NOlympia hat klar gewonnen: In allen vier Bürgerentscheiden am Sonntag in München, Garmisch-Partenkirchen sowie in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein errangen die Gegner Olympischer Winterspiele 2022 in Bayern teilweise deutliche Siege. Haben sich damit solch sportliche Großereignisse in Deutschland generell erledigt?

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Der Geschäftsführer des Hamburger Sportbundes (HSB), Ralph Lehnert, macht auf Anfrage kein Geheimnis aus seiner Überraschung und auch Enttäuschung. "Wir sind über das Ergebnis deutlich von den Socken", kommentiert er. Wie alle deutschen Sportverbände habe auch der HSB die Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 "aus ganzem Herzen" unterstützt. Nun gelte es, sehr gründlich zu analysieren, welche Gründe die Mehrheit der Wähler zu einem negativen Votum bewegten und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind für eine eventuelle Bewerbung Hamburgs.

Lehnert mag nicht daran glauben, dass sich die Bürger grundsätzlich gegen solche Großereignisse wehren, "das wäre sonst ein Armutszeugnis für den Sport". Viel mehr sieht er Anzeichen, dass damit der Gigantismus in Frage gestellt wird. Genau das hatte nach dem Votum am Sonntagabend auch Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im bayerischen Landtag und Wortführer des Bündnisses "Nolympia" gesagt: "Das Votum ist kein Zeichen gegen den Sport, aber gegen die Profitgier des IOC." Gleichwohl sah er Olympia-Bewerbungen in ganz Deutschland damit vom Tisch. Ähnlich dürfte es wohl Ski-Ass Maria Höfl-Riesch gesehen haben: "Eine große Niederlage für den Sport in Deutschland."

Ganz ähnlich bewertet die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Dagmar Freitag (SPD) auf Anfrage dieses Portals das Votum: "Ich bin überzeugt, dass die Abstimmungsniederlage für München 2022 in erster Linie kein Votum gegen das eingereichte Bewerbungskonzept gewesen ist", sagte sie. Nach der unerwartet klaren Niederlage in Durban um die Ausrichtung der Winterspiele 2018 habe in Deutschland eine "durchaus intensiv zu nennende öffentliche Diskussion" um Bewerbungskriterien und Entscheidungsprozesse im internationalen organisierten Sport eingesetzt.

Zudem habe sich etwa durch die fragwürdigen Vergaben der Winterspiele nach Sotschi oder der Fußball-WM nach Katar "eine zunehmend kritische öffentliche Meinung" entwickelt, die in der Schweiz, Österreich, Frankreich und nun auch in Deutschland zur Ablehnung solcher Megaevents führen kann.

Welche Auswirkungen das Ergebnis zur Münchner Bewerbung auf künftige Bewerbungsverfahren, etwa um Olympische Sommerspiele in Deutschland haben wird, werde in den zuständigen Gremien des Sports und der Politik zu diskutieren sein. Eine erste Bewertung erwartet sie eventuell schon Anfang Dezember im Rahmen der Vollversammlung des DOSB. Das bayerische Votum werde neue Aspekte in diese Grundsatzdiskussion einbringen, so Freitag.

"Es geht nur mit der Bevölkerung"

Es handele sich um ein bayerisches Spezifikum, stellt dagegen Lehnert klar. Bevor Hamburg aber jetzt Hurra im Hinblick auf eine mögliche Bewerbung für die Sommerspiele 2024 oder 2028 schreie, müsse die Lage genau analysiert werden. Die Bürger jedenfalls stünden laut Umfragen zu 90 Prozent hinter einer Bewerbung. "Und nach der Entscheidung von gestern ist klar, dass es auch nur mit der Begeisterung der Bevölkerung geht", unterstrich er.

Der Sportfunktionär legt auch Wert auf die Feststellung, dass es keinerlei Bevorteilung Deutschlands geben werde, weil Thomas Bach (Tauberbischofsheim) IOC-Präsident ist. "Dazu hat er eine klare Position und die kann auch nicht anders sein", formuliert er. Der frühere Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) werde sich bei eventuellen deutschen Kandidaturen "völlig neutral" verhalten.

Einen Zeitplan, um an der Alster über eine Olympiabewerbung zu sprechen, gibt es noch nicht. Dies werde "zu gegebener Zeit" in der Zukunftskommission geschehen, die Vertreter von Wirtschaft, Sport und Politik vereint. Lehnert ist auf jeden Fall im Blick auf einen möglichen weiteren Anlauf von Berlin nach der gescheiterten Bewerbung für 2000 sicher, dass es eine entsprechende Abstimmung innerhalb des DOSB gibt: "Es wird sich eine Stadt bewerben".

Berlin denkt neu nach

An der Spree macht man nach dem Olympia-Aus für München keinen Hehl aus den eigenen Ambitionen für 2024. "Erstmal hätten wir Interesse, die Chancen muss man dann ausloten", sagt Dietmar Bothe, Sprecher des Landessportbundes Berlin. Bevor eine Bewerbung angegangen werde, müsse aber erst ein gesellschaftlicher Konsens bestehen. Wie in Bayern plädiert er hier für einen Bürgerentscheid. Nach den Gründen für das "Nein" der Bayern befragt, führt auch er gewisse Vorbehalte gegenüber internationalen Sportverbänden an. "Das ist in jedem Fall ein Schuss vor den Bug für alle gewesen, die hierzulande Olympia haben wollen."

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