Während der Sommerpause zeigt das Erste gewöhnlich Wiederholungen älterer "Tatort"-Folgen. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Krimireihe darf in diesem Jahr das Publikum jede Woche aus einer Liste von insgesamt 50 Folgen aus 20 Jahren per Online-Wahl entscheiden, was gezeigt wird.
Wir schließen uns den Festlichkeiten an und feiern den Sieger mit vier frohen Ferienfragen. Den vorletzten Wunsch-"Tatort" des Sommers gewann "Mord auf Langeoog" mit 27.764 Stimmen. Dahinter landeten "Die Faust" (Wien, 19.836 Stimmen) und "Borowski und der Himmel über Kiel" (9.313 Stimmen).
Wunsch-"Tatort": Warum Langeoog?
In ihrem zweiten Fall ermitteln die Kommissare Thorsten Falke (
Als die Hamburger Galeristin Bella Goosen brutal erstochen in den Dünen gefunden wird, gerät Mimis jüngerer Bruder Florian in Verdacht, der mit der Toten befreundet war: Er liegt nackt neben der Leiche, steht unter Drogen und kann sich an nichts erinnern.
Inseln sind als Krimi-Schauplätze immer beliebt: Es gibt einen klar umrissenen Spielort und eine überschaubare Menge an Akteuren, die entweder als Verdächtige oder skurrile Einheimische dienen.
Hinzu kommt der Abstand vom Festland, was gerne auch im übertragenen Sinne benutzt wird, um die Figuren in ungewohnter Umgebung agieren zu lassen. Und dann ist da die oft eindrucksvolle Landschaft: Im Fall von Langeoog wilde Wellen, rauer Wind und karge Dünen, die je nach Bedarf von Bedrohung künden oder den Hintergrund bilden, wenn der oder die Heldin nachdenklich in die Ferne blicken muss.
Auch die Tatsache, das Langeoog eine autofreie Insel ist, trägt gekonnt zu dem Gefühl des Aus-der-Zeit-Gefallenseins bei, das diesen gemächlich (manche fanden: langweilig) erzählten Fall charakterisiert.
Wie dreht man auf einer autofreien Insel?
Mit Elektroautos, auf denen das schwere Gerät transportiert wurde. Das weniger schwere Gerät, zum Beispiel die Schauspieler, nahm Fahrrad oder Kutsche.
Der logistische Aufwand aber ist groß, weshalb umfangreiche Dreharbeiten wie für einen "Tatort" nötig eher auf anderen Nordseeinseln stattfinden, etwa auf Sylt: Dort drehte der spätere Starregisseur
Hinzu kommen strenge Auflagen aufgrund der Tatsache, dass Langeoog zum Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer gehört und keine Tiere aufgeschreckt, Pflanzen zertrampelt oder Dünen zerstört werden dürfen.
Und schließlich ist da noch das Meer, das sich an keinen Arbeitsplan hält. Die Dreharbeiten müssen sich umgekehrt nach Ebbe und Flut richten. "Wir haben einen Tidehub von etwa 2 Meter 60", erklärte Peter Lübbe Wettstein von der Langeooger Gemeindeverwaltung der ARD, "das geht dann also ganz schön hoch und runter, und wenn man Aufnahmen am Hafen macht und die sollen nachher zusammenpassen, ist es ja nicht so hilfreich, wenn das Schiff, das eben noch gut sichtbar war, auf einmal halb hinter der Kaimauer verschwindet. Außerdem kann man im Watt logischerweise nur bei Ebbe filmen. Man muss also mit dem Tideplan arbeiten."
Zudem spielt zwar die ganze Geschichte auf Langeoog, von den 22 Drehtagen im März und April 2013 fanden aber nur neun auf der Insel statt, der Rest in Hamburg und Schleswig-Holstein.
"Wenn man nun auch noch berücksichtigt, dass die Jahreszeitenwechsel auf einer Nordseeinsel im März ganz anders aussehen als in Hamburg im April, lässt es sich vielleicht erahnen, welchem 'Wahnsinn' wir gegenüber standen", beschrieb Regisseur Stefan Kornatz die Dreharbeiten.
Wieso sorgte Nina Kunzendorf für Verwirrung?
In diesem "Tatort" spielt sie Kommissarin Christine Brandner von der Auricher Mordkommission. Als "Mord auf Langeoog" im November 2013 erstmals ausgestrahlt wurde, hatte
"Wer das Schweigen bricht" lief im April desselben Jahres. Kunzendorf hatte die Rolle auf eigenen Wunsch nach nur fünf Folgen abgegeben, Gerüchten zufolge gefiel ihr die Figur der Conny Mey nicht.
Kommissarin Mey war eine forsche Ermittlerin, die ihre Fälle in Cowboystiefeln, engen Jeans und mit tiefem Ausschnitt löste und sich dafür Sprüche wie diesen von ihrem Kollegen Steier (Joachim Kròl) anhören musste: "Wenn Sie den Leuten wirklich helfen wollen, dann machen Sie doch ein Nagelstudio auf. Davon verstehen Sie wenigstens was."
Wahrscheinlich hat Regisseur Kornatz, der Lebensgefährte von Nina Kunzendorf, sie im Langeoog-"Tatort" deshalb bewusst als besonders nüchterne, wortkarge Kommissarin angelegt, auch wenn er selbst das im Interview mit der ARD betont deutlich verneinte: "Mit dem Frankfurter "Tatort" hat die Besetzung der Rolle Christine Brandner absolut nichts zu tun, nicht mal augenzwinkernd. Nina Kunzendorf ist einfach die Beste für die Rolle. Ich habe bei der Figur sofort an sie gedacht, mir aber keine Gedanken gemacht über Rollen, die sie wann anders gespielt hatte."
Viele Fans von Kunzendorf freuten sich über das Wiedersehen, aber es gab in den sozialen Medien auch einigen Unmut über die Besetzung.
Was nervt mehr, die Brille oder Florian?
Eindeutig Florian. Nina Kunzendorfs "Ich bin eine seriöse Kommissarin!"-Gestell ist zwar arg dick aufgetragen und schiebt sich wie die bebrillten gelben Minions aus dem Kino ständig in den Mittelpunkt, aber der Tatverdächtige Florian Meinders geht einem schnell viel, viel mehr auf die Nerven als die Holzhammer-Hornbrille.
Florian ist ein psychisch hochlabiler 16-Jähriger, der mit zehn den Unfalltod der Eltern miterleben musste und seitdem offenbar schwer traumatisiert durchs Leben geht. Aber auch wenn - oder vielleicht gerade weil – Leonard Carow als Florian die undankbare Rolle ganz gut meistert, wird die Figur zum nervtötenden, dauerheulenden, fingernägelkauenden Unsympathen.
Für den gebeutelten Jungen will einfach kein Mitleid aufkommen, da können sich seine Schwester und die vielen Insel-Kommissare noch so sehr bemühen: "Florian, kommt doch mal", "Florian, rede mit mir", "Florian, was ist passiert?", "Florian, was war das?", "Mann, Florian!", "Machen Sie den Mund auf, Florian!", "Florian?", "Was verheimlichst du, Florian?", "Florian?", "Florian!" - so geht das neunzig Minuten lang.
Und am Ende ist einem völlig egal, ob er jetzt der Mörder war oder einfach nur ein armes Opfer ist, der Florian.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.