Die Erkenntnisse des Staffelauftakts von "Germany's next Topmodel" mal schnell zusammengefasst: Wolfgang Joop erntet Sympathien als exzentrischer Juror, Heidi Klum muss ins Krankenhaus und Tattoos sind kein Problem in der Modewelt - Rassismus aber schon.
Welche fünf Dinge machen die Model-Castingshow aus? Eine Luxusvilla, zwei Dutzend Traumkörper in einem Traumpool, ein Meer voller Mädchentränen, harter Konkurrenzkampf und ein medizinischer Notfall. Bis
Schön, schrill und lustig. So soll sie sein, Heidis neue TV-Beauty-Queen. 70 Mädchen sind geladen. Selektiert werden 25, von einer Jury bestehend aus zwei Konstanten, Heidi Klum und
Die natürliche Schönheit vom Lande bei "Germany's next Topmodel"
Und die Mädchen? Da wäre zum Beispiel Anna aus Ostfriesland. Sie ist 17, sehr hübsch, hat riesige "Elfenohren" und trägt Zahnspange. Die darf allerdings entfernt werden, sagt der Arzt, falls es die Karriere als Model verlangt. Anna repräsentiert einen Frauentyp, der bei GNTM häufig vorkommt: die natürliche Schönheit vom Lande. Sie wächst in der deutschen Provinz heran, ungestört und wohlbehütet. Und Hayo holt die Mädchen dann raus aus dem Kinderheim oder der Wirtsstube, hinein in die große weite Welt.
Damenhaftes Auftreten hingegen gilt beim Casting als hoffnungsloser Fall. Da lässt sich nichts mehr formen. Und auch weibliche Formen und ein kauziger Charakter verhelfen nicht zum Modelglück. Lisas Brüste zum Beispiel nennt die Jury "Boobs" und sie stehen in Konkurrenz zu ihrem Kopf, sagt Joop. Adele hat Dialekt, einen übergewichtigen Ehemann und verwechselt den Laufsteg mit einer Poledance-Stange. Kandidatinnen ins Lächerliche zu ziehen, das ist eine Eigenart, die sich der deutsche Ableger von Tyra Banks "America’s Next Top Model" einfach nicht abgewöhnen kann.
Beim Typ-Casting dürfen außerdem nicht fehlen: eine Quoten-Mutter, ein Paar beste Freundinnen und die "exotische Schönheit". Diese Personage sorgt dann auch für einen inszenierten Skandal. Franziska steckte gerade noch in einem Dirndl und hofft nun vor laufender Kamera in Singapur auf den großen Durchbruch. Da rutscht der 17-Jährigen raus: Die dunkelhäutigen Mädchen hätten es ja nicht leicht, weil normalerweise nur ein dunkelhäutiges Mädchen gecastet werde und es unwahrscheinlich sei, dass alle drei in die Endrunde kommen.
Eine unüberlegte, aber keine dumme Bemerkung, die zur folgenschweren Beleidigung stilisiert wird, als Kandidatin Aminata sich (verständlicherweise) als Schwarze angegriffen fühlt und Franziska Rassismus zum Vorwurf macht. Die unvorsichtige Äußerung eines Teenagers unter Extrembedingungen zum dramaturgischen Mittelpunkt zu machen, bis sich Reue, Wut, Tränen und Versöhnungsumarmungen einstellen, das ist ebenso moralisch fragwürdig wie überzogen.
Heidi Klum spricht ständig vom Essen
Pädagogik spielte aber schon immer eine tragende Rolle im Sendungskonzept. Deshalb spricht Heidi Klum auch ständig vom Essen, schiebt sich als Vorbild für magersuchtsgefährdete Mädchen zwischendurch ein Schnittchen in den Mund und greift beherzt zum Döner. Das ist plump, aber nicht verkehrt. Nur doof, dass die Redaktion den Cliffhanger zu Teil 2 der Staffel mit Heidis Verdacht auf Lebensmittelvergiftung einläutet. Das ist also die Strafe für ungehemmtes Schlemmen.
Und was haben wir noch gelernt? Tattoos sind im Model-Business ein Problem von gestern. Trägt ja schließlich jede heutzutage. Wenigstens das hat sich geändert seit der ersten Staffel GNTM im Jahr 2006. Damals siegte Lena Gercke, eine blonde, mädchenhafte Schönheit aus Cloppenburg, die in einem Fast-Food-Restaurant arbeitete. Als Schönste der Schönen pendelte sie dann zwischen Berlin und New York, lernte einen prominenten Fußballer kennen, moderierte den österreichischen Ableger der Model-Show und wurde DSDS-Jurorin. GNTM kann Leben ändern – wenigstens eins pro Jahr. © Glutamat
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