Die Mannschaft und der Trainer beim BVB stehen im Zentrum der Kritik. Aber auch Sportchef Sebastian Kehl könnte von einer „Randfigur“ schon bald zu einem Hauptdarsteller werden. Dessen Zwischenbilanz fällt jedenfalls ernüchternd aus.

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Neulich hat Sebastian Kehl eine für seine Verhältnisse sehr schroffe Aussage über seine Spieler getroffen. „Das ist das, was man der Mannschaft heute vorwerfen kann: Dass wir auch arrogant gespielt haben und teilweise nicht konsequent genug waren. Wir haben es ein bisschen laufen lassen“, sagte Kehl nach dem Dortmunder 1:1 beim VfL Wolfsburg vor knapp zwei Wochen.

In der Zwischenzeit hat der BVB ein glückliches Remis in der Königsklasse in Eindhoven geholt und sein Bundesliga-Heimspiel gegen Hoffenheim verloren und es wäre interessant zu erfahren, wie Kehl nach diesen beiden neuerlich überschaubaren Leistungen und den unbefriedigenden Ergebnissen denkt.

Denn dass es der BVB in den letzten beiden Spielen verdient gehabt hätte zu gewinnen, lässt sich nun wahrlich nicht behaupten. Die Borussia ist nach ihrer Leistungskrise nun auch in einer Ergebniskrise angekommen, der zum Teil massive Ärger der Fans war bereits am vergangenen Sonntag unmittelbar nach dem Abpfiff gegen Hoffenheim deutlich zu vernehmen.

Mehr Personalkosten, weniger Qualität

Kehls verbaler Seitenhieb gegen seine Mannschaft sollte wohl als Signal verstanden werden, sich wieder etwas mehr zu raffen unmittelbar vor den großen Aufgaben, die da in der Liga und in der Königsklasse anstehen. Allein, die Worte des Sportchefs verhallten offenbar ungehört.

Und so macht sich mehr und mehr eine Alarmstimmung breit in Dortmund, während die meisten Fans und Medien den Trainer und die Mannschaft in den Fokus ihrer Kritik rücken. Kehl besetzt dagegen aktuell nur eine Nebenrolle. Dabei ist Kehl in seiner Funktion die übergeordnete Instanz in letzter Konsequenz verantwortlich. Unter anderem nur für alle Personalentscheidungen.

„Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2023/24 betrugen die Aufwendungen für Personal 126,735 Millionen Euro und lagen damit um 14,386 Millionen Euro über dem Vorjahresniveau", heißt es auf Seite 21 des am Mittwoch erschienenen Halbjahresfinanzberichts des BVB. Der Anstieg begründe sich im Wesentlichen mit höheren Aufwendungen für Sonderzahlungen.

Das ist eine Menge Geld, der vergleichsweise überschaubare sportliche Leistungen gegenüberstehen.

Matthäus: „BVB performt weit unter den Erwartungen“

Die Transferperiode im Sommer hat zwar quantitativ den Kader etwas verschlankt, aber qualitativ noch nicht verbessert. Jedenfalls blieben die Neuerwerbungen Felix Nmecha, Marcel Sabitzer, Niclas Füllkrug und Ramy Bensebaini aus unterschiedlichen Gründen bisher zum Teil stark hinter den Erwartungen.

Höhere Kosten bei gleichzeitig gesunkener Qualität im Kader sind für die sportlich Verantwortlichen selten eine gute Zwischenbilanz. „Sky“-Experte Lothar Matthäus erkennt in seiner Kolumne einen BVB, der „fußballerisch weit unter den Erwartungen performt, die man an diese Mannschaft stellen darf“. Einen Grund dafür will der Rekord-Nationalspieler unter anderem in der mangelnden Absprache zwischen Sportchef und Cheftrainer, also zwischen Kehl und Terzic, erkannt haben.

„Vielleicht hätte Terzic gerne den einen oder anderen Spieler mehr gehabt. Wichtig ist, dass einer im Verein, der Fußball-Fachkenntnisse hat, sich mit dem Trainer abstimmt, auf welchen Positionen und auf welche Art und Weise man sich verstärkt. Und das hat bei Dortmund in den letzten eineinhalb Jahren nicht funktioniert.”

Matthäus nennt - bewusst oder unbewusst - damit exakt jenen Zeitraum, in dem Kehl und Terzic zusammen die sportlichen Geschicke verantworten. Und prangert die fehlende Aufarbeitung längst bekannter Probleme an. „Man muss die Steine nicht erst umdrehen, wenn es nicht mehr anders geht. Warum dreht man sie nicht vorher um, wenn die Leistung nicht stimmt?”

Zwischen Anspruch und Realität

Damit spricht der TV-Experte einen wunden Punkt an bei der Borussia: Zwischen Anspruch und Realität klafft schon länger eine Lücke. Die mal kleiner ist, wie bei beinahe erfolgreichen Aufholjagd der letzten Rückrunde. Fast immer aber größer, wie eigentlich seit Jahren schon.

Und eine wirklich schonungslose Aufarbeitung lassen die jüngsten Personalentscheidungen auch nicht vermuten. Im Winter wurde das Trainerteam gravierend verändert, auf den entsprechend positiven Effekt müssen die Beobachter aber noch warten. Für die große Baustelle des Kaders im zentralen Mittelfeld war offenbar kein geeigneter Kandidat zu finden – nachdem schon im Sommer die Chance verpasst wurde, sich auf der Position endlich zu verstärken.

Stattdessen wurden dem Kader mit Ian Maatsen und Jadon Sancho zwei Leihspieler zugeführt. Zwar ohne das große finanzielle Risiko, in Maatsens Fall auch mit einigen Lichtblicken. Während sich bei Sancho nun offenbar bewahrheitet, was zu vermuten war: Dass der Spieler nicht aus dem Stand nach Monaten des Stillstands bei Manchester United nachhaltiges Spitzenniveau erreichen kann.

In den anstehenden Spielen gegen die Spitzenmannschaften müssen sowohl Maatsen, der in Eindhoven und auch zuletzt in der Bundesliga einige Probleme hatte, als auch Sancho ihren Mehrwert für die Mannschaft erst noch unter Beweis stellen. Und die Verantwortlichen aufhören, ihre Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen.

Wo bleiben die Fortschritte?

„Das war heute definitiv kein Schritt zurück. Ich würde sagen ein kleiner nach vorne, kein großer.“ Das ließ Sebastian Kehl nach dem Spiel seiner Mannschaft in Heidenheim wissen. Die Partie beim renitenten Aufsteiger war die erste, in der seine Mannschaft ernsthafte Gegenwehr erfuhr und schnell beschränkt war in ihren personellen Alternativen und spielerischen Mitteln.

Trotzdem blieb Kehl bei seiner Meinung, dass sich die Mannschaft in den vergangenen Wochen „verbessert hat und besseren Fußball“ spiele. „Diese Entwicklung lasse ich mir nicht kaputtmachen!“

Das Spiel in Heidenheim war Anfang Februar, seitdem hat der BVB nur noch eines von vier Pflichtspielen gewonnen: Gegen den SC Freiburg. Die zweitschlechteste Mannschaft der Rückrunde.

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