• Julian Nagelsmann irritiert nach der Niederlage gegen Mönchengladbach mit einem Ausraster in den Katakomben.
  • Auch die Kommunikation mit Vorstand und Spielern scheint nicht immer reibungslos.
  • Ist die Situation noch zu retten und was muss sich beim FC Bayern jetzt ändern?
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Eigentlich könnte die Stimmung ja gut sein: Der FC Bayern ist in der Liga Tabellenführer, im Pokal-Viertelfinale und steht mit dem Sieg bei Paris Saint-Germain auch in der Champions League vor dem Weiterkommen. Und trotzdem: Die Lage beim FC Bayern ist weiter unruhig und Trainer Julian Nagelsmann weiter in der Kritik. Was nicht nur daran liegt, dass das Meisterschaftsrennen in der Bundesliga so eng ist wie schon lange nicht mehr, sondern auch an Nagelsmann selbst.

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Am Wochenende sorgte der 35-Jährige für einen Eklat: Nach der fast schon traditionellen Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach verlor Nagelsmann in den Katakomben die Nerven und bezeichnete die Schiedsrichter, die in einer umstrittenen Szene Dayot Upamecano vom Platz gestellt hatten, als "weichgespültes Pack".

Nagelsmann hat mit Ausraster unnötigen Nebenschauplatz eröffnet

Als er sich später per Twitter für die Wortwahl entschuldigte, prasselte die Kritik bereits auf ihn ein: "Ich finde es abgrundtief respektlos, die Begrifflichkeit 'Pack' zu verwenden, egal, welche Perspektive man auch immer zu einer Situation einnimmt. Da ist dann auch das Verständnis auf Schiedsrichterseite zu Ende", schimpfte etwa Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich auf den FCB-Trainer.

Der DFB hat mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, im schlimmsten Fall hätte Nagelsmanns Ausraster also zur Folge, dass er am Wochenende ausgerechnet im Topspiel gegen Union Berlin nicht auf der Trainerbank sitzen darf. Zumindest aber hat er beim FC Bayern erneut einen unnötigen Nebenschauplatz eröffnet, der die Konzentration auf die wichtigen Spiele in den kommenden Wochen stört.

Schon zuletzt irritierte Nagelsmann seine Vorgesetzen mit merkwürdigen Aussagen: "Je größer der Club, desto mehr Haie schwimmen um dich rum", erklärte er zur Verpflichtung des neuen Torwarttrainers Michael Rechner, mit dem er schon in Hoffenheim zusammengearbeitet hatte. "Und da ist es nicht schlecht, wenn du im Schwarm in der Mitte bist und außen sind noch ein paar Pufferfische“, erklärte der Trainer dazu. Nagelsmann und die "Haie" beim FC Bayern - es gibt schönere Beschreibungen vom eigenen Arbeitsumfeld.

Konflikte beim FC Bayern geraten an die Öffentlichkeit

Und selbst mit den Spielern scheint die Kommunikation nicht reibungslos zu funktionieren. Egal ob die Unzufriedenheit von Ryan Gravenberch über fehlende Einsatzzeiten, die Debatte um den Paris-Ausflug von Serge Gnabry und die Tapalovic-Entlassung zum Ärger von Manuel Neuer: Alle diese Konflikte gerieten an die Öffentlichkeit, statt intern aufgearbeitet zu werden. Das liegt sicherlich nicht nur an Nagelsmann, zeigt aber, dass die Störgeräusche bei den Münchnern in dieser Saison keine Ausrutscher sind.

Nicht zuletzt sollen öffentliche Äußerungen des Trainers über einzelne Spieler, darunter Jamal Musiala, für Unmut in der Kabine gesorgt haben. Schon im September, während der ersten Ergebniskrise des FC Bayern in dieser Saison, soll es zu Missstimmung innerhalb der Mannschaft gekommen sein - auch hier war die mangelnde Kommunikation ein Thema.

Dem Trainer ist das Problem bewusst, er selbst hatte es im Sommer in einem FAZ-Interview benannt: "Ich habe vermutlich unterschätzt, dass das Vieraugengespräch im Büro für manche Spieler bedeutender ist, als ich es mir als Trainer vielleicht vorgestellt hatte. Dementsprechend habe ich zu wenige Gespräche geführt, die für die Spieler bedeutend sind", gestand Nagelsmann darin nach seiner ersten Saison als Bayern-Trainer ein. Auch in seinem zweiten Jahr wird deutlich, dass hier noch nicht alles so glatt läuft, wie es sollte.

"Nagelsmann kommuniziert transparent, aber kontrolliert"

FC-Bayern-Kolumnist Steffen Meyer denkt trotzdem nicht, dass die Kommunikation von Nagelsmann grundsätzlich problematisch ist: "Nagelsmann kommuniziert zu Fußball-Themen sehr transparent, aber in der Regel auch kontrolliert. Das hat dem FC Bayern in schwierigen Situationen immer wieder geholfen, weil er viel Druck von der Mannschaft und Führung nimmt", so Meyer. Allerdings: "Durch seinen Ausraster in Mönchengladbach hat er dem Club nicht geholfen."

Dem FC Bayern empfiehlt Meyer sogar, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen: "Man hat sich auf der Trainerposition ganz bewusst gegen einen erfahrenen Moderator und für einen jungen Innovator entschieden, der die Mannschaft pusht. Dazu sollte man jetzt auch stehen", erklärt der Bayern-Experte und fügt hinzu: "Die Mannschaft muss Nagelsmann nicht lieben, um erfolgreich zu sein."

Matthäus bemängelt Rückhalt der Bayern-Führung

Tatsächlich ist es verwunderlich, dass sich Bayerns Sportvorstand Oliver Kahn noch nicht zum jüngsten Eklat um seinen Trainer geäußert hat. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus bemängelte etwa in seiner Sky-Kolumne auch den Rückhalt der Bayern-Führung, denn: "Der Druck steigt gefühlt von Woche zu Woche. Aber man lässt ihn auch ehrlich gesagt oft ziemlich alleine."

"Gerade jetzt braucht Nagelsmann die volle Rückendeckung des Vorstands", findet auch Meyer. Dass die Bayern-Bosse aber grundsätzlich an Nagelsmann zweifeln, denkt er nicht: "Eine Mannschaft hat ein feines Gespür dafür, ob ein Trainer die Rückendeckung der Führung hat oder nicht. Nagelsmann hat diese Rückendeckung im Club. Ich würde mir wünschen, dass man das gerade jetzt nach seinem Fauxpas gegen Gladbach auch öffentlich deutlicher sagt."

Verwendete Quellen:

  • Sportschau: Nagelsmanns Aussetzer bringen Unruhe
  • dpa
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