Der Torwart des VfB Stuttgart verliert das Stellvertreter-Duell bei Bundestrainer Julian Nagelsmann. Logisch ist die Personalie nicht.
Es ist nicht lange her, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Selbstzweifel zerfiel. Zwei WM-Blamagen in Folge, 2018 und 2022, eine verkorkste EM 2021 und dazu peinliche Auftritte in der Nations League und in Testspielen: Weder Joachim Löw noch Hansi Flick schafften als Bundestrainer die Wende.
Jetzt, im Jahr nach der Heim-EM 2024 mit
Baumann vor Nübel
Vor den zwei Italien-Länderspielen in der Nations League (heute in Mailand und Sonntag in Dortmund) sagen 84,2 Prozent der 6.329 befragten Fußballfans in der repräsentativen Umfrage voraus: Deutschland kommt weiter und spielt im Sommer das Final Four. Übrigens dann im eigenen Land.
Bei allem, was er entscheidet, bekommt Bundestrainer Julian Nagelsmann Bestnoten. Seine Nominierungen: 86,1 Prozent Zustimmung. Die Personalie Goretzka, der in den DFB-Kader zurückkehrt: 82,5 Prozent Zustimmung. Sein Leistungsprinzip: von 95,7 Prozent unterstützt. Heißt wohl: Nagelsmann macht alles richtig.
Man hat deswegen keine große Notiz davon genommen, dass Nagelsmann entschieden hat, wer das deutsche Tor hütet:
Haken dran und weiter geht’s? Nicht ganz. Die Baumann-Entscheidung ist die erste Personalie, die nicht plausibel erscheint. Der Bundestrainer selbst sagt, dass die zwei Ersatzmänner im Stellvertreter-Duell nicht viel trennt und allein die etwas längere Konstanz für Baumann gesprochen hat. Das ist nicht logisch.
Keine Rückendeckung für Nübel
Wenn ich als Trainer einen langfristigen Vertrag bis 2028 habe, ist es in meinem ureigenen Interesse, einen Torwart der Zukunft aufzubauen. Baumann aber ist 34 Jahre alt und wird bei der Europameisterschaft in drei Jahren eher keine Rolle mehr in der Nationalelf spielen. Nübel dagegen ist 28: Er braucht jetzt jedes Länderspiel.
Mangelnde Konstanz? Die wird Nübel ganz sicher nicht auf der Ersatzbank gewinnen, wenn er Oliver Baumann zuschaut. Nun kann der Bundestrainer ins Feld führen, dass er den Erfolg in der Gegenwart sucht und nicht in der Zukunft. Aber da ist Nübel ja im Vorteil: Er kommt vom Vizemeister und hat Champions League gespielt.
Bei der Ursachenforschung kehrt man schnell auf die Vorbereitung zur Heim-EM 2024 zurück. Damals wollte Julian Nagelsmann mehr Torhüter als notwendig in den Kader holen. Nach den Testspielen benötigte er aber einen Kaderplatz für den auftrumpfenden Feldspieler Maximilian Beier - und sortierte Torwart Nübel in letzter Minute aus.
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Niemand kommentierte die Rochade großartig. Merkwürdig lief der Rollentausch allemal: Man schätzt Nübel zu sehr, um ihn nicht zu nominieren, aber zu wenig, um ihn aufzuwerten. Es ist ein bisschen wie bei Bayern: Er hat dort einen Arbeitsvertrag - aber spielen soll er auf Leihbasis beim VfB Stuttgart.
Ein Torhüter, der nicht maximale Rückendeckung spürt, ist immer ein Sicherheitsrisiko. Wenn Nagelsmann nicht an Nübel glaubt, sollte er ihm reinen Wein einschenken. Denn auch das ist klar: Sobald
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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