"Dalli Dalli" ist einer der großen Fernsehklassiker der Republik. Doch mit der "Weihnachtsshow" beweist das ZDF, dass sein Programm noch älter ist als sein Publikum.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es geht sofort los bei "Dalli Dalli - die Weihnachtsshow". Klatschen, sehr viel Klatschen, noch mehr Klatschen, die Kamera schwenkt über 16 Prominente, die seltsam verkrampft Lockerheit ausstrahlen wollen, eine Stimme aus dem Off ist auch total gut drauf und dann kommt Johannes B. Kerner und sagt: "Das wird ein großer Spaß." Spätestens zu diesem Zeitpunkt weiß der Zuschauer: Wenn der "Spaß" explizit angekündigt werden muss, kann es mit ihm nicht so weit her sein.

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Zur Bestätigung sagt Kerner zu Gast Mike Krüger: "Dass du es aus Offenburg mit dem Bagger hergeschafft hast! Zur Erinnerung für alle, die unter dem vergreisten Altersschnitt des ZDF liegen: Es ist eine Anspielung auf Krügers Auftritt in der letzten "Wetten,dass..?"-Show, die Ende November aus Offenburg ausgestrahlt wurde.

Das ist natürlich so retro, wie Fernsehen nur sein kann. "Dalli Dalli" ist einer der großen Fernsehklassiker der Bundesrepublik, zwischen 1971 und 1986 moderierte im ZDF Hans Rosenthal 153 Folgen. Neuauflagen gab es immer wieder. In den Neunzigerjahren im ZDF, dann im NDR, in der ARD unter dem Titel "Das ist Spitze!", seit 2021 sendet wieder das ZDF einmal im Jahr ein Weihnachts-Spezial unter dem Originalnamen, mit denselben Spielen, derselben Musik, dem ikonischen "Spitze"-Sprung in die Luft. Selbst Juror Christian Neureuther, diesmal mit Schwiegertochter Miriam an seiner Seite, saß schon ab 1980 bei Hans Rosenthal.

Wohlfühlfernsehen aus der romantisierten Lagerfeuerzeit

Womit "Dalli Dalli" gut in die Zeit passt. In den vergangenen Jahren kehrte eine Vielzahl von Shows kaum verändert zurück. "Der Preis ist heiß", "Geh aufs Ganze", "Herzblatt", "TV Total", "Die Pyramide" sind nur einige Namen einer langen Reihe, die natürlich die Frage aufwirft, ob Fernsehproduzenten nichts mehr einfällt oder ob sie resigniert haben und so alt senden, wie ihre Zuschauer laut Erhebungen sind: hauptsächlich Senioren und die, die sich so fühlen.

Denn natürlich ist "Dalli Dalli" Wohlfühlfernsehen aus der romantisierten Lagerfeuerzeit, in der sich die Familie um den Fernseher versammelte. Wer mit seinem Haushalt die letzte Ausgabe von "Wetten, dass ..?" vor einigen Wochen verfolgt hat, weiß aber, dass das heute eine Illusion ist.

Die Kinder starren alle zehn Sekunden auf ihren Smartphones, die Frau checkt Instagram und nach spätestens anderthalb Stunden Sendezeit fragen sich alle, wieso das eigentlich mal ein Großereignis war, dem die Familie entgegenfieberte. Die simple Antwort ist: Thomas Gottschalk war eben Thomas Gottschalk, die Bagger-Wetten nervten schon immer und sonst gab es nicht viel.

Der Muff der Vergangenheit

So haftet auch dem aktuellen hektischen Gute-Laune-Format "Dalli Dalli" mit Johannes B. Kerner der Muff der Vergangenheit an. Die Verweise auf die Gegenwart sind verzichtbar. So beschäftigt sich Komiker Bülent Ceylan in seinen Wortassoziationen ziemlich viel mit seinen Körperausscheidungen.

Dann werden in Elfenschürzen Weihnachtskalender geöffnet, die Prominenten quaken, wiehern und suchen die passenden Tiere dazu. Dazu läuft die klassische Musik der Originalshow: Det de det de det, det de det de det, da da dä dä! Es dauert nur 20 Minuten, bis Kerner ruft: "Ihr seid der Meinung das war …" und ihm ein "Spitze!" aus dem Publikum entgegenschallt. Er springt in die Luft, das Bild friert ein, wie im Original seit der 100. Folge. Damals war es eine technische Herausforderung, heute ein Zitat.

Passend dazu gibt es immer wieder Einspieler aus der Originalshow, zum Beispiel mit Mike Krüger. Der ist in der Weihnachtsausgabe am Dienstag dabei und war auch fünfmal bei Hans Rosenthal. Zum Beweis gibt es die Bilder dazu. Krüger mit Roberto Blanco, mit dem jungen Thomas Gottschalk, noch mit original blonder Mähne, ohne den barocken Frack späterer Jahre. Jetzt rollt Krüger mit seinem Partner Axel Milberg auf Bürostühlen durchs Studio, Partyhütchen und Glitzergirlande inklusive. Dazu wieder die Musik: "Det de det de det …"

"Dalli Dalli" war schon im Original biederstes Fernsehen, eine Art Game-Show-Entsprechung der heilen Schlagerwelt. Ja nicht zu frech, ja nicht zu wild, eine Sendung, bei der die ganze Familie vor dem Fernseher dösen kann, ohne dass der Ruhepuls verlassen wird. Der Neuzeit ist wohl geschuldet, dass es beim freien Assoziieren von Begriffen des Öfteren mal zu verbalen Ausschlägen wie "bumsen" kommt.

Dafür springt Kerner nicht in die Luft. Ebenso wenig für "arschlochmäßig" und "affengeil", mit denen Dunja Hayali und Kinderliebling Tobi Krell ("Checker Tobi") punkten. Doch selbst das wirkt irgendwie steif. Wie wenn der ungeliebte Onkel zu Weihnachten kommt und schlüpfrige Witze erzählt, bei denen nur er selbst lacht.

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Alles erinnert an Kindergeburtstag

Mehr Retro-Charme gibt es mit "Dalli Klick", dem Bilder-Memory, bei dem natürlich Thomas Gottschalk bei seiner letzten Sendung von "Wetten, dass …?" zu sehen ist. Später folgen als Zugeständnis an die aktuelle Popkultur Taylor Swift und Shirin David. Letztere war auch bei Gottschalk zu Gast und sorgte für den vorhersehbaren Skandal. Hier schließt sich der Kreis.

Die Aktionsspiele passen in dieses brave Gebaren. Da laufen Ballermann-Hits und Wigald Boning und Sabine Heinrich müssen im Skianzug die passenden Gegenstände auf einer Papp-Schneewand stapeln. Alles erinnert ein wenig an einen Kindergeburtstag, nur eben für Erwachsene. Mit zweieinhalb Stunden Sendezeit, ohne Werbung, ohne musikalische Einlage, ist das viel zu lang, wie eigentlich alles heute im linearen TV, das unter dem Schlagwort "Event-Fernsehen" läuft. Die Originalsendung kam mit 90 Minuten aus.

Irgendwann setzt sich Kerner selbst ans Ratepult, damit er auch mal weiß, "wie das ist". Gar nicht so schwer, ist die Erkenntnis, er moderiert trotzdem lieber. Kurz vor Schluss zeichnet Blitz-Karikaturist Daniel Stieglitz, der den verstorbenen "Oskar" ersetzt, noch kahlköpfige Zuschauer aus dem Publikum und dann ist es wieder ganz so wie bei Hans Rosenthal.

Sein Sohn Gert winkt aus dem Publikum, etwas mehr als 34.000 Euro wurden für die Stiftung seines Vaters erspielt, das Geld geht an Familien in Not. Wer gewonnen hat, ist eigentlich egal, das Ziel ist erreicht. Wir sehen uns wieder im nächsten Jahr. Mit den gleichen Spielen und einem noch älteren Publikum.

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