• Alexandra Burghardt hat in den vergangenen Monate gleich drei große Erfolge gefeiert und das auch noch in verschiedenen Disziplinen.
  • Und auch privat hat sich die Sprinterin mit einer entspannten Hochzeitsfeier einen Traum erfüllt.
  • Doch wie geht es jetzt weiter? Im Interview verrät die Bayerin, worauf sie sich in den nächsten Monaten freut und wo eigentlich ihr Medaillensatz hängt.
Ein Interview

Frau Burghardt, bei Ihnen jagt ein Highlight das nächste: Nach Olympia, WM und EM haben Sie gerade auch noch kirchlich geheiratet. Herzlichen Glückwunsch! Nur das Wetter hätte etwas besser sein können, oder?

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Wir waren sehr zufrieden. Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne ist auch noch rausgekommen. Ein bisschen kalt war es zwar, aber das passt schon.

Auch aus dem deutschen Leichtathletik-Team waren Gäste geladen. Mit wem können Sie am besten feiern?

(lacht) Das kann ich so gar nicht sagen. Die Gesamtheit der Gäste war super. Die Stimmung war super, da kann man niemanden besonders hervorheben. Es war eine wilde Mischung und sehr lustig.

Manche Paare verbringen ganze Jahre auf die Planung ihrer Hochzeit, wie viel Zeit haben Sie neben den ganzen Wettkämpfen darauf verwendet?

Wir haben eigentlich erst nach der Saison angefangen zu planen. Das war die letzten Tage vor der Hochzeit natürlich ein bisschen stressig, aber wir wollten auch nicht alles durchplanen. Meistens ist es eh schöner, wenn es ein bisschen lockerer ist. So wie es war, war es perfekt für uns. Das hat auch ohne ein halbes Jahr Planung perfekt funktioniert.

Wenn Sie auf die vergangenen Monate zurückblicken, welche Momente bleiben Ihnen da besonders in Erinnerung?

Ganz viel natürlich. Angefangen mit Braunschweig, Tokio, Peking, München. Da ist viel passiert und dann auch noch das Private, das wunderschön war. Ich kann gar nicht sagen, was am schönsten war. Es war ein krasses Jahr und ich freue mich, dass es jetzt ein bisschen ruhiger wird und es nur noch ein, zwei Highlights im Jahr gibt. Es waren schon echt viele Emotionen, die ich erlebt hab.

Wie schafft man es über einen so langen Zeitraum die Spannung immer wieder hochzuhalten?

Einfach nicht viel nachdenken … Man kann sich natürlich nicht lange mit einem Highlight aufhalten, weil schon wieder das nächste ansteht. Nach der WM in Eugene hatten wir eigentlich keine Zeit zu feiern, oder die Bronzemedaille zu verarbeiten. Und auch nach München hat mir die Zeit gefehlt. Deshalb tut mir der ruhige Herbst und Winter jetzt gut, damit ich nochmal über alles nachdenken und verarbeiten kann. Und vor allem will ich mich auch daran freuen, was da alles passiert ist und nicht immer wieder gleich auf das Nächste zu schauen.

Haben Sie psychologische Unterstützung bei der Verarbeitung?

Ich rede viel mit meinem Partner darüber, der auch bei verschiedenen Stationen dabei war und meine Erfolge miterleben konnte. Ich habe auch einen Mentalcoach, der mich sehr dabei unterstützt alles richtig einzuordnen und den Fokus wieder neu zu setzen. Auch in den Gesprächen mit Freunden und Familien ging es in den vergangenen Monaten viel um Sport.

Vor den European Championships hat ihre Sprinter-Kollegin Rebekka Haase offen über psychologische Probleme nach den Olympischen Spielen 2021 gesprochen. Das Phänomen einer "Post-Olympia-Depression" bei Sportlerinnen und Sportlern ist nicht neu, vermutlich ist die Dunkelziffer deutlich höher als öffentlich bekannt. Ist Ihnen dieses Phänomen auch selbst schon begegnet?

In der extremen Form wie bei Rebekka noch nicht. Aber gerade bei den Olympischen Spielen ist man zwei, drei Wochen in einem ganz eigenen Kosmos unterwegs – was durch Corona ja noch verstärkt wurde – und danach kommt man heim und alles ist irgendwie anders und komisch. Dass man da in ein kleines Loch fallen kann, kann ich verstehen. Oder dass es auch ein größeres Loch sein kann wie bei Rebekka, kann ich total nachvollziehen. Ich bin sehr froh, dass sie das überstanden hat und auch, dass sie offen darüber spricht. Ich glaube nämlich, dass es sehr vielen Menschen ähnlich geht – auch in ganz unterschiedlichen Bereichen. Und darüber sollte auf jeden Fall gesprochen werden.

Bräuchte es noch mehr Unterstützung für Sportlerinnen und Sportler nach Großevents?

Die Angebote gibt es, auch vom DLV. Wir haben immer mindestens zwei Psychologen vor Ort. Es kann jeder selbst entscheiden, ob er das vorhandene Angebot nutzt, oder sich selbst jemanden sucht. Ich habe mir beispielsweise privat jemanden gesucht und bin superhappy damit. Aber es mangelt in jedem Fall nicht an Ansprechpartnern.

Der amerikanische Psychologe Scott Goldman sieht einen Hauptgrund für die Post-Olympia-Depression in der intensiven Vorbereitung, nennt das ganze eine "Achterbahnfahrt, die enorm schnell und hektisch ist" und nach den Spielen "kreischend zum Stillstand kommt" – Ist das ein Bild, mit dem Sie etwas anfangen können?

Ja, schon. Gerade in meiner Sportart hat man auch verschiedene Runden: Anspannung, Entspannung, Anspannung, Entspannung. Und dann hat man geschafft, was man immer schaffen wollten – oder eben auch nicht – und kommt nach Hause und dann ist alles vorbei. Es ist auf jeden Fall eine Achterbahnfahrt der Gefühlswelt.

Burghardt: Ging in München auf dem Zahnfleisch

Ihre eigene Achterbahn hat vor allem durch die Winterspiele, und dann auch die WM und die European Championships noch einige Kurven mehr genommen als die ihrer Leichathletik-Kolleginnen. Sind Sie gerade bei einem Stopp bzw. einen Zwischenstopp angekommen oder arbeiten Sie schon an den nächsten Projekten?

Ich muss sagen, dass ich schon in München gemerkt habe, dass ich langsam auf dem Zahnfleisch daherkomme. Gerade auch mit den drei Runden über 200 Meter und dem Vorlauf in der Staffel, der eigentlich nicht geplant war. Ich bin auch direkt wieder krank geworden. Mein Körper zeigt mir ganz deutlich, dass er ein paar Wochen Ruhe braucht. Deshalb freue ich mich auf einen ruhigen Herbst und Winter und eine ganz langweilige Vorbereitung. Training, Schlafen, Essen – hart arbeiten, aber ohne die ganzen Termine, Wettkämpfe und Reisen drumherum. Nächstes Jahr gibt es in der Halle Europameisterschaften in Istanbul, das wird das nächste internationale Ziel und im Sommer dann Weltmeisterschaften in Budapest.

Nach der Gold-Medaille bei der EM sagten Sie "Was seit dem letzten Jahr passiert ist, da könnte man wirklich ein Buch drüber schreiben." Ist das inzwischen eine ernsthafte Überlegung?

(lacht) Tatsächlich noch nicht. Es hat sich noch kein Ghostwriter bei mir gemeldet. Es ist einfach sehr viel passiert und ich erzähle die Geschichte auch sehr oft und werde oft danach gefragt. Deshalb habe ich manchmal tatsächlich das Gefühl, ich lese aus einem Buch vor.

Etwas anderes, das Sie sich nach der Goldmedaille vorgenommen haben, ist laut eigener Aussage Ziele nicht mehr nur still und leise im kleinen Kreis zu formulieren, sondern selbstbewusst damit nach außen zu gehen.

Ich habe das ja bereits vor den Olympischen Sommerspielen gemacht und gesagt, dass ich in Tokio gerne ins Finale laufen würde. Das hat auch schon lange keine deutsche Athletin mehr gemacht. Das habe ich am Ende nicht geschafft. Ich denke trotzdem, wenn man irgendwie die Chance sieht, dann sollte man auch darüber sprechen. International wird das auch gemacht, meine Konkurrentinnen sagen auch, sie wollen Welt- oder Europameisterin werden. Ich glaube, man sieht das eigene Potenzial selbst am allerbesten, hat alle Infos, alle Puzzleteile zusammen. Und wenn man das alles zusammensetzt, weiß man auch, was man schaffen kann. Deshalb glaube ich, es ist gut, da selbstbewusst ranzugehen, sich große Ziele zu stecken und keine Angst vor der Gefahr zu haben, dass man mal ein Ziel nicht erreicht.

Sie haben jetzt einen vollen Medaillensatz aus Gold, Silber und Bronze. Haben Sie schon einen Platz in Ihrer Wohnung?

Das ist tatsächlich witzig. Ich habe ein kleines Gewächshaus und dadurch, dass ich so oft weg bin, sind alle meine Pflanzen darin gestorben und jetzt ist das Gewächshaus eine Medaillenvitrine.

EM 2022: Deutsche Sprinterinnen holen Staffel-Gold

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