• Die Body-Positivity-Bewegung wendet sich gegen Schönheitsideale und möchte Menschen dazu bringen, ihren Körper so zu akzeptieren, wie er ist.
  • Mitunter sehen sich aber auch Frauen als Body-Positivity-Vertreterinnen, die ganz offensichtlich einem Schönheitsideal nacheifern.
  • Das könne Frauen, die nicht in aktuelle Schönheitsideale passen, noch unzufriedener machen, sagt eine Psychologin.

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Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten, nachdem Eva Benetatou, regelmäßige Reality-TV-Teilnehmerin mit 240.000 Instagram-Followern, ein Foto von sich im Bikini am Strand gezeigt hatte. Denn unterschrieben war das Bild der jungen Mutter mit: "Ich bin momentan noch nicht ganz in Shape, doch es macht mir nichts, denn ich bin glücklich. Auch wenn man nicht den perfekten Bikini Body hat, versteckt euch nicht."

Das Video dazu bekam viele Likes, aber auch negative Nutzerkommentare, die man so zusammenfassen kann: "Wer so einen Körper hat, kann leicht sagen: Trau dich." Eva Benetatou ist nicht die erste und einzige, die Liebt-euren-Körper-wie-er-ist-Botschaften verbreitet - die sogenannte Body-Positivity-Bewegung gibt es schon sehr lange.

Prominente Body-Positivity-Aktivistinnen sind in Deutschland zum Beispiel Charlotte Kuhrt oder Melodie Michelberger. Beide haben einen vermeintlichen Makel, nämlich ihr Körpergewicht, ins Positive gedreht und sind als Model und Buchautorin erfolgreich.

Wenn gut aussehen alles ist

Ob sie Instagram-Posts wie den von Eva Benetatou kontraproduktiv für die Body-Positivity-Bewegung finden, ist nicht bekannt, aber aus rein psychologischer Sicht liegt das nahe.

"Wenn Prominente unter dem Label 'Body Positivity' vermeintliche Makel bei Instagram zeigen, kann das andere Frauen, die mit ihrem Körper nicht zufrieden sind, noch unzufriedener machen. Nach dem Motto: 'Wenn die sich schon über ein paar Schwangerschaftsstreifen aufregt, was soll ich denn dann sagen?'", sagt die Psychologin Vivienne Schmidt von der Technischen Universität Braunschweig.

Dabei kann das Motiv, für mehr Akzeptanz des eigenen Körpers zu werben, durchaus echt sein. Schließlich bekommen Influencerinnen wie auch die aus der Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" bekannte Sängerin Sarah Engels etliche Hassnachrichten, die sich auf ihr Äußeres beziehen. Solcherlei Kritik provoziert geradezu Reaktionen wie: Ich stehe zu mir, egal, was ihr sagt.

Bilder vor Sportgeräten, Gespräche übers Abnehmen

Dennoch sind sie nicht unbedingt die idealen Body-Positivity-Vorbilder. Und zwar nicht, weil sie dafür zu "gut" aussehen, sondern weil das Aussehen für sie offensichtlich sehr im Mittelpunkt steht. Bilder vor Sportgeräten und Aussagen über Gewichtsabnahmen nach der Geburt, sagen zum einen: Ich will fit und gesund sein. Aber auch: Ich strenge mich an, wieder schlank zu werden.

Dabei ist auch aus Sicht der Psychologin Vivienne Schmidt erstmal nichts Schlimmes daran, schön aussehen zu wollen: "Es ist normal und wichtig, sich selbst attraktiv finden zu dürfen." Nur dürfe das Aussehen nicht das Wichtigste bei der Selbstbetrachtung sein.

Body Positivity könne für die Einordnung solcher Prominenten-Posts mit vermeintlichen Makeln durchaus gut sein. "Sie hilft Frauen, übertriebene Schönheitsideale zu erkennen und sich davon weniger beeinflussen zu lassen", sagt Schmidt.

Geht es am Ende doch immer ums Gefallen?

Dass Body Positivity für die Vielfalt und die Akzeptanz des eigenen Selbst wirbt, es aber gleichzeitig viel ums Zeigen des Körpers geht, wird mitunter auch kritisch betrachtet. Zwar sagt Vivienne Schmidt, dass das Konzept der Body Positivity viele Chancen berge, weil Menschen dadurch eine größere Auswahl an Körperformen, Typen, Identitäten hätten, mit denen sie sich vergleichen können. "Allerdings fördert sie bis zu einem gewissen Grad auch die Selbstobjektifizierung bei Frauen, weil es am Ende wieder darum geht, anderen zu gefallen."

Schmidt fände es deswegen wichtig, dass sich Frauen auch im Body Positivity Movement nicht unbedingt in Unterwäsche zeigen, sondern bekleidet. "Klar ist die schöne Botschaft daran: Auch nicht perfekte Körper können sexy sein." Allerdings könne man über Kleidung noch zusätzlich vermitteln, welche anderen Qualitäten man habe, wenn man sich selbst zum Beispiel bei der Arbeit zeige.

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Schmidt, die in der Hochschulambulanz mit Menschen arbeitet, die unter einer körperdysmorphen Störung leiden, also der Befürchtung, hässlich oder entstellt auszusehen, sieht Body Positivity ohnehin nur als einen kleinen Bausteln in der Therapie. Wichtiger sei, dass Aussehen für die Betroffenen nicht mehr das zentrale Thema im Leben sei. "Genau das haben aber viele von ihnen schon früh in ihrer Familie oder von Freunden gelernt", sagt sie. Ziel einer Therapie müsse sein, das aufzuarbeiten.

Verwendete Quelle:

  • Telefoninterview mit der Psychologin Dr. Vivienne Schmidt, wissenschaftliche Mitarbeiterin und leitende Psychotherapeutin der Hochschulambulanz für Erwachsene am Institut für Psychologie der Technischen Universität Braunschweig.
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