Am Montag hat der FC Bayern seinen neuen Campus offiziell eröffnet. Der Bau war überfällig - denn seit Jahren hinkt der FC Bayern in der Nachwuchsförderung den Großen der Branche hinterher.
Ende Juli 2012 schickte der heutige Trainer des VfL Wolfsburg, Andries Jonker, eine wütende E-Mail an die Bosse des FC Bayern.
Kurz zuvor hatte der Niederländer, der in der Saison 2011/2012 die Bayern-Amateure trainiert hatte, das Angebot ausgeschlagen, die U19 des Clubs zu übernehmen.
"Ich sehe Bayern als das goldene Fußballpferd. Das potenziell beste und schnellste Pferd der Fußballwelt", lobte Jonker. Um dann eine Kritik anzubringen, die es in sich hat: "Das Pferd hat drei goldene Beine: das Profibein, das finanzielle Bein und das kommerzielle Bein. Alles Superbeine. Leider hat das Pferd auch ein steifes Bein. Dieses Bein heißt Jugendausbildung. Dieses Bein soll so wenig wie möglich stören und wird einfach mitgeschleppt mit den anderen drei Beinen."
Konkret bemängelte der Niederländer: "Die Organisation fehlt. Da wird nicht an einem Strang gezogen. Bei der Führung, beim technischen Stab, beim medizinischen Stab, beim Scouting, beim pflegen des Geländes, eigentlich bei fast allem".
Uli Hoeneß gab Jonker recht
Kurze Zeit später stach jemand die Mail an die "Bild"-Zeitung durch. Das Bemerkenswerte:
"Ich finde es unmöglich, dass so eine interne Geschichte rausgekommen ist. Aber dass in dem Bereich nicht perfekt gearbeitet wurde, das ist keineswegs falsch", sagte Hoeneß, der mit Blick auf den Nachholbedarf im Nachwuchsbereich anfügte: "Wir werden Gas geben wie es in diesem Verein noch nie der Fall war." Jonker hatte ins Schwarze getroffen.
Heute, fünf Jahre später, hat sich in der Tat etwas getan. Seit dem 1. August ist der neue 30 Hektar große Bayern-Campus in Betrieb, der am Montag offiziell eröffnet wurde.
70 Millionen Euro hat der Bau gekostet - die größte Investition des Clubs seit dem Bau der Allianz Arena. Der Campus soll die Münchner in der Jugendarbeit wieder konkurrenzfähig machen.
Antwort auf Neymar
So klingt es auch nach etwas durchsichtiger PR, wenn Uli Hoeneß am Montag das neue Nachwuchsleistungszentrum als bayerische Antwort auf Mega-Transfers wie
Nicht nur bei der nationalen Konkurrenz, auch in den meisten Top-Clubs Europas gehören hochmoderne Jugendakademien zum Standard.
Der FC Bayern holt hier in Wahrheit eher einen enormen Rückstand auf, als dass er sich an die Spitze der Bewegung katapultiert.
Das bestätigte indirekt auch der neue FCB-Nachwuchschef Jochen Sauer, der zuletzt bei Red Bull Salzburg arbeitete, im "Kicker" von dieser Woche.
"Zuletzt war es so, dass wir auch mal aufgrund der mangelnden Infrastruktur gegenüber anderen Klubs das Nachsehen hatten, die mit ihren Nachwuchszentren punkten konnten. Spieler aus dem Westen gingen dann eher zu Schalke oder Dortmund."
Die Bayern würden nun durch die "optimalen Unterbringungsmöglichkeiten sicherlich auch die Talentsichtung internationaler aufstellen können”, erklärte Sauer weiter.
Doch die fehlende Infrastruktur war in der Vergangenheit ohnehin nur ein Teil des Problems. An vielen verantwortlichen Positionen herrscht seit Jahren eine hohe Fluktuation.
Abgänge mit Störgeräuschen
Diejenigen, die laut Hoeneß 2012 "Gas geben sollten wie noch nie", verließen den Verein über kurz oder lang - teilweise mit erheblichen Störgeräuschen. Sammer, Scholl, Butt, Kienle, Sorg, Tarnat, Jung. Später Herrlich und Vogel.
Alle hinterließen Fußstapfen und stießen Entwicklungen an. Manche sogar sehr positive. Doch Konstanz und Nachhaltigkeit entsteht so nicht.
Nun sollen Sauer, der als verbindlicher und hochprofessioneller Organisator gilt, und Vereinslegende Hermann Gerland den Nachwuchs weiter auf Vordermann bringen. Gerland ist dabei auch innerhalb des Vereins nicht völlig unumstritten.
Der gebürtige Bochumer hat als Jugendtrainer und Spielerentwickler in den 2000ern herausragende Arbeit geleistet - ob er in einer eher administrativen Rolle ähnlich erfolgreich sein kann, muss sich noch zeigen.
Auch der Einfluss des neuen Sportdirektors Hasan Salihamidzic ist noch völlig offen.
Amateure-Coach Tim Walter, der in der Vorsaison mit der U17 den ersten Deutschen Meistertitel im Jugendbereich seit Jahren nach München holte, hat sich dagegen als Glücksfall für den Verein erwiesen.
David Alaba war der letzte Eigenkader
Die wichtigste Aufgabe lautet nun, regelmäßig Spieler für den Profifußball auszubilden.
Nach wie vor ist David Alaba der letzte selbst ausgebildete Spieler, der im Jahr 2010 den Sprung zu den Profis schaffte.
Dass die Ansprüche beim FC Bayern nicht erst durch den Triple-Gewinn 2013 andere sind als noch vor zehn Jahren, kann dabei nur bedingt als Ausrede herhalten.
Denn zur Wahrheit gehört, dass bis auf Emre Can in den letzten Jahren auch außerhalb des FC Bayern kein Münchner Eigengewächs einen echten Durchbruch schaffte.
Logische kommende Stars gibt es auch aktuell im Nachwuchsbereich nicht. Oliver Batista-Meier aus der U17 ist vielleicht am ehesten zu nennen.
Der Weg zu neuen Lahms, Schweinsteigers, Kroos' und Müllers ist also nach wie vor weit.
Der Campus kann nur der Anfang sein
Ansätze für Verbesserungen gibt es nach wie vor genug: Besseres Scouting von Jugendspielern und Jugendtrainern.
Ernsthafte Bemühungen für den Aufstieg der Amateure in die 3. Liga. Professionellere und individuellere Spielerentwicklung schon im U9- und U12-Bereich.
Eine langfristige Kaderplanung bei den Profis, die Talenten echte Chancen ermöglicht.
Ein Profitrainer, der viel Zeit in die Förderung und Weiterentwicklung junger Spieler investiert.
Ein Sportdirektor, der dies als klares Ziel formuliert und vorgibt.
Der neue Campus ist letztlich nur die Basis. Die weiteren, vielleicht sogar entscheidenderen Schritte müssen folgen.
Erst dann kann auch das vierte Münchner Standbein wieder golden glänzen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.