Kennste, wa? Kennste, Kennste? Wem sich bei Mario Barth die Nackenhaare aufstellen, der wird an "Mario Barth deckt auf" natürlich keinen Gefallen finden. Doch selbst eingefleischte Barth-Fans dürften bei der Pseudo-Aufklärungs-Comedy wenig zu lachen haben. Denn auch gestern Abend hatte die RTL-Show weder etwas mit Aufklärung noch mit Comedy zu tun.

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Es dauerte exakt 57 Sekunden, dann war der erste Flughafen-Witz gerissen. "Viele Zuschauer schreiben mir: 'Mario, werd' doch Bürgermeister!' Ich möchte kein Bürgermeister sein, sonst muss ich den BER fertig machen". Für einen der Top-Humoristen Deutschlands ist das in etwa so, als würde man bei einer exklusiven Geburtstagsgala einen Mett-Igel aufs Buffet stellen. Das Traurige an dem BER-Witz war aber nicht die fehlende Originalität. Mario Barth kennt eben sein Publikum und weiß, was zieht. Nein, das Traurige war, dass dieser laue Gag bereits den humoristische und investigative Höhepunkt der dann noch folgenden zwei Stunden darstellte.

Das liegt nicht etwa daran, dass Barth auf einmal Comedy verlernt hat. Auch wenn man seinen Humor nicht teilt: Der Berliner beweist seit Jahren, dass er die Leute in Scharen zum Lachen bringen kann. Das Problem bei "Mario Barth deckt auf" ist nach zwei Jahren immer noch diese unsägliche Verschmelzung von Humor und pseudo-investigativer Recherche. Barths Versuche, den Zuschauer über vermeintliche Geldverschwendung von Kommunen, Behörden und Co. aufzuklären, ist nach wie vor nur populistische Volksverbrüderung auf Kosten objektiver Aufklärung.

Mario Barth – der Rächer des kleinen Mannes

"Mario Barth deckt auf" deckt nicht auf, sondern umarmt den kleinen Mann auf Stammtischniveau, gaukelt ihm Fürsorge vor und liefert ihm einfache Wahrheiten. Nachfrage, echte Information, Hintergründe, Zusammenhänge – all das, was man unter einer seriösen Recherche verstehen würde – all das ist Mario Barth herzlich egal. Hauptsache die Pointe geht nicht verloren und die ist immer dieselbe: Seht nur, wie der Staat mit unserem Geld umgeht! "Wir hier unten gegen die dummen Geldverschwender da oben - Prost" wäre der ehrlichere Titel für die RTL-Show gewesen.

Da singt er zum Beispiel ein Loblied auf die Feuerwehr im Allgemeinen und auf die Feuerwehr-Truppe aus Falkensee im Besonderen. So viel Verantwortung, so viel Arbeit, so wenig Lohn. Und damit die Aussage auch beim dümmsten Zuschauer ankommt, erklärt er das Ganze auch noch im besten Sendung-mit-der-Maus-Stil: "Wenn wir die Feuerwehrmänner und teilweise auch Feuerwehrfrauen nicht hätten, dann sähe es schlimm aus." Eine Aussage, die man über so ziemlich jeden Beruf treffen könnte, Waffenschieber und Drogendealer ausgenommen.

Aber das ist egal, Hauptsache der Stammtisch würde solchen Aussagen mit einem Grölen zustimmen. Hier sind die Guten, die Tapferen, die Helden, die dringend mehr Personal und Geld bräuchten und dort ist der Staat, der genau dieses Geld aus dem Fenster wirft, wo er nur kann. Unfähig, das sind immer nur die anderen. Und in genau diesem unreflektierten und unhinterfragten Stil hangelt sich Barth von einer vermeintlichen Geldverschwendung zur nächsten.

Appelt, Balder, Barth – Ikonen des investigativen Journalismus

Dazu hat er sich auch diesmal ein Team erfahrener Investigativ-Journalisten zur Seite geholt: Komiker Ingo Appelt, Moderatorin Annett Möller und TV-Anwalt Christopher Posch ziehen für Barth durchs Land. Und für den besonders heiklen Fall, die Hamburger Olympia-Bewerbung, konnte er die internationale Koryphäe in Sachen Korruption und Wirtschaftskriminalität für die gute Sache gewinnen: Hugo Egon Balder. Warum er nicht gleich Lurchi und seine Freunde oder den Bi-Ba-Butzemann gefragt hat, ist ein Rätsel.

Stattdessen darf also Hugo Egon Balder durch Hamburg mäandern und den Hanseaten beim Geldverschwenden auf die Finger schauen. Alter Elbtunnel – Geldverschwendung, Maßnahmen, damit die Busse in Hamburg pünktlicher sind – eine Unverschämtheit. Dazu darf dann Volkes Stimme seine Empörung in die Kamera sprechen. So wie der Mann von der Hamburger Volksinitiative, der beitragen kann, dass durch die Umbaumaßnahmen im Zuge des Busbeschleunigungsprojektes sage und schreibe bereits zehn Menschen über eine Bodenschwelle gestolpert sind. Ob acht dieser Menschen vielleicht betrunken waren, fragt keiner.

Gestatten, Mario Barth - "Bürgerjournalist"

Aber Ausgewogenheit bei der Recherche interessiert Barth und sein Team nicht, wichtig ist nur die Pointe und das Sich-lustigmachen. Wäre der Sendung an objektiver Fehlersuche gelegen - denn Steuergeldverschwendung gibt es ja zweifelsohne genug – dann hätte man die Recherche entsprechenden Experten überlassen und nicht einer Truppe "Bürgerjournalisten" um Ingo Appelt, Hugo Egon Balder oder Mario Barth. Wer deren Recherchen glaubt, der soll auch so ehrlich sein und sich in Zukunft von "Bürgerärzten" operieren oder von "Bürgerpiloten" in den Urlaub fliegen lassen.

Aufklärung mit Humor – das war mit Sicherheit das Ziel, das Mario Barth sich vor zwei Jahren mit seiner Sendung gesetzt hat. Inzwischen sollte ihm klar sein, dass er weder das eine noch das andere und schon gar nicht eine gelungene Verschmelzung erreicht hat. Dieses Lustigmachen nimmt dem Ganzen den Ernst und der Ernst des Themas nimmt dem Ganzen den Spaß – eine Situation, bei der keiner gewinnt.

Und während Mario Barth nach dem Hamburg-Beitrag zusammen mit Balder symbolisch Geld aus dem Studio-Fenster wirft, kommt das Feuerwehrteam aus Falkensee mit einem Einsatzfahrzeug ins Studio gefahren, um Mario Barth eine Urkunde zur Ehrenmitgliedschaft zu überreichen. Wie viel Steuergeld für diese Pointe draufgegangen ist, erfahren wir vielleicht bei der nächsten Folge.

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