Die Stimmung im Land bleibt trotz des 7:1-Erfolgs der Nationalmannschaft gegen Lettland gedämpft. Die Löw-Elf muss viel verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Wenige Tage vor dem Beginn der Fußball-Europameisterschaft will trotz des überzeugenden 7:1-Erfolgs der Löw-Elf gegen Lettland am Montagabend echte Turnierstimmung in Deutschland nicht so recht aufkommen. Das liegt sicher an den Umständen der Covid19-Pandemie, die vielen Menschen in den vergangenen Monaten sehr viel abverlangt hat.

Das liegt sicher auch an der um sich greifenden Fußball-Sättigung, die durch den gedrängten Spielplan in Folge der Pandemie noch einmal ein neues Ausmaß angenommen hat. Doch es liegt sicher auch daran, dass die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihren Nimbus als größter gemeinsamer Nenner, auf den sich irgendwie alle im Land einigen konnten, ein wenig verloren hat. Wie lässt sich dieser Trend umkehren?

Nach dem WM-Gewinn im Jahr 2014 hat die Begeisterung für die Nationalelf sukzessive nachgelassen. Das war abzulesen an halbleeren Stadien, Pfeifkonzerten, aber auch dem demonstrativen Desinteresse vieler Fußballbegeisterter an einer Nationalelf, die den Bogen der Eigenvermarktung und Selbstinszenierung in den vergangenen Jahren ein gutes Stück überspannt hat.

Einher ging diese Entwicklung mit einer sportlichen Talfahrt mit dem peinlichen Ausscheiden bei der WM 2018 und einigen Pleiten nach uninspirierten Auftritten in der Folge. Die distanzierte Skepsis gegenüber der eigenen Nationalmannschaft ist in der Bevölkerung greifbar.

Rückkehr von Müller und Hummels als Chance

Dabei hat diese Mannschaft wahnsinnig viel zu bieten. Erfahrene Haudegen wie Manuel Neuer, Mats Hummels oder Thomas Müller. Emotionale, siegeshungrige Gewinnertypen wie Joshua Kimmich oder Ilkay Gündogan. Junge Wilde wie Kai Havertz oder Jamal Musiala. Interessante, frische Charaktere wie Robin Gosens oder Christian Günter. Und absolute Weltstars wie Toni Kroos.

Von ihnen wird es abhängen, ob in den kommenden Wochen doch noch so etwas wie EM-Stimmung entsteht in einem Land, das mit dem Standort München sogar Teil der Ausrichterstädte dieser in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Kontinentalmeisterschaft ist.

Denn am Ende wird ein Comeback der Nationalelf nicht über Imagefilme und Marketingkampagnen gelingen, sondern allein durch das Auftreten der Mannschaft. Leidenschaft und attraktiver Fußball auf dem Platz. Offene und ehrliche Kommunikation abseits des Rasens. Viel mehr braucht es wahrscheinlich gar nicht, damit Fußballfans und Nationalelf in den kommenden Tagen wieder stärker zusammenrücken.

Variabler Kader gibt Löw alle Möglichkeiten

Sportlich hat dieser Kader trotz der wohl schwersten Vorrundengruppe des Turniers allemal das Zeug dazu. Gewisse Bauchschmerzen in der Innenverteidigung und die ewige Frage, wer im Strafraumzentrum eigentlich für die Tore sorgen soll mal beiseite gelassen, hat Löw eine ziemlich gute Mischung beisammen.

Wohl noch nie war eine deutsche Nationalmannschaft wohl so variabel wie diese. Die Offensivspieler Havertz, Müller, Sané, Gnabry und Werner können allesamt auf mehreren Offensivpositionen spielen und sich ergänzen, im Mittelfeldzentrum herrscht mit Kroos, Gündogan, Kimmich und Goretzka ein irres Überangebot und in der Defensive kann Löw zwischen Dreier-, Fünfer- und Viererkette hin und her wechseln.

Wie es gehen kann, hat interessanterweise die U21 mit ihren erfrischenden Auftritten und dem Europameistertitel als Krönung zuletzt vorgemacht. Da sprang der Funke über. Die Großen dürfen sich daran sehr gern ein Beispiel nehmen. Lettland könnte dafür ein Anfang gewesen sein.

"Begeistert euch und begeistert uns" möchte man ihnen zurufen. Und irgendwie kommt dann doch langsam die Vorfreude auf diese Europameisterschaft 2021.

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