Das famose 6:1 des FC Bayern München über den FC Porto war eine Demonstration von Stärke und Willen. Bayern-Coach Pep Guardiola hat in einer schwierigen Phase seine Mannschaft komplett mitgenommen und ein altes Vorurteil über seinen Stil aus der Welt geschafft.

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Gibt es das perfekte Spiel? Diesen einen Tag, an dem alles funktioniert, so als ob das Spiel nicht mit dem Fuß oder dem Kopf, sondern mit der Hand gespielt wird. Der FC Bayern München hat am Dienstagabend eine der besten Halbzeiten seiner Vereinsgeschichte abgeliefert. 5:0 stand es nach 45 Minuten gegen den FC Porto - jenes Team, das den Bayern nicht einmal eine Woche zuvor noch erhebliche Schmerzen und eine 1:3-Niederlage zugefügt hatte.

Wie eine Dampfwalze rollten die Münchener über ihren Gegner hinweg, es war eine Demonstration modernen Fußballs, facettenreich und mit chirurgischer Präzision, leidenschaftlich und doch kühl im Kopf. Nach den Irrungen und Wirrungen in den Tagen vor dem Spiel, mit den vielen Verletzten, dem Rücktritt von Mannschaftsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, den Gerüchten um die Zukunft des Trainers.

Pep Guardiola stand unter Druck, ein Ausscheiden gegen den krassen Außenseiter Porto hätte seine Mission in München in ein anderes Licht gerückt, aus einer bisher formidablen Saison einen Rohrkrepierer gemacht. So ist das in München, wo die Meisterschaft Standard und das Double eine nette Zugabe ist.

"In anderen Klubs ist es genug, sich für die Champions League zu qualifizieren. Hier musst du das Triple gewinnen", hatte Guardiola auf einer bemerkenswerten Pressekonferenz vor dem auch für ihn entscheidenden Spiel gesagt. Er, der nie Einzelinterviews gibt und sich so gut es eben geht rausnimmt aus dem ganzen Zirkus, hat da die Gelegenheit ergriffen und gleich mehrere Botschaften an seine Spieler geschickt.

"Ich habe ihnen gesagt, wie stolz ich auf sie bin. Egal was gegen Porto passiert oder in der Zukunft. Es ist jetzt schon überragend, was sie geleistet haben", hat er da gesagt. Man hätte diese Worte so interpretieren können, dass da einer schon seinen Abgang im Hinterkopf hat. Guardiola kennt seine Spieler jetzt seit fast zwei Jahren, er hat gelernt, wie er mit ihnen umgehen muss. Die Situation, einen Zwei-Tore-Rückstand aufholen zu müssen, war aber auch für den 44-Jährigen neu.

Ein komplett andere Mannschaft

Guardiola hat gegen Porto lediglich einen neuen Spieler in die Anfangsformation gestellt und doch hat sich da eine komplett andere Bayern-Mannschaft präsentiert. Da waren die Überraschungsmomente, Philipp Lahm als verkappter Rechtsaußen, Mario Götze auf der linken Seite. Das breit angelegte Spiel, das spätere Passen auf die Außenbahnen, der Zwei-Mann-Sturm aus Robert Lewandowski und Thomas Müller. Guardiolas taktische Überlegungen haben voll gegriffen.

Aber gegen Porto hat er auch bewiesen, dass er in die Köpfe seiner Spieler eindringen kann. "Wir waren topmotiviert, das hat man glaube ich gesehen", sagte Kapitän Lahm. Sportvorstand Matthias Sammer deutete vor der Partie an, in welche Richtung die mentale Aufbauarbeit des Trainers nach der Niederlage aus dem Hinspiel gezielt hatte. "Wir wollen eine große Mannschaft sehen, darauf hat der Trainer die Spieler vorbereitet."

Guardiola - der Motivationskünstler

Wenn auf absolutem Topniveau die Rede ist von den großen Motivationskünstlern unter den Trainern, wird José Mourinho genannt. Oder Diego Simeone von Atlético Madrid. Jürgen Klopp ist so etwas wie der deutsche Vorzeige-Motivator. Aber Guardiola? Ist bisher eher als taktisches Mastermind aufgefallen, als Fußball-Philosoph.

Dabei hatte er bereits beim FC Barcelona einen Guru-Status. Die Barca-Stars hingen vier Jahre lang an Guardiolas Lippen, sie folgten ihm bedingungslos. Vor seinem ersten Champions-League-Finale 2009 gegen Manchester United ließ Guardiola einen siebenminütigen Film anfertigen mit den besten Szenen seiner Spieler, eingebettet in den Hollywood-Blockbuster "Gladiator".

Der Zusammenschnitt ließ keinen einzigen Spieler aus, jeder war Teil des Ganzen, jeder Ersatzspieler war genauso lange zu sehen wie die Stars Leo Messi oder Thierry Henry. Nur einer kam gar nicht vor: Pep Guardiola war in dem Streifen nicht eine Sekunde zu sehen. "Wir attackieren und verteidigen als Mannschaft. Wir erzielen jedes Tor gemeinsam. Wir sind eins!", lautete die finale Botschaft. Barcas Superstars sollen Tränen in den Augen gehabt haben, ihr Trainer sprach bis zum Anpfiff keine Silbe mehr mit ihnen. Der FC Barcelona siegte gegen Manchester United mit 2:0.

Den Bayern-Spielern hat Guardiola am Dienstag offenbar keine Bewegtbilder vorgespielt. Er hat seine Spieler auf einem anderen Weg erreicht. Er hat ihnen Nähe und Geborgenheit vermittelt und das Gefühl, dass jeder Einzelne wichtig ist für das große Ganze. "Meine Spieler bleiben immer meine Helden, für den Rest meines Lebens", hat er gesagt.

Auch deshalb steht der FC Bayern zum vierten Mal in Folge im Halbfinale der Königsklasse. Und Pep Guardiola hat es bei seiner sechsten Teilnahme als Trainer zum sechsten Mal ins Semifinale geschafft. Dank einer Leistung seiner Spieler, die nahe der Perfektion war. Oder? "Nein, nein, nein", hat sich Guardiola dieser Einschätzung strikt verwehrt. "Das war heute kein Fußball in Perfektion." Ein schlauer Trainer weiß offenbar genau, wie der die Spannung und Konzentration hochhalten kann.

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