Nach der Verletzung von Lena Oberdorf war Trainer Horst Hrubesch gezwungen, das deutsche Team für Olympia umzubauen. Er entschied sich für das erste Spiel gegen Australien für eine Variante mit einer Doppelsechs.

Eine Analyse
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Deutschland startete gegen Australien mit einem Sieg ins olympische Fußballturnier der Frauen. Nach der Verletzung von Lena Oberdorf war eine der großen Fragen im Vorfeld die nach der Aufstellung im Mittelfeld gewesen. Janina Minge war für Oberdorf in den Kader gerückt und Pia-Sophie Wolter war nachnominiert worden.

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Da Lena Oberdorf aber nicht eins zu eins zu ersetzen ist, stellte sich die Frage, welche Spielerinnen in Kombination die Aufgabe gemeinsam lösen könnten. Minge hat demnächst eine vergleichbare Aufgabe, denn sie ist in diesem Sommer vom SC Freiburg zum VfL Wolfsburg gewechselt. Dort steht Trainer Tommy Stroot nach Oberdorfs Transfer zum FC Bayern München vor derselben Frage.

Horst Hrubesch jedenfalls entschied sich gegen Australien für eine Doppelsechs aus Alexandra Popp und Janina Minge, wobei Popp die Defensivere von beiden war. Die Wolfsburgerin hielt auch dann die Sechserinnen-Position, wenn Deutschland in Ballbesitz war. Minge hingegen schaltete sich dann als Verbindungsspielerin mit nach vorne ein und bewegte sich nur bei gegnerischem Ballbesitz auf einer Höhe mit Popp. Vor den beiden Spielerinnen im offensiven Mittelfeld spielte Sjoeke Nüsken hinter Stürmerin Lea Schüller.

Kompakt und sicher stehen

Bereits unmittelbar nach Lena Oberdorfs Verletzung im Spiel gegen Österreich sagte Hrubesch, dass Popp eine Alternative für die Position im defensiven Mittelfeld sei. "Ich glaube", so Popp nach dem Spiel in der Mixed Zone, "ich habe einen Vorteil dadurch, dass ich schon viele Jahre auf der Sechs gespielt habe, gerade im Verein, hin und wieder in der Nationalmannschaft auch. Da fällt es nicht schwer, sich schnell umzustellen."

Deutschland setzte vor allem darauf, kompakt zu stehen und empfing Australien ungefähr an der Mittellinie. Vor allem die Anfangsphase war recht vorsichtig, laut Janina Minge war das aber auch der Plan: "Wir standen defensiv sehr gut, haben nicht zu früh Druck gemacht. Das haben wir uns vorgenommen, wollten erstmal abwarten, was die Australierinnen sich einfallen lassen."

Für Popp und Minge bedeutete das, auf die Abstände zueinander, aber auch zu den anderen Teilen des Teams zu achten. "Es war klar, dass wir das Zentrum schließen wollen, dass wir defensiv kompakt stehen wollen", so Minge weiter. Australien versuchte, mit Positionswechseln der Offensivspielerinnen diese Ordnung zu stören. Das war zum Teil wohl auch der frühen Gelben Karte für Caitlin Foord für ihr Einsteigen gegen Kathrin Hendrich geschuldet.

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Foord sollte eigentlich auf dem linken Flügel gegen Giulia Gwinn und Jule Brand mit nach hinten arbeiten, um die Seite dichtzumachen, konnte nach ihrem harten Foul samt Verwarnung aber nicht mehr so sehr in die Zweikämpfe gehen. Deswegen rotierte sie ab da in die Sturmspitze, während Mary Fowler sich mal auf den linken Flügel und mal bis ganz tief ins eigene Mittelfeld zurückfallen ließ. Denn die flinke Angreiferin von Manchester City sah auch wegen Popp und Minge kaum Bälle.

Australien nicht so stark wie bei der WM 2023

Die Australierinnen warfen ihre Physis in die Waagschale, allerdings ließen sie den Ball selten mal in hohem Tempo oder mit Doppelpässen laufen. In der 35. Minute blitzte einmal kurz auf, was Deutschland gefährlich hätte werden können, als sich Cortnee Vine und Foord mit einem Doppelpass halblinks schnell an die Strafraumkante kombinierten. In diesem Moment stimmte durch das erhöhte Tempo die Zuordnung im deutschen Team nicht ganz.

Klar ist aber auch, dass sich die Konstellation so auch noch einspielen muss. Speziell Popp hatte durch Probleme mit dem Fuß auch keine lange Vorbereitung. Sie und Minge bekamen allerdings Lob von Marina Hegering, die hinter ihnen in der Innenverteidigung spielte: "Poppi versteht das Spiel und Janni auch, sie kann im defensiven Mittelfeld spielen, in der Innenverteidigung, im offensiven Mittelfeld spielen. Sie ist da so variabel, die hat das Spiel einfach verstanden", so die Wolfsburgerin über ihre neue Teamkollegin: "Das hat im Training schon gut funktioniert. Beide haben das in Abstimmung sehr gut gemacht und vor sich auch alles gut gecoacht. Und wir haben von hinten dann sie gecoacht."

Verbesserungsbedarf gibt es noch bei Ballbesitz. Die Passgenauigkeit war insgesamt bei Deutschland etwas niedriger als bei Australien und beide deutschen Sechserinnen lagen bei knapp unter 70 Prozent. "Teilweise hätten wir vielleicht noch besser die Balance finden können aus langen Bällen und dann auch mal den Ball laufen zu lassen", sagte Popp selbst zum Spiel mit Ball.

Die Idee, dass eigentlich vermehrt flach und steil gespielt werden sollte, statt der sonst so häufigen Flanken, war aber deutlich erkennbar. Speziell Janina Minge fand mit ihren Pässen immer wieder Klara Bühl oder die extrem auffällige Jule Brand. Die Anbindung an Sjoeke Nüsken im offensiven Mittelfeld funktionierte noch nicht so gut, die Chelsea-Spielerin wurde in der Halbzeitpause für Sydney Lohmann ausgewechselt. Während Popp durchspielte, ging Minge in der 73. Minute für Elisa Senß raus, die frische Dynamik mitbrachte.

Bereits in der nächsten Partie gegen die USA (28. Juli, Anstoß 21 Uhr) folgt ein Stresstest für diese Konstellation, die vermutlich so bleiben wird, wenn es keine Verletzungen bei den Spielerinnen gibt. Gegen das Pressing und die schiere Physis des Teams von Emma Hayes wird dann eine ganz andere Reaktionsschnelligkeit gefordert sein.

Verwendete Quellen

  • Interviews in der Mixed Zone nach dem Spiel
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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