Nach einer schwierigen Saison inklusive Verletzungspause kehrt Malaika Mihambo in die Weitsprung-Elite zurück. Vor der Leichtathletik-EM in Rom spricht die 30-Jährige über einen neuen Fokus im Training und die aktuelle Olympia-Saison. Überdies geht sie darauf ein, wie sich der Klimawandel im Sport bemerkbar macht.
Sie sind vor Kurzem in die Freiluftsaison gestartet, haben einen Wettkampf im Sprint und einen im Weitsprung hinter sich. Wie geht es Ihnen damit?
An welchen Stellschrauben muss noch gedreht werden – und was läuft schon sehr gut?
Ich habe eine sehr hohe Geschwindigkeit im Anlauf. Wir haben aber noch keinen Schwerpunkt auf maximale Sprintgeschwindigkeit oder maximale Kraftwerte, das kommt erst in der nächsten Trainingsphase. Mein Schwungbein ist sehr schnell, das ist wichtig, um weit zu springen. Von daher sind die wichtigsten Dinge vorhanden. Der Rest kommt.
Worauf legen Sie noch Ihren Fokus?
Nach der Verletzung im letzten Jahr habe ich angefangen, dreimal in der Woche Krafttraining zu machen. Vorher waren es zweimal. Das hilft mir dabei, schnell zu sprinten und sorgt dafür, dass ich jetzt schon so schnell bin. Diese Krafteinheiten waren noch nicht auf maximale Schnellkraft abgestimmt, deshalb freue ich mich, dass es so gut läuft.
Wozu brauchen Sie mehr Krafttraining?
Wir hatten schon seit Längerem vor, den Kraftbereich zu erweitern. Aber im Alltag ist man oft in einem Hamsterrad und kommt nicht dazu, Dinge zu verändern. Als ich im vergangenen Jahr verletzt war, hatten wir die Gelegenheit, innezuhalten und zu schauen, an welchen Stellschrauben wir drehen wollen. Das Krafttraining ist lange unter dem Radar geblieben, denn es war gut, wie es lief. Doch ich merke, dass man bei drei Einheiten in der Woche Krafttraining mehr rausholen kann.
Die vergangene Saison war kurz, Sie waren verletzt, haben Dinge im Training umgestellt und in ein paar Wochen wartet schon Olympia. Wie bereiten Sie sich auf dieses Highlight vor?
Nach meiner Verletzung stand die Hallensaison an, bei der es darum ging, Anschluss zu finden und zu meiner Stärke zurückzukommen. Danach hatte ich das Gefühl, dass ich viel gelernt habe und deutlich besser dastehe. Aktuell ist Olympia noch ziemlich weit weg. Ich denke lieber von Trainingseinheit zu Trainingseinheit. Beim Mentaltraining gehe ich dieses Thema allerdings schon früher an.
Ihr Trainer sprach kürzlich davon, dass eine Olympia-Saison anders ist als jede andere Saison. Warum?
Das Niveau zieht im Vergleich zu anderen Jahren an, da alle motivierter sind. Alle Athleten sind auf der Zielgeraden ihrer eigenen Olympiade, erreichen neue Bestwerte. Aber am Tag X im Wettkampf wird doch nur mit Wasser gekocht. Man darf sich davon nicht einschüchtern oder abschrecken lassen. Für mich sind es die dritten Olympischen Spiele, da wird man gelassener.
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Sie setzen sich viel für Klimaschutz ein und machen auf den Klimawandel aufmerksam. Wo merken Sie den Klimawandel schon jetzt als Leistungssportlerin?
Jeder, der mal in einem Leichtathletikstadion war, weiß, dass es dort oft wenig Schatten gibt und sich die Hitze auf dem Tartanbelag staut. Im Stadioninnenbereich machen sich Temperaturunterschiede deutlich schneller bemerkbar. Man muss sich Strategien überlegen, wie man den Körper herunterkühlt, wie man die Hitze wieder abgibt. In Tokio zum Beispiel waren es 37 Grad in der Vormittagssession, also schon vor zwölf Uhr. Das ist einfach sehr heiß. Generell bekommt man von den vielen Dürreperioden in der Welt mit, wenn man auf Wettkämpfen ist. Als Studentin der Umweltwissenschaften ist mir das sehr bewusst. Ich sehe es als meine Rolle an, Sprachrohr und Vorbild zu sein, denn ich bin ja auch als normale Bürgerin vom Klimawandel betroffen.
Wie nutzen Sie Ihren Einfluss?
Indem ich zum Beispiel in Interviews über das Thema spreche. In der Hallensaison mache ich nahezu nur innerdeutsche Wettkämpfe und fahre oft mit der Bahn. Ich spreche über meine vegetarische Ernährung – und damit auch über Tierwohl und Tierschutz. Ich versuche Menschen stark zu machen, den Finger dahin zu legen, wo man etwas erreichen kann. Das ist in den meisten Fällen nicht der eigene Klima-Fußabdruck. Es gibt ein schönes Konzept, den Klima-Handabdruck, bei dem es darum geht, dass sich Menschen zusammenschließen, um gemeinsam etwas zu erreichen. Wenn jeder nach seinem Fußabdruck schaut und überlegt, ob er die Biogurke in Plastikverpackung oder die konventionelle Gurke ohne Verpackung kauft, bringt das nicht viel. Man müsste schauen, wie man zum Beispiel in der Firma mehr Klimaschutz erreichen könnte, etwa durch Solarfelder auf dem Dach oder mehr vegetarische Gerichte in der Kantine.
Inwiefern sind auch sportliche Großereignisse in der heutigen Zeit nicht mehr zeitgemäß?
Das Schöne an Großereignissen wie Olympia ist natürlich, dass sich Menschen aus aller Welt vernetzen. Das ist positiv. Auf der anderen Seite reisen viele Sportler und Zuschauer zu Olympia, viele Gebäude werden dafür neu gebaut. Das hat politische und soziale Auswirkungen, die man auch sehen muss, wenn man darüber spricht. Der Sport verbindet und fördert den interkulturellen Austausch und tritt für Fairplay, Offenheit und Toleranz ein. In der heutigen Zeit sind das Werte, die wir alle brauchen. So muss man immer abwägen, ob die sozialen oder die Umweltaspekte eine größere Rolle spielen. Generell sollten aber alle Großveranstaltungen so nachhaltig wie möglich umgesetzt werden.
Über die Gesprächspartnerin
- Malaika Mihambo (30) ist Olympiasiegerin von Tokio, zweifache Weltmeisterin (2019, 2022) und Europameisterin (2018). Neben ihrer Paradedisziplin Weitsprung geht die Heidelbergerin auch bei Sprintwettkämpfen an den Start. Sie studiert Umweltwissenschaften und setzt sich für Klimaschutz ein.
Verwendete Quelle
- Gespräch mit Malaika Mihambo am 16. Mai 2024
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