Wirklichkeit so friedlich." Und der Taunus ist in der Tat eine Gegend mit recht wenig Kriminalität. Aber ich denke, es macht den Menschen hier im Taunus Spaß, dass ihre Heimat diese Aufmerksamkeit bekommt. Es ist nämlich eine etwas unterschätzte Region. Man fährt auf der Autobahn an Frankfurt vorbei und sieht nur den Flughafen und die Skyline. Aber der Taunus, der sich dahinter verbirgt, ist einen zweiten Blick wert.
Sie haben Ihre große Fangemeinde bereits erwähnt. Wie oft werden Sie angesprochen?
Täglich. Ich bin hier aufgewachsen, jeder kennt mich. Ich bin hier nichts Besonderes. Wenn ich einkaufen oder mit dem Hund spazieren gehe, werde ich manchmal gefragt, wann der nächste Film kommt, oder ich bekomme gesagt, dass mein letztes Buch jemandem gut gefallen hat. Das passiert auf einer sehr persönlichen Ebene. Aber ich bekomme auch viel Fanpost, über Instagram und Facebook, aber auch in Form von Briefen in mein Postfach. Briefe schreiben vor allem sehr junge Menschen, ich schreibe ja auch für Mädchen Pferdebücher. Das ist wirklich toll und großartig.
Wie viele Ideen für Taunuskrimis haben Sie noch?
Ich habe auf jeden Fall noch genug Ideen, dass ich gerade einen Vertrag über drei neue Bücher unterschreiben konnte. Drei Taunuskrimis wird es also auf jeden Fall noch geben.
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