Paris St.-Germain könnte von der UEFA wegen möglichen Verstößen gegen das Financial Fairplay bestraft werden - so wie aktuell der AC Mailand. Manche wünschen sich ein hartes Durchgreifen gegen den Pariser Klub, der im letzten Sommer für über 400 Millionen Euro eingekauft hat - zu große Hoffnungen sollte sich aber wohl niemand machen. Überhaupt stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Regel.

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Seit rund acht Jahren setzt die UEFA auf das Financial Fairplay als eine Maßnahme zur Sicherung der wirtschaftlichen Rentabilität ihrer Vereine.

Das ist eine Menge Zeit im Fußball, der sich in manchen Bereichen immer noch rasant entwickelt, zum Beispiel bei den gezahlten Transfersummen und Spielergehältern.

Der Wechsel von David Villa vom FC Valencia zum FC Barcelona war im Sommer 2010 der teuerste Transfer der Welt. Die Katalanen bezahlten 40 Millionen Euro, Villa soll in Barcelona rund acht Millionen Euro im Jahr verdient haben.

Paris St.-Germain und Neymar junior haben die Messlatte im letzten Sommer mehr als verfünffacht: Die 222 Millionen Euro Ablösesumme hängen wie ein Damoklesschwert über der Fußballbranche. Nicht wenige prophezeien dem Unterhaltungsbetrieb deshalb in naher Zukunft den ganz großen Knall.

Eigentlich wurde das Financial Fairplay installiert, um diesen Irrsinn in die Schranken zu weisen, um gerade die Klubs mit fremden Eigentümern, welche Unmengen an frischem Geld in den Kreislauf pumpen, zu zügeln und das ohnehin schon herrschende Ungleichgewicht nicht noch zu verschlimmern.

PSG sprengt alle Dimensionen

Doch genau das Gegenteil ist in den letzten Jahren passiert: Die Inflation im Fußball nimmt groteske Züge an, Spielergehälter und Transfersummen steigen in irrationale Höhen und von der gewünschten Disziplin, geschweige denn einer Selbstregulierung der Klubs, ist kaum etwas zu erkennen.

Als Paris St.-Germain im April am Sitz der Europäischen Fußball Union vorstellig wurde, um unter anderem die Transfers von Neymar und Kylian Mbappe zu erklären, die zusammen mehr als 400 Millionen Euro kosteten, erhofften sich Konkurrenten, (Rechts-)Experten, Fans und Medien ein paar Antworten auf die dringlichsten aller Fragen.

Noch gibt es keine handfesten Auskünfte, die UEFA wird erst im Juli eine Entscheidung bekannt geben. Bis dahin kann der Verein beispielsweise durch Spielerverkäufe noch Geld einnehmen. Wie viel das sein müsste? Unklar.

Doch ebenso unklar ist, was passiert, wenn Paris zu wenige Einnahmen hat.

Viel hoffen auf eine harte Strafe - auch weil PSG eine Art Wiederholungstäter ist, der vor vier Jahren bereits zu einer 60-Millionen-Euro-Strafe verdonnert wurde.

Zudem würde die UEFA beweisen, dass das Financial Fairplay, das im Prinzip bereits vom ersten Tag an schwer in der Kritik steht, wirklich mehr ist als symbolisch - und auch mal bei einem der Großen seine Anwendung findet.

Immense Gehaltsunterschiede

Natürlich sind 60 Millionen Euro Strafzahlung eine unglaubliche Summe. Angesichts der Investitionen des Rohstoffemirats Katar in den Klub, bezahlt Paris St.-Germain die Strafe jedoch aus der Portokasse: Mehr als eine Milliarde Euro hat die "Qatar Sports Investments" allein in Spielertransfers investiert.

Noch nicht eingepreist sind da die Kosten für den Ausbau der Infrastruktur, für Trainer-Transfers und natürlich die Gehälter der Spieler.

Wie die "L’Equipe" Anfang des Jahres berichtete, stellt PSG zwölf der dreizehn Top-Verdiener der Ligue 1, mit Neymar an der Spitze. Der Brasilianer streicht etwas mehr als drei Millionen Euro ein - pro Monat. Das ist fünfmal so viel wie sein deutscher Teamkollege Julian Draxler.

Insgesamt sollen die Eigner rund 200 Millionen Euro pro Saison an Spielergehältern auszahlen.

Sendet die UEFA ein Signal?

Wie ist das alles mit den Richtlinien des Financial Fairplay in Einklang zu bringen?

Die Klubs tricksen, um ihre Bilanzen aufzuhübschen. Einnahmen aus dem Sponsoring werden höher deklariert, als sie eigentlich sind, um die Einnahmenseite vermeintlich zu stärken.

PSG hat im Zuge des Mbappe-Deals im letzten Sommer ein Leihgeschäft angestrebt: Der Spieler wird faktisch erst in wenigen Wochen gekauft, der volle Kaufpreis von 180 Millionen Euro wird erst dann nach Monaco überwiesen.

So wollte PSG die horrende Summe auf unterschiedliche Geschäftsjahre verteilen und den Rahmen des Financial Fairplay, das als Bemessungsgrundlage die letzten drei Geschäftsjahre zugrunde legt, bis aufs Letzte ausreizen.

Auf der einen Seite erwarten oder erhoffen sich viele eine Art Präzedenzfall in der Causa PSG. Ein Signal an den großen Rest, dass der Verband vor niemandem mehr zurückschreckt.

Andererseits: Selbst wenn die Franzosen bestraft werden, bleibt das Kernproblem des Financial Fairplay unberührt. Vor einem ordentlichen Gericht hat das vom Monopolisten UEFA gestrickte System im Zweifel keine Chance.

"Uns war immer klar: Ein Klub, der wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay bestraft und dagegen klagen würde, hätte wohl Chancen, den juristischen Prozess gegen die UEFA zu gewinnen", sagte Karl-Heinz Rummenigge jüngst dem "Kicker".

Für Klubs mit entsprechenden monetären Polstern und den besten Anwälten des Kontinents hätten selbst langwierige Prozesse keinerlei abschreckende Wirkung. Die kleineren Vereine hingegen könnten sich einen Ritt durch die Instanzen finanziell nicht leisten.

Vielleicht ist auch das ein Grund, warum die UEFA bisher fast ausnahmslos kleinere Klubs sanktioniert hat.

Die Großen bleiben ungeschoren

Zuletzt warf der Verband den FC Sion, FK Ertis Pawlodar, KF Tirana und FK Vojvodina aus dem internationalen Geschäft - also Klubs aus der Schweiz, Kasachstan, Albanien und Serbien.

Bei allem Respekt vor diesen Verbänden: Auf Vereine dieser Länder ist die mächtige UEFA nicht angewiesen. Auf Paris und das Geld aus Katar aber sehr wohl.

Ein Ausschluss aus der Champions League wäre das einzig denkbare Szenario, das PSG und seinen Eigentümern echte Schmerzen bereiten dürfte.

Eine Geldzahlung oder auch eine Transfersperre von einem Jahr wäre für PSG kaum der Rede wert.

"Es kann nicht sein, dass nur kleine, nicht so prominente Klubs genau unter die Lupe genommen werden. Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass das Financial Fairplay ad absurdum geführt wird", sagte Gladbachs Manager Max Eberl vor einem Jahr. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert.

Aktuell hat eine Meldung Hoffnung darauf gemacht, dass es in Zukunft vielleicht gerechter zugehen könnte: Der AC Mailand wurde von der UEFA wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay für zwei jahre vom Europapokal ausgeschlossen. Milan hat sich eigentlich für die Europa League qualifiziert, darf dort nun aber nicht mitspielen.

Aber: So lange eine Unterdeckung bei den Transfers durch exorbitante TV-Gelder oder den umgeleiteten Zustrom externer Gelder, beispielsweise über einen Sponsorenpool, aufgefangen werden kann, bleibt das Financial Fairplay dennoch nicht mehr als eine gut gemeinte Idee.

Eine Idee, die mit der Realität aber noch nie mithalten konnte - ganz im Gegenteil.

Forscher der Technischen Universität München zeigten in einer Studie, dass die Einführung des Financial Fairplay die Unterschiede zwischen den Vereinen nicht verringert, sondern sogar noch verstärkt hat.

Vernichtender könnte ein Urteil kaum ausfallen.

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