Früher spielte er selbst in der Bundesliga und der deutschen Nationalmannschaft, heute trainiert Michael Hartmann die besten Talente des FC Bayern München. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über die Nachwuchsförderung, die Zusammenarbeit mit Thomas Tuchel und die typischen Stolpersteine für Top-Talente.
Wie groß ist die Chance, als Jugendspieler des FC Bayern voll durchzustarten? Der frühere Bayern-Spieler
Wir sprachen darüber mit dem Bayern-Jugendtrainer Michael Hartmann. Der frühere Bundesliga- und Nationalspieler ist für die U19 und somit die höchste Jugendmannschaft des deutschen Rekordmeisters verantwortlich.
Herr Hartmann, wie bewerten Sie die Aussage von Stefan Effenberg?
Michael Hartmann: Es ist für junge Spieler eine sehr große Herausforderung, beim FC Bayern den Sprung in den Profibereich zu schaffen. Ich war vorher bereits Jugendtrainer bei Hertha BSC, wo der eine oder andere Spieler schneller zu den Profis gelangte. Hier muss ein Spieler sehr schnell funktionieren und praktisch sofort auf Champions-League-Niveau spielen können. Das macht die Situation für die Jungs nicht einfach.
Aber am FC-Bayern-Campus ist sehr viel entstanden. Wir investieren viel in die Ausbildung und haben wirklich sehr, sehr gute Jungs. Wir wollen die jungen Spieler an die erste Mannschaft heranführen. Dort müssen sie dann zeigen, was sie können. Natürlich gehört dann auch ein Quäntchen Glück dazu, dass sie vom Trainer reingeworfen werden. Und dann müssen sie einfach performen.
Wie ist der Austausch unter den Trainern beim FC Bayern München? Gibt es eine Gesprächsrunde mit
Der Austausch läuft vor allem über seine Co-Trainer Zsolt Löw und Arno Michels. Der Cheftrainer der Profimannschaft hat im Tagesgeschäft so viel zu tun, dass oft die Zeit für andere Dinge fehlt. Daher findet mit den Co-Trainern der tiefere Austausch statt. Auch Halil Altintop, unser Sportlicher Leiter am Campus, und unser neuer Top-Talente-Betreuer Richard Kitzbichler stehen im regelmäßigen Austausch mit dem Profitrainerteam. Ich als U-19-Trainer versuche natürlich, den einen oder anderen Namen hineinzuwerfen, damit er noch mehr Aufmerksamkeit bekommt und vielleicht mal bei den Profis mittrainieren kann.
Wie genau sieht das Konzept aus, um junge Talente so zu entwickeln, dass sie im Idealfall direkt den Sprung zu den Profis schaffen?
Wir führen unsere jungen Spieler früh an die nächste Altersstufe heran. Bei unserer U19-Mannschaft spielen fast nur U18-Spieler. Die U19-Spieler sind größtenteils bereits für unsere U23 in der Regionalliga aktiv. Die U23-Mannschaft trainiert genauso wie die Profi-Mannschaft an der Säbener Straße. Die Wege sind also kurz.
Ich kann natürlich viel über die jungen Spieler erzählen. Aber schlussendlich ist es wichtig, dass die Trainer der ersten Mannschaft selber einen Eindruck von unseren Talenten bekommen. Dann kann es zum Beispiel sein, dass wir mal dort ein Trainingsspiel machen, sodass der Thomas (Tuchel) sich das anschauen kann und selber ein Gefühl für die jungen Spieler bekommt.
"Neben Schule und Fußball bleibt nicht viel Freizeit"
Wie sieht der Alltag von jungen Fußballspielern im Bayern-Campus aus?
Die Spieler aus meiner U19-Mannschaft gehen normalerweise noch zur Schule und haben danach jeden Tag am Nachmittag Training. Die Zeitfenster dazwischen sind oft sehr klein, sodass einige Spieler von weiter entfernten Schulen mit einem Fahrdienst abgeholt werden. Viele kommen aber auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Training und sind dann bis zu eineinhalb Stunden unterwegs. Die Tage der Jungs sind sehr voll.
Hinzu kommen nun auch noch die Spiele in der Youth League, bei der die Auswärtsspiele im Ausland stattfinden. Dadurch sind wir mit der Mannschaft drei Tage unterwegs. Neben Schule und Fußball bleibt nicht viel Freizeit.
Was sind die typischen Stolpersteine junger Talente auf dem Wege zum Profifußball?
Ein typischer Stolperstein ist, dass ein Talent oben zu den Profis gelangt und denkt, er hätte es bereits geschafft. Man muss trotzdem weiter mehr machen und noch mehr investieren, wenn man sich bei den Profis festbeißen möchte. Man darf nicht zu früh zufrieden sein. Wenn ein 17-Jähriger bei den Profis ein Tor schießt, ist das natürlich eine tolle Sache. Aber der ist in seiner Entwicklung noch längst nicht fertig und muss weiter an sich arbeiten. Die Einstellung ist ganz entscheidend. Außerdem müssen die Spieler gesund bleiben, damit sie sich gut weiterentwickeln können. Das ist eine Grundvoraussetzung.
Wie schätzen Sie die Situation im deutschen Nachwuchs insgesamt ein? In der UEFA Youth League, also der Champions League für die U19-Mannschaften, taten sich die deutschen Vereine eher schwer. Seit RB Leipzig im Jahre 2019 erreichte keine deutsche U19-Mannschaft mehr das Halbfinale…
Ich denke, man muss solche Resultate immer in das richtige Verhältnis setzen. Ich habe ja eben schon erklärt, dass wir in der U19 praktisch nur mit U18-Spielern antreten. Andere Vereine haben eine andere Herangehensweise und setzen zum Beispiel ältere Spieler ein. Dadurch können die Unterschiede zwischen den Spielern der verschiedenen Mannschaften bis zu drei Jahre betragen. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Ergebnisse.
Ich finde es trotzdem richtig, dass wir mit jungen Spielern antreten, weil sie sich dadurch gut früher weiterentwickeln können. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass wir gute Fußballspieler in Deutschland haben.
Was würden Sie sich wünschen, um den deutschen Nachwuchs noch besser auszubilden?
Es wäre schön, wenn mehr zweite Mannschaften von Profivereinen in der 3. Liga spielen könnten. Aktuell sind drei erlaubt. Würde man das ein bisschen öffnen, könnten sich die Nachwuchsspieler noch besser entwickeln. Je höherklassig die Jungs spielen, desto besser. Ein gutes Beispiel sehen wir in Österreich. Der FC Red Bull Salzburg hat nicht zuletzt deshalb eine so gut funktionierende Nachwuchsarbeit, weil sie mit dem FC Liefering ein Farmteam in der 2. Liga haben, wo die jungen Spieler bereits auf einem sehr hohen Niveau spielen und sich an den Männerfußball gewöhnen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.