Thomas Müller hat beim FC Bayern einen schwachen Saisonstart hingelegt und saß zuletzt immer öfter auf der Bank. Ist das nur eine vorübergehende Schwächephase oder das schleichende Ende der letzten "echten" Bayern-Ikone?

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Niko Kovac hatte vor dem Champions-League-Spiel des FC Bayern bei AEK Athen am Montag nochmals seine Rotation erklärt und man durfte eigentlich davon ausgehen, dass die Bankdrücker vom Wolfsburg-Spiel, darunter auch Thomas Müller, in Athen wieder in die Startelf rücken würden. Am Dienstagabend saß Müller aber doch wieder draußen.

Die letzten vier Spiele bei den Bayern weisen für Müller nicht einmal 100 Einsatzminuten aus, in Wolfsburg bevorzugte Kovac unter anderem James, obwohl der von einer strapaziösen Länderspielreise mit Kolumbien erst wenige Stunden zuvor nach München zurückgekehrt war.

Und bei der Nationalmannschaft bekam Müller zuletzt im wichtigen Nations-League-Spiel gegen Frankreich nur zwei Minütchen Spielzeit. Joachim Löw bevorzugte eine andere Herangehensweise, in der Müller eine eher untergeordnete Rolle spielt.

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Nicht irgendein Spieler

Seit rund zwei Jahren bewegt sich Müllers Karriere in Wellen, dem ersten echten Knick im Zuge der Europameisterschaft 2016 folgten wieder starke Phasen, dann die Probleme unter Carlo Ancelotti, die Auferstehung unter Jupp Heynckes und nun der für seine Verhältnisse schlechte Saisonstart bei Kovac.

Der hat auf Grund der immer noch angespannten Personalsituation eigentlich genug Grund regelmäßig zu rotieren - dass nun aber immer öfter Müller derjenige ist, der aus dem Rotationsraster fällt, kann bei den Bayern nur den wenigsten gefallen.

Thomas Müller ist ja nicht irgendein Spieler für die Münchener, sondern der Spieler der Bayern. 452 Pflichtspiele hat Müller für seinen Klub absolviert, er ist der dienstälteste Spieler im aktuellen Kader und hat noch nie für einen anderen Verein als die Bayern gespielt.

Müller ist die letzte verbliebene Identifikationsfigur mit echt bayerischen Hintergrund. Nach Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und sogar Holger Badstuber ist Müller längst mehr als "nur" ein Spieler.

Ein Anker für die Basis

Die Bayern kokettieren mit Müllers Image und seinem Background. Der freche Bursch ist für die Basis ein Ankerpunkt in Zeiten der rasend fortschreitenden Internationalisierung des Klubs.

Müller ist ein Stück Bayern, er wahrt die Identität des Klubs in der Heimat und ist gleichzeitig eine Marke, die global ankommt und Sympathien transportiert. Der Spieler selbst ist sich seines speziellen Status bewusst, wie er in einem Interview mit "sport1.de" im Frühjahr unterstrich.

"Ich eine Identifikationsfigur? Das ist wohl so und das wird ja auch vom Verein ein bisschen in Szene gesetzt. Das passt natürlich gut mit der Region, mit mir, dem Verein und den Fans. Den Fans macht es Spaß, wenn sie jemanden aus der Region haben, mir macht es Spaß, dass ich meinen Verein um mich herum habe und dass es gut läuft. Wenn wir auf dem Platz nicht erfolgreich sind, dann verpufft das Ganze. Für mich ist das wichtigste Kriterium das auf dem Platz. Wenn es da gut funktioniert, ist es ein bisschen wie ein Brandbeschleuniger."

Von Rummenigge schon mal angezählt

Derzeit bleibt der Ofen aber kalt und der einst Unumstrittene rückt in immer kürzeren Abständen in den Mittelpunkt hitziger Diskussionen. Schon vor einem Jahr wurde Müller von Karl-Heinz Rummenigge angezählt, er werde wieder "eine stärkere Saison hinlegen müssen", sagte der Vorstandsvorsitzende damals, als es für Müller nicht besonders lief.

Selbst DFB-Teammanager Oliver Bierhoff schaltete sich in die Debatten mit ein und gab den Bayern ungefragt ein paar Ratschläge. "Ich würde mir wünschen, dass man als Verein sagt: 'Der muss spielen.' Für ihn kommen die Leute ins Stadion, er hat unheimliche Qualitäten. Und gerade als Stürmer braucht man ein bisschen Rückendeckung", sagte Bierhoff damals am Rande des Länderspiels gegen Norwegen.

Wo liegt Müllers Zukunft?

Mit der schrittweisen Abkehr vom totalen Ballbesitzfußball unter Heynckes und danach Pep Guardiola scheint es für Müller immer schwerer, diese gewohnt wichtige Position innerhalb der Mannschaft einzunehmen.

Natürlich ist der mittlerweile 29-Jährige ein wertvoller integrativer Baustein, fast immer gut gelaunt, eine Respektsperson für die jungen oder neuen Spieler, Vizekapitän hinter Manuel Neuer und in der Kabine eine gewichtige Stimme.

Aber Müller findet auf dem Platz seltener als früher die richtigen Lösungen, auf den Flügeln sind Serge Gnabry und Kingsley Coman die Zukunft, in den Halbräumen stehen mit James, Leon Goretzka oder dem derzeit verletzten Corentin Tolisso Konkurrenten parat, die für die vermehrt gesuchten Umschaltmomenten besser geeignet scheinen.

Derzeit gestalten sich die Dinge mal wieder kompliziert für Müller, der bei den Bayern noch einen Vertrag bis 2021 besitzt. Bisher hatte Müller immer auch das notwendige Glück, den richtigen Trainer mit der richtigen Philosophie zur richtigen Zeit. Über seinen Status als Teilzeitarbeiter will er kaum reden. "Uns bringt es nichts, Diskussionsrunden über die Rotation aufzumachen", sagte er nach dem Athen-Spiel bei "Sky". Ein Dauerzustand kann der Stand-by-Modus aber weder für den Spieler noch für den Klub sein.

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