Es hätte mal wieder deutlich schlimmer kommen können: Deutschland bleibt das Losglück bei Großveranstaltungen treu, die Gegner bei der Europameisterschaft im kommenden Jahr sollten für den Weltmeister keine Hürden sein. Vorsicht ist allenfalls vor einem alten Bekannten geboten.

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Da war es also wieder, das sprichwörtliche Glück deutscher Fußball-Nationalmannschaften bei Auslosungen. Es war ja bereits mit einigen unangenehmen Gegner gerechnet worden, den Italienern zum Beispiel oder Österreich, Zlatans Schweden oder der Überraschungsmannschaft der Qualifikationsrunde, diesen frechen Isländern.

Am Ende sind es dann die Ukraine, Polen und Nordirland geworden. Das liest sich nicht wie die Gruppenphase einer EM-Endrunde, sondern vielmehr wie die Einteilung einer Qualifikationsrunde.

Nimmt man jetzt noch den durch den ausgeblähten Wettbewerb veränderten Modus, dürfte der Weltmeister einigermaßen problemlos das Ticket fürs Achtelfinale buchen. Der Erste und Zweite jeder der sechs Gruppen qualifiziert sich für die erstmals bei einem Endturnier ausgetragenen Runde der letzten 16, dazu kommen noch die vier besten Gruppendritten. Im Prinzip fliegen nach der Vorrunde also lediglich acht der 24 gestarteten Mannschaften raus.

Polen kann gefährlich werden

Deutschland wird nach menschlichem Ermessen kaum darunter sein. Am stärksten dürften Robert Lewandowskis Polen einzuschätzen sein. Wie unbequem das Nachbarland zu bespielen ist, hat nicht erst die bittere 0:2-Niederlage im Rahmen der Qualifikation in Warschau gezeigt.

Die Polen verfügen über eine gewachsene Mannschaft, die die Negativerlebnisse bei der Heim-EM vor fast vier Jahren eng zusammengeschweißt hat und die neben Lewandowski auch noch über weitere hochkarätige Individualisten verfügen. Grzegorz Krychowiak etwa, defensiver Mittelfeldspieler vom FC Sevilla und so etwas wie das Gehirn der Mannschaft. Oder Innenverteidiger Kamil Glik, der von etlichen europäischen Top-Klubs umworben wird.

Über allen schwebt aber Lewandowski, der in der Qualifikation noch vor Größen wie Zlatan Ibrahimovic oder Thomas Müller der gefährlichste aller Angreifer war.

Löw redet Gegner stark

"Polen hat eine große Qualität, aber auch die Nordiren und die Ukraine können mit ihrer Verteidigung und Konter-Spiel unangenehm werden", sagte Bundestrainer Joachim Löw unmittelbar nach der Auslosung. Dabei spielte aber wohl eine gehörige Portion politische Korrektheit mit, denn wirklich gefährlich sollten weder die Ukrainer, noch die Nordiren der deutschen Mannschaft werden.

Die Ukraine hat in den letzten Jahren rapide abgebaut, auch wenn weiterhin einige starke Fußballer in der Reihen der Blau-Gelben spielen. Das Team von Trainer Michail Fomenko schaffte es erst über die Relegation gegen Slowenien zur Endrunde. Ungeachtet dessen sind aber die beiden Top-Stars Jewgeni Konopljanka und Andrej Jarmolenko im Angriff immer für eine Überraschung gut.

Die schwierige politische Lage hat nicht nur das Land, sondern in Teilen auch die Mannschaft entzweit, dazu fehlt es in der Defensive an individueller Klasse auf absolutem Top-Niveau. Die Ukraine dürfte sich mit Polen um Platz zwei in der Gruppe balgen - mehr ist für die Mannschaft wohl nicht drin.

Nordirland krassester Außenseiter

Noch krasserer Außenseiter sind die wackeren Nordiren. Zwar überraschten die in der Qualifikation als Gruppenerster einer Staffel mit den deutlich höher eingeschätzten Rumänen, Ungarn oder Griechen - für eine Endrunde fehlt es der Mannschaft von Trainer Michael O’Neill sowohl an Klasse als auch an Erfahrung.

Kein einziger Spieler im Team verkörpert auch nur annähernd europäisches Top-Niveau, dafür bestechen die Nordiren mit einer mannschaftlichen Geschlossenheit, Leidenschaft und ihrem traditionell großen Kampfgeist.

Als Team mit dem schlechtesten Koeffizienten aller 24 Teilnehmer ist Nordirland der krasseste aller Underdogs. Die Fans werden in Frankreich in erster Linie eine gute Zeit haben wollen, so viel Realismus kann auch der in Nordirland ausgelöste Fußball-Boom nicht überlagern.

Für Deutschland sollte Nordirland in einem Pflichtspiel kein Problem darstellen. Dann dürfte es auch mit Löws Forderung klappen, die dann nicht mehr ganz so nach Diplomatie klingt: "Wir sind Favorit und wollen die Gruppe gewinnen!"

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