- Hannah Schmitz ist ein Paradebeispiel dafür, dass Frauen im Motorsport Schlüsselrollen besetzen können.
- Sie ist bei Red Bull Racing die Chefstrategin, die Taktikerin und damit ein wichtiges Pfund im Kampf um den WM-Titel.
- Schmitz fing 2009 als Praktikantin an und hatte mit den üblichen Vorurteilen zu kämpfen.
Oft fragt man sich, wer denn auf dem Podium die zweite Person neben dem Sieger eines Formel-1-Rennens ist. Meistens ist es ein Team-Mitglied, in der Regel männlich. 2019 nach dem Lauf in Brasilien war es anders, da stand eine Frau neben Gewinner
Zuletzt hatte sie wieder einen kleinen Auftritt, als sie nach dem siebten Saisonrennen in Monaco von Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko live im TV gelobt wurde. "Ein riesiges Kompliment an unsere Hannah, sie ist unsere Chefstrategin hier gewesen", sagte Marko:
"Mit der Ruhe und Souveränität, mit der sie das Ganze analysiert hat, natürlich mit der Hilfe von zu Hause aus Milton Keynes, draußen zu bleiben, obwohl andere schon drinnen waren, dann schnellste Runden mit den Intermediates zu fahren und dergleichen - das hat letztlich den Ausschlag gegeben."
Sergio Perez gewann in Monaco auch dank Hannah Schmitz
Schmitz ist als "Principal Strategy Engineer" einer der klugen Köpfe hinter den Erfolgen von Red Bull Racing, sie ist die Taktikerin, sie ist diejenige, die den Unterschied machen kann. Im Chaos von Monaco sorgte sie für die taktische Grundlage beim Sieg von Sergio Perez und den dritten Platz von Verstappen. Die kluge und coole Red-Bull-Vorgehensweise setzte Ferrari unter Druck und trieb die Italiener in Fehler – ein Traumszenario für Schmitz. "Es ist eine Schlüsselrolle, an der Strecke an der Boxenmauer zu sitzen und alle Daten und Informationen zu nutzen, um Entscheidungen über die Rennstrategie zu treffen", sagt Teamchef Christian Horner. "Diese Rolle ist der Dreh- und Angelpunkt."
Schmitz arbeitet mit dem Leiter der Rennstrategie, Will Courtenay und einem erfahrenen Team von Analysten zusammen. Mit Courtenay wechselt sie sich ab, mal ist der eine vor Ort an der Boxenmauer, mal der andere in der Einsatzzentrale in Milton Keynes. Zusammen tüfteln sie die Rennstrategie aus, verarbeiten Milliarden von Simulationen über das Tempo des Autos, die Streckenbedingungen und den Reifenabbau, um dann in Sekundenbruchteilen auf unvorhergesehene Zwischenfälle zu reagieren.
Entscheidungen müssen im Bruchteil einer Sekunde getroffen werden
Um Fragen zu beantworten wie: Wann und wie oft werden die Boxenstopps durchgeführt? Welche Reifen werden benutzt? Wann wird attackiert, wann lässt man es ruhiger angehen? Und wann sollten die Fahrer zusammenarbeiten? Alles Entscheidungen, die auf Daten basieren. Aber auch Entscheidungen, die durch Ereignisse im Rennen von jetzt auf gleich über den Haufen geworfen werden können. Fingerspitzengefühl ist dann gefragt, aber auch Sachverstand, Ruhe, Souveränität, ein Gespür für die Situation. Antizipation. Vor allem an der Boxenmauer, wo es hektisch ist, laut, wo alles zusammenläuft und wo man einen extrem kühlen Kopf benötigt.
"Ich finde es unglaublich spannend. Man ist ganz schön aufgeregt, wenn man den Bruchteil einer Sekunde Zeit hat, eine Entscheidung zu treffen", sagt Schmitz. "Dann hat man vielleicht 20 Sekunden Zeit, was sich nicht nach viel Zeit anhört, aber in einem Rennen kann es sich wie ein ganzes Leben anfühlen, dort zu sitzen und darauf zu warten, ob sich die Entscheidung ausgezahlt hat."
Hannah Schmitz: Vom Mutterschaftsurlaub direkt in die Erfolgsspur
Schmitz, Maschinenbau-Absolventin der University of Cambridge, fing 2009 als Praktikantin bei Red Bull Racing an. 2019 in Brasilien, als sie auf dem Podium stand, gehörte sie schon länger zum Strategieteam und war zuvor erst aus dem Mutterschaftsurlaub in den Job zurückgekehrt. Für die Zuschauer war es nur ein Moment, als sie da auf dem Podium strahlte.
Für sie war es nach einer taktischen Meisterleistung im Rennen "ein ganz besonderer Moment und der Höhepunkt meiner Karriere", verrät sie. "Ich war gerade erst nach der Geburt meines ersten Kindes wieder ins Berufsleben eingestiegen, also war es eine große Sache für mich, zu beweisen, dass ich immer noch hier bin und den Job gut machen kann. Es war einfach eine unglaubliche Erfahrung."
Macho-Welt voller Vorbehalte
Das war es nicht immer, denn natürlich ist der Motorsport immer noch eine Macho-Welt, die Vorbehalte gegenüber Frauen sind weiterhin groß, auch hinter den Kulissen, innerhalb eines Teams, selbst bei einem nicht körperlichen Job. "Ich glaube, viele Leute trauen einem anfangs nicht zu, dass man den Job machen kann", sagt Schmitz.
Klar: Jeder muss sich erst beweisen, muss sich das Vertrauen, den Respekt erarbeiten. Als Frau aber offenbar immer noch ein bisschen mehr. "Als Stratege muss man vielen Leuten sagen, was sie zu tun haben, und sie müssen auf einen hören. Es ist schwierig, dieses Vertrauen aufzubauen, und als Frau war das leider schwieriger", sagte sie.
Jetzt habe sie diesen Respekt, und sie möchte Vorbild sein in einem Sport, der sich für mehr Vielfalt einsetzen will, dem aber die weiblichen Leitfiguren fehlen. Schmitz ist eine. "Ich hoffe, dass andere junge Frauen, die in den Sport einsteigen wollen, sehen, dass man es schaffen kann, dass man es sich zu eigen machen kann, und dann werden wir mehr Vielfalt sehen", prophezeit die Strategin. Gut möglich, dass die Zuschauer Schmitz bald mal wieder auf dem Podium sehen. Dann dürften hoffentlich mehr Menschen wissen, wer sie ist.
Verwendete Quellen:
- Red Bull Content Pool: "Meet the architects of Oracle Red Bull Racing’s winning strategies"
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