Zeitreise im Münchner "Tatort": Die Kommissare sollen einen "Mord unter Misteln" im weihnachtlichen England 1922 klären. Nette Idee, mittelmäßige Ausführung.
War es Lady Bantam (
Aber "Mord unter Misteln" ist kein gewöhnlicher Fall aus München. Dieser Krimi spielt "Cluedo" mit dem Publikum und mit den Kommissaren - den Brettspielklassiker, bei dem der Mord in einem englischen Herrenhaus aufgeklärt werden muss. Denn
Die beiden Kommissare haben natürlich gar keine Lust auf solche Spielchen, zumal zwischen ihnen gerade dicke Luft herrscht; aber zu oft haben sie Kallis Einladungen schon ausgeschlagen. Seufzend also setzen sie sich zu der erwartungsfrohen Runde, lassen sich widerwillig mit Bärtchen und Bowler-Hut verkleiden und als Chief Inspector Francis Lightmyer und Constable Ivor Partridge ("Warum bist du Inspector und ich nur Constable?") nach Beckford Hall versetzen.
Und mit ihnen wird auch das Fernsehpublikum aus dem nasskalten München der Jetztzeit in Lady Bantams Kaminzimmer transportiert, wo der überwiegende Teil der Handlung spielen wird. Denn dort ist gerade der Butler (Christoph Mory) auf dem kostbaren Perserteppich zusammengebrochen. Und als wäre der verschüttete Tee nicht schon skandalös genug, lässt Dienstmädchen Heather (Marie Rathscheck) vor Schreck auch noch Lady Bantams Wedgwood-Geschirr voller Pfefferkuchen fallen. Die passende Perserkatze lugt verschreckt unterm Fransensofa hervor. "Hier sieht es ja aus wie bei Rosamunde Pilcher!", fällt Ivor Partridge kurz aus der Rolle.
Nette Idee, mittelmäßige Ausführung
Es dürfte keinen "Tatort" geben, der besser ins öffentlich-rechtliche Weihnachtsprogramm passt: nette Idee, mittelmäßige Ausführung. Es beginnt steif und bemüht witzig, was sich noch mit der schlechten Laune der Kommissare erklären ließe – aber auch im weiteren Verlauf der Geschichte können sich weder das Drehbuch von Robert Löhr noch die Regie von Jobst Christian Oetzmann so richtig locker machen.
Natürlich erwartet niemand historische Akkuratesse von einem "Tatort", der eine heitere Hommage an Agatha-Christie-Krimis und Detektivspiele und das britische Landadels-Verbrechergenre im Allgemeinen sein will. Und der es natürlich schwer hat angesichts der deutschen Begeisterung für all things british, die nicht erst mit "Downtown Abbey" begonnen hat und die auch nach der 199. Wiederholung von "Der kleine Lord" oder "Dinner for One" nicht vorbei sein dürfte.
"Mord unter Misteln" schlingert zwischen Parodie, Krimi und Weihnachtsfeier
Eigentlich ist alles da: die liebevolle Ausstattung, die heitere Filmmusik, die das Rundfunkorchester des Bayerischen Rundfunks eingespielt hat, die exquisiten Requisiten. Vom zerbrochenen Teeservice über die schwarze Arzttasche bis hin zur holzgetäfelten Bibliothek kommt so ziemlich alles für die richtige Murder-Mystery-Stimmung zum Einsatz.
Was fehlt, ist ein besseres Timing, ein feinsinnigerer Humor – und gutes Personal, das sich bekanntlich nicht nur in Adelshäusern schwer finden lässt, das aber gerade für diese Sorte Krimi besonders wichtig ist, in denen sich die Aufmerksamkeit auf eine überschaubare Zahl Verdächtiger an einem abgegrenzten Ort konzentriert.
Sunnyi Melles hat es natürlich leicht, die exaltierte und leicht exzentrische Lady Bantam ist eine typische Sunnyi-Melles-Rolle. Aber beim Rest weiß man nie so recht, ob hier gute Schauspieler schauspielernde Laien spielen oder ob die Theatralik eher unfreiwillig ist.
Und die grantelnden Kommissare
Die verkrampfte, auch für eine Parodie zu verworrene Auflösung kann allerdings auch er nicht retten. Ein betulicher Schmunzelkrimi ist "Mord unter Misteln", das Zeug zum bayerisch-britischen Weihnachtsklassiker hat er nicht.
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