Manchester United ist am Dienstagabend nicht nur aus der Champions League ausgeschieden, sondern verpasste auch den Einzug in die Europa League. Das ist ein neuer Tiefpunkt für den Klub.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Manuel Behlert sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Ratlos taumelten die Spieler von Manchester United am Dienstagabend nach Abpfiff über den Rasen des Old Trafford. Mit 0:1 verloren die Red Devils das Spiel in der Champions League gegen den FC Bayern. Und das, obwohl sie unbedingt gewinnen mussten.

Mehr News zum Thema Fußball

Die Leistung warf Fragen auf, das Resultat sorgte zudem dafür, dass United in einer Gruppe mit dem Rekordmeister, dem FC Kopenhagen und Galatasaray als letztplatziertes Team ausschied. Ein neuer Tiefpunkt des einst so glorreichen und stolzen Klubs scheint erreicht. Einfach weitermachen wird nicht möglich sein.

Manchester United: Ein blutleerer Auftritt

Es ist gar nicht so lange her, da strahlten die Fans von Manchester United nach der Auslosung der Gruppenphase in der Champions League Zuversicht aus. Es war schließlich eine machbare Gruppe mit einem großen Gegner und zwei Teams, denen man individuell überlegen ist. Sechs Spieltage später steht unter dem Strich Platz vier, nur ein Sieg in sechs Partien und das komplette Scheitern im internationalen Wettbewerb. Nicht einmal der Trostpreis, der Abstieg in die Europa League, gelang.

Grund dafür war ein rätselhaft blutleerer Auftritt gegen den FC Bayern. Einen Ball musste Torhüter Manuel Neuer wegfausten, ein Schuss ging zwei Meter am Tor vorbei. Das war es schon an Torgefahr seitens der Red Devils. Doch nicht nur das, selbst die Basics des Fußballs, also Einsatz und Leidenschaft, fehlten. Bezeichnend war, wie Stürmer Rasmus Höjlund mehrfach im direkten Duell einfach am Gegenspieler abprallte oder die beiden technisch versierten Flügelspieler Antony und Alejandro Garnacho zwar Tricks zeigten, aber Sekundenbruchteile danach den Ball verloren.

Das sorgte für eine gewisse Häme seitens der Bayernfans im Old Trafford, die ohnehin die Stimmungshoheit hatten. "You’re sh*t and you know you are" hallte es durch das Stadion und selbst die United-Fans wussten, dass die Bayern-Anhänger damit einen Punkt getroffen hatten. Viel ist aktuell vom Manchester United vergangener Tage nicht mehr zu sehen, das Resultat am Ende der Gruppenphase war ein Realitycheck für den Klub.

Weitere Fußball-News gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Klicken Sie auf "Abonnieren", um keine Updates zu verpassen.

Der Anspruch passt nicht zur Realität

Die Realität ist auch eine ganz andere als der Anspruch. Seit 2017, dem Triumph in der Europa League, gab es keinen nennenswerten Titel mehr zu feiern, seit 2016 keinen mehr auf nationaler Ebene. Und das, obwohl in den vergangenen Jahren gleich mehrere Trainer versuchten, den Klub wieder auf Kurs zu bringen. José Mourinho, Ole Gunnar Solskjaer, Ralf Rangnick und schließlich nun Erik ten Hag scheiterten aber an der Aufgabe, eine unverwechselbare Identität zu etablieren.

Fehler werden auf allen Ebenen gemacht, die Kaderplanung glich in den letzten Jahren einem einzigen Durcheinander. Raphael Varane und Casemiro, als Mentalitätsspieler geholt, heben sich nicht vom Durchschnitt ab. Antony, der 95 Millionen Euro kostete, liefert mehr Ballverluste und falsche Entscheidungen als Übersteiger. Was bei ihm schon etwas heißen will. Der Klub taumelt derzeit durch die Liga, hat zwölf Pflichtspielniederlagen kassiert, also die Hälfte der Partien verloren.

Die Trainerfrage bei Manchester United wird gestellt

Da überrascht es nicht, dass die Trainerfrage gestellt wird, zumal das nächste Spiel beim Erzrivalen FC Liverpool ausgetragen wird. Noch ist es im Klub eher ruhig, was die Zukunft von Erik ten Hag angeht, aber Experten und Medien in England sprechen klar an, dass Lösungen hermüssen. Selbst die Siege in dieser Spielzeit waren selten überzeugend. Vom bei Ajax Amsterdam unter ten Hag noch typischen, schnellen und sehr organisierten Flachpassspiel ist bei den Red Devils nicht viel zu sehen.

Der Trainer ist nicht haupt-, aber mitverantwortlich für den Kader, dem es an jeglicher Homogenität fehlt. Ein Jadon Sancho trainiert nicht mit der ersten Mannschaft, ihm wird mangelnde Disziplin vorgeworfen, auch zwischenmenschlich scheint es zu kriseln. Dass der Klub zuletzt auf Medienberichte, die ten Hag kritisierten, dünnhäutig reagierte und Journalisten von der Pressekonferenz ausschloss, zeigt nur, wie unsouverän Manchester United ist.

Manchester United: Neustart mit Investor Ratcliffe?

Spätestens jetzt sollte bei den Red Devils klar sein, dass ein Neustart unabdingbar sein dürfte. Das Scouting und die eigene Akademie müssen generalüberholt werden, es braucht deutlich mehr Struktur bei den Prozessen, die zur Abwicklung von Transfers führen. Als Erstes aber muss sich der Klub die Frage stellen, für welche Art von Fußball er stehen will und diese dann auch in allen Bereich implementieren.

Im Moment ist United nämlich nicht mehr als ein schwankender Riese, der den Anschluss an die internationale Spitze komplett zu verlieren droht. Die Ausarbeitung eines Konzeptes steht an erster Stelle, danach müssen quasi alle Verantwortlichen genauer unter die Lupe genommen werden. Wenn anschließend klar ist, mit welchen Personen die Neustrukturierung angegangen wird, kann auch auf dem Transfermarkt entsprechend gehandelt werden.

Einen Einfluss darauf könnte Sir Jim Ratcliffe haben. Der potenzielle United-Investor, der sich eine 25-Prozent-Beteiligung sichern will, wird im sportlichen Bereich Entscheidungen treffen können. Der Gründer des Chemieunternehmens Ineos führte zuletzt auch den OGC Nizza in Frankreich näher an die Spitze. Klar ist aber auch: Bei Manchester United würde auf ihn und alle anderen Beteiligten eine Mammutaufgabe warten.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.