Ist das schön in Schwachhausen. Ungünstiger Name, schickes Stadtviertel. Lange Reihen der sogenannten Bremer Häuser, denkmalgeschützte Straßenzüge mit viel Grün und viel Licht. Geschmackvoll möblierte Wohnungen mit Parkettböden, hohen Fenstern und noch höheren Decken.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

In jeder Familie ein Klavier, so eine Gegend ist das. Aber Harmonie herrscht deshalb natürlich noch lange nicht. Eine alte Krimi-Regel besagt: Je schöner die Nachbarschaft, desto kaputter die Nachbarn.

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Im Bremer "Tatort: Angst im Dunkeln" ist und geht so einiges kaputt. Ehen, Teenagerseelen, Vasen. Viel zu tun für die Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram), die einen Mord aufzuklären haben und hinter so ziemlich jedem Sprossenfenster einen Verdächtigen finden.

Mütter allein im Wald

Dabei hatten die Freundinnen Ayla (Pegah Ferydoni), Viola (Sophie Lutz) und Marlene (Inez Bjørg David) nur ein lustiges kleines Abenteuer vor: Sie haben sich von ihren halbwüchsigen Kindern blind im Wald aussetzen lassen, um ganz allein und ohne technische Hilfsmittel zurückzufinden. Warum? Weil die Frauen in irgendwelchen Elternratgebern gelesen haben, dass dieses aus Skandinavien stammende "Dropping" eine wertvolle Erziehungsmaßnahme für geplagte und plagende Teenager sei.

Aber bevor sie ihren armen Kleinen – die dem Aussehen nach mindestens 16, wahrscheinlich eher 18 Jahre alt sind – etwas derart Waghalsiges aufbürden, wollen die Muttis erstmal gucken, ob das auch sicher ist.

Ist es nicht: Marlene ist am nächsten Morgen tot. Ayla und Viola geht es auch nicht gerade bombig. Was an Marlene liegt, aber nicht nur an ihrem Tod. Marlene war bereits zu Lebzeiten eine Nervensäge, Besserwisserin und ziemliche Zicke. Als Zuschauerin fragt man sich die ganze Nachtwanderung hindurch, worauf die Freundschaft der drei Frauen überhaupt beruht hatte. Man fragt sich überhaupt so einiges in diesem "Tatort".

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Kein vielschichtiges Bild von Frauenfreundschaften

"Angst im Dunkeln" tut, als ob die Frauen sieben Tagesreisen von jeglicher Zivilisation entfernt im tropischen Regenwald feststecken. Dabei haben sie sich nur im Matsch des Bremer Umlands verlaufen. Und aus Übermut statt Wasser Whiskey und - hihihi - Sekt eingepackt.

Und jede hat verbotenerweise - wie ein aufmüpfiger Teenager – ihr Handy dabei. Der Empfang ist zwar unbeständig, aber doch gut genug, dass Ayla von ihrem Liebhaber Klaus aufgespürt und mit einem leidenschaftlichen Kurzbesuch überrascht werden kann.

Dieser Liebhaber wird von Henning Baum ("Der letzte Bulle") gespielt, was ihn einerseits zu einem willkommenen Exemplar in diesem dunklen Wald voller Bäume macht, andererseits ist Klaus der Ehemann von Marlene, weshalb Ayla ihn dann doch schnell wieder wegschickt. Ohne ihn wenigstens kurz nach dem Weg zu fragen. So viel Abenteurerinnen-Ehre muss sein.

Regisseurin Leah Striker erzählt den Ausflug im Wechsel mit den späteren Ermittlungen der Kommissarinnen. Parallel zu dem zunehmenden Druck, unter dem die Freundinnen stehen, kommen familiäre und berufliche Konflikte ans Licht. Aber die Chance, ein vielschichtiges Bild von Frauenfreundschaften zu zeichnen, verschenkt "Angst im Dunkeln" (Drehbuch: Kirsten Peters).

Die Verbundenheit der Camperinnen ist von Anfang an nicht nachvollziehbar. Und über die Kommissarinnen erzählt dieser "Tatort" auch nicht viel Neues: Liv Moormann und Linda Selb haben sich schließlich längst zusammengerauft und gehen mit ihren Differenzen erwachsen und respektvoll um.

Künstliche Dramatik des Waldabenteuers

Immerhin bleibt die Frage, wer für Marlenes Tod verantwortlich ist, spannend bis zum Schluss. Bis zur Aufklärung muss allerdings die künstliche Dramatik des Waldabenteuers toleriert werden. Auch die gewissenhafte Aneinanderreihung aller offensichtlichen Verdächtigen und ihrer Motive gibt einem das Gefühl, für ungefähr so orientierungslos gehalten zu werden wie die drei Überlebenskämpferinnen in Funktionskleidung.

Außer sämtlichen Ehemännern und Kindern (so gut situierten wie gelangweilten Schwachhausener Teenagern ist schließlich alles zuzutrauen) steht ein schweigsamer Waldschrat mit selbstgemachter Wandtapete unter Verdacht: Der "Handy-Mann" (Alexander Wüst) hat vor Jahren Camperinnen heimlich beim Schlafen fotografiert. Eine ist seitdem verschwunden und sah Marlene verdächtig ähnlich – Linda Selb ist überzeugt, dass er es war.

Arbeiterkind Liv Moormann kratzt derweil lieber weiter an den bürgerlichen Fassaden. Als Informantin dient interessanterweise die Tante der Kollegin: Johanna Selb wohnt rein zufällig in der Nachbarschaft der dysfunktionalen Familien. Interessant ist aber nur, dass es sich bei der Darstellerin Claudia Geisler-Bading um die tatsächliche Tante von Schauspielerin Luise Wolfram handelt. Ansonsten handelt es sich bei Johanna Selb um eine ziemlich überflüssige Figur, von der wir leider auch nicht viel über Linda Selbs Vorleben erfahren.

Wie aufschlussreich und relevant dagegen wirkte der Einblick in Liv Moormanns Vergangenheit im letzten Bremer "Tatort": "Donuts" war cool, spannend und überzeugend. Im Vergleich dazu ist "Angst im Dunkeln" schöner anzusehen (Kamera: Stefan Unterberger), aber schwach.

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