Günther Jauch hat Schluss gemacht mit Polit-Talk. Der beliebte Moderator ist trotzdem noch gut präsent im deutschen Fernsehen. Zum Beispiel gestern Abend bei "Die 2" zusammen mit Thomas Gottschalk. Die erste Sendung nach dem Jauch-Aus hatte fast Symbol-Charakter. Es ging ums Platz machen und ums Platz finden.

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Es ist der erste Ausstrahlungstermin nachdem Jauch seinen sonntäglichen Polit-Talk zum letzten Mal moderiert und seiner Nachfolgerin Anne Will Platz gemacht hat. Und die Show beginnt mit einem Knall-Effekt. Moderatorin Barbara Schöneberger betritt die Bühne. Im Gegensatz zur letzten Show trägt sie diesmal keinen Einteiler, sondern ein enges rotes Kleid. Eine Wahl, die ihr nur wenige Minuten später zum Verhängnis werden soll. Sie kündigt den niederländischen Zauberer Hans Klok an. Der kommt und zaubert sogleich Thomas Gottschalk und Günther Jauch ins Studio. Die Menge klatscht und die Schöneberger geht ins Publikum, um sich mit einem Mann zu unterhalten.

Ein schöner Rücken ...

So weit, so unspektakulär. Doch warum hält die Moderatorin die ganze Zeit eine Hand hinter den Rücken? "Mein Reißverschluss wandert nach unten", lüftet die Moderatorin das Geheimnis ihrer ungeplanten Verrenkungsaktion und bittet darum, hinter der Bühne schon einmal Nadel und Faden bereit zu halten. Noch bevor sie ins Publikum ging, war der Moderatorin der Reißverschluss ihres Kleides geplatzt.

Es ist eine Situation, die sehr viel aussagt über die Sendung, über die Schöneberger und auch über Günther Jauch. Natürlich hätte man diese Szene einfach rausschneiden können, die vierstündige Show hätte man auch so gefüllt. Zumal der Skandalwert der Szene selbst für Boulevardmedien eher um die Null kreiste. Aber offenbar fand man bei RTL, dass der Moment, in dem der Reißverschluss dem Körper Schönebergers Platz machte, den Unterhaltungswert der Show steigern könnte. Barbara Schöneberger jedenfalls brachte die Situation souverän und offensiv, ohne Anflüge von Peinlichkeit über die Bühne, um danach hinter selbige zum Kleiderwechsel zu verschwinden.

Jauch, ganz Gentleman

Und Günther Jauch? Anders als sein Partner Gottschalk nutzte er die Situation nicht für mehr oder weniger laue Zoten, sondern eilte seiner Kollegin pflichtbewusst zu Hilfe, hielt hinter ihr zusammen, was er kriegen konnte und geleitete sie zur Bühne hinab, wo sie dann abgeholt wurde. Es ist diese preußische Tugendhaftigkeit, die ihn in so einer Situation das Richtige tun lässt. Sonntagabend musste er der knallharte Journalist sein, der Politiker grillt, hier darf er der galante Sympathie-Träger sein, der anderen hilft. Die erste Rolle konnte er nie richtig ausfüllen, die zweite Rolle ist ihm auf den Leib geschneidert.

Dort der insistierende Fragensteller, der politische Journalist, der er so gerne sein wollte, der er aber viel zu selten war. Hier der menschelnde, gutmütige Unterhalter, der immer noch seinen Buben-Charme versprüht, auch wenn er inzwischen stramm auf die 60 zugeht. Günther Jauch hat seinen Platz geräumt, den er sich erst im zweiten Anlauf erobert hatte. Vorerst nimmt er also nur noch dort Platz, wo ihn wohl die meisten Deutschen am liebsten sehen: in Shows wie "Wer wird Millionär?" oder eben in "Die Zwei".

Affig ja, aber kein Affentheater

Gerade "Die Zwei" ist eine ideale Show für Jauch, kommen gerade hier seine Qualitäten, die in seinem Polit-Talk viel zu kurz kamen, ja gar nicht gefragt waren, und die sein Publikum so an ihm liebt, am besten zur Geltung. So wie gestern Abend. Da ist er wieder der Quiz-Onkel, der wissen soll, dass die Schweden an Heiligabend traditionell Donald Duck ansehen; da darf er sich für ein bisschen Klamauk hergeben, der zwar aufgrund seiner körperlichen Ungelenkigkeit umso komischer wirkt, bei dem er sich aber nie komplett zum Affen macht.

Da darf er wieder im Duett mit Gottschalk blödeln, die Rollen der beiden haben sich über die Jahre eingespielt. Gottschalk darf die Witze raus hauen: "Dieter Bohlen hat ziemlich viel falsch gemacht, aber das nicht", als es um die Frage nach dem Verfasser von Helene Fischers "Atemlos" ging. Jauch dagegen darf den Intellektuellen zur Schau stellen: "Machen wir was Historisches: Bismarck, 1871" als die beiden die Kalorienzahl eines Festmenüs erraten müssen.

Hat Günther Jauch nun seinen Platz gefunden?

Shows wie die gestrige sind Selbstläufer für Jauch, das kann er einfach. Irgendwie scheint es ihm auch Spaß zu machen, wenn er mit Gottschalk zusammen Schafe in seine Spielfeldhälfte locken muss, wenn er sich als Weihnachtsmann verkleiden muss oder wenn er sich erst mit den Zuschauern duelliert, um am Ende der Finalistin 10.000 Euro abzugeben, weil der Ballon gar so schnell platzte.

Trotzdem weiß man nicht genau, ob Jauch nach dem ARD-Intermezzo nun seine Rolle endgültig gefunden hat oder ob er sich nur in sie fügt. Ob er damit leben kann, "nur" der Liebling der Massen zu sein und nicht der, den die Politiker fürchten. Als Zuschauer wünscht man es ihm, eben deshalb, weil man ihn genau so am liebsten mag.

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