Männer verstecken sich und die Frau muss alles alleine machen: "Aus dem Dunkel "ist ein würdiger Abschluss für den letzten "Tatort" mit Heike Makatsch als Kommissarin.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der Mann kommt aus dem Dunkel. Er versteckt sich im Dunkeln. Aus dem Dunkel des Netzes kommen auch seine Nachrichten. Ein Flüstern oder ein Text. "Du bist nichts wert", lautet seine Botschaft, "am besten, du bringst dich um." Der Stalker sucht sich verletzliche und deshalb verwundbare Frauen aus, und dann lässt er sie nicht mehr aus seinen Fängen. So wie Amira Hassan, die schließlich vom Balkon ihrer Wohnung gesprungen ist. Eine Wohnung, deren Fenster sie verhängt hat, um der Beobachtung zu entgehen. Der Mann aus dem Dunkel treibt seine Opfer ins Dunkle.

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Da wird Kommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch) zur Lichtgestalt. Denn sie ist erst einmal die Einzige, die Hauptkommissar Thomas Engels (Andreas Döhler) von der Schutzpolizei Gehör schenkt. Er war zum Todeszeitpunkt mit der Brechstange in Amira Hassans Wohnung, was ihn bei Berlingers Kollegen eher zu einem Verdächtigen macht. Zumal Engels' Karriere ein paar dunkle Stellen aufweist. Er sagt, er habe vergeblich versucht, Amira Hassan vor ihrem Stalker zu beschützen. Er nennt den Tod der jungen Frau einen Mord.

Der SWR stellt seinen Mainzer "Tatort" aus Sparsamkeitsgründen ein

Mit ihrem Partner kann sich Ellen Berlinger nicht beraten: Kommissar Martin Rascher (Sebastian Blomberg) tritt in dieser "Tatort"-Folge gar nicht in Erscheinung, nur am Telefon lässt er sie wissen, er werde keinesfalls aus dem Urlaub zurückkommen, nur weil Berlinger von dem ihr zugeteilten Ersatzkollegen Lukas Wagner (Ludwig Trepte) nicht viel hält. Der allerdings hat zu der Zusammenarbeit ungefähr genau so viel Lust wie sie und begeht dann auch noch einen schweren Fehler.

Die Männer hier bleiben also in vielerlei Hinsicht im Dunkel, und die Frau muss alles alleine machen. Aber die Konzentration auf die sperrige Ellen Berlinger passt gut zu diesem "Tatort", der der letzte mit Heike Makatsch als Kommissarin ist: Der SWR stellt seinen Mainzer "Tatort" aus Sparsamkeitsgründen ein.

Kaum ist Almira Hassan tot, hat sich der Stalker mit Julia Ritter (Susanne Wüst) wieder eine eigentlich starke und plötzlich zutiefst verunsicherte Frau ausgesucht. Berlinger ist fest entschlossen, sie zu beschützen. Zumal sie selbst sich jetzt auch im Visier des Mannes befindet: Was für eine Mutter sie denn sei, fragt er boshaft am Telefon und demonstriert, wie gut Stalker die wunden Punkte ihrer Opfer als psychologische Waffe zu nutzen verstehen.

Drehbuchautor Jürgen Werner hat wieder einen psychologisch starken "Tatort" geschrieben

Die Auswahl scheint den Verdacht von Thomas Engels zu bestätigen: Der Täter sei in den Reihen der Polizei zu finden. Alle bisherigen Opfer hatten Kontakt zu Dienststellenleiter Niklas Zerrer (Rainer Sellien). Der aber ist außerdem der Chef von Engels, und das Verhältnis der beiden ist kompliziert.

Wie glaubwürdig ist Engels? Darsteller Andreas Döhler spielt ihn mit der Verletzlichkeit eines gebrannten Kindes. Wieder einmal gelingt es Döhler, all die Widersprüchlichkeiten einer komplizierten Figur zu vereinen. Als beschädigter Schutzpolizist Thomas Engels ist er vorsichtig und beharrlich, undurchsichtig und fürsorglich zugleich.

Drehbuchautor Jürgen Werner hat einen psychologisch starken "Tatort" geschrieben, der spannend bleibt, obwohl der Täter früh feststeht. Auch weil Berlinger diesem nichts beweisen und er sein perfides Spiel weitertreiben kann. Und weil Julia Ritter fragwürdige Ausbruchsversuche aus ihrer Opferrolle unternimmt.

Jeder beobachtet jeden, jeder verschweigt den anderen etwas. Es herrscht eine nervöse, angespannte Stimmung, die durch Jochen Alexander Freydanks atmosphärische Regie und das streng komponierte Szenenbild von Söhnke Noé unterstrichen wird. Da lässt sich auch ein beherzter Griff in die Psychopathen-Klischeekiste und das etwas aufdringliche Spiel aus Licht und Schatten verzeihen. Und die vielen Wasserlecks: Ständig tropft es in "Aus dem Dunkel" aus dem Dunkeln – Berlingers fünfter Fall ist trotzdem ein würdiger Abschluss für den "Tatort" aus Mainz.

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