Der 1. FC Köln taumelt schnurstracks Richtung zweite Liga und könnte hochgerechnet sogar ein paar Rekorde von Kult-Absteiger Tasmania Berlin knacken – einem Freizeit-Team, das es nur zufällig für ein Jahr in die Bundesliga verschlagen hat.

Mehr aktuelle Sport-News im Überblick

Ohne den Automobilklub ADAC hätte es die betrüblichste Geschichte der Bundesliga wohl nie gegeben: Die Spieler von Tasmania Berlin waren in alle Himmelsrichtungen verstreut.

Es war der Sommer 1965, die Saison längst vorbei, die Spieler des Regionalligisten spannten in fernen Urlaubsorten aus oder am Berliner Wannsee.

Kapitän Hans-Günter Becker hatte sich für ein paar Tage Ostsee-Urlaub entschieden. Er spielte der Legende nach gerade eine Runde Boccia mit seinen Kindern, als eine aufgescheuchte Bekannte in die Urlaubsidylle platzte.

Sie habe im Radio von einem Aufruf des Automobilklubs gehört, dass die Spieler von Tasmania so schnell wie möglich wieder nach West-Berlin zurückkehren sollten. Es gäbe wichtige Neuigkeiten.

Der Deutsche Fußball-Bund hatte in diesen Tagen ein veritables Problem. Hertha BSC hatte seine Lizenz verloren, die Liga sollte von 16 auf 18 Klubs aufgestockt werden.

Der in Berlin ansässige Axel-Springer-Verlag soll Druck gemacht haben, dass West-Berlin nach Herthas Zwangsabstieg zwingend einen (anderen) Bundesligisten brauche.

Berlin behielt den Platz am Grünen Tisch

Auch der DFB wollte die Inselstadt Berlin nicht von der Entwicklung der noch jungen Bundesliga abkapseln. Also durften die beiden sportlichen Absteiger Schalke und Karlsruhe in der Bundesliga bleiben und ein Berliner Klub den Platz von Hertha besetzen.

Da Meister Tennis Borussia in der Relegation gescheitert war und Vizemeister Spandauer SV dankend ablehnte, ergriff der Drittplatzierte der abgelaufenen Regionalligasaison die vermeintliche Gunst der Stunde.

Von einem Tag auf den anderen war Tasmania ein Bundesligaklub. Ohne jedoch nur im Geringsten für die Bundesliga gerüstet zu sein.

Der Transfermarkt war schon lange so gut wie leergefegt. Tasmania versuchte es beim erst wenige Wochen von Tasmania nach Gelsenkirchen gewechselten Heinz Fischer mit einer Rückholaktion.

Als Präsident Harry Michel in der Stadionkneipe von Eintracht Gelsenkirchen verhandelte, machte sich Fischer durch die Herrentoilette aus dem Staub.

Coole Typen, schlechte Spieler

Geschichten wie diese gab es genug. Die Tasmania bekam ihren völlig überalterten und nicht bundesligatauglichen Kader nur noch unter anderem mit ehemaligen Spitzenspieler Horst Szymaniak und dem legendären Herbert Finken, einen raubeinigen Vorstopper, dessen legendäres Bonmot bis heute überdauert hat.

"Ich heiße Finken und du wirst gleich hinken", pflegte er seine Gegenspieler zu begrüßen.

Allerdings hatte Nationalspieler Szymaniak längst seinen Zenit überschritten und Finken war verbal vielleicht erstklassig, sportlich aber keine große Hilfe.

Der große Rest der Truppe musste seine Berufe kündigen, für ein Jahr aussetzen oder auf Halbtagsjobs umstellen. Tasmania trat mit einer leicht aufgehübschten Amateurtruppe an.

Das Himmelfahrtskommando begann trotzdem voll überschwänglicher Euphorie und der Rekordzahl von 81.500 Zuschauern im Berliner Olympiastadion. Tasmania besiegte den Karlsruher SC fast schon sensationell mit 2:0.

Danach folgte das Unvermeidliche: Tasmania verlor Spiel um Spiel, rutschte am fünften Spieltag auf den letzten Platz und gab diesen nicht mehr her.

Wackeln ein paar Rekorde?

Die Bilanzen des Grauens: die wenigsten Punkte (8:60 nach Zwei-Punkte-Regel, nach Drei-Punkte-Regel waren es zehn), die wenigsten Tore (15), die meisten Gegentore (108), die wenigsten Siege (zwei), die höchste Heimniederlage (0:9 gegen den Meidericher SV), kein einziger Auswärtssieg.

Und es war natürlich die Partie mit den wenigsten Zuschauern in der Geschichte der Bundesliga: Gegen Borussia Mönchengladbach verirrten sich gerade einmal 827 Zuschauer ins Olympiastadion.

Es sind Rekorde für die Ewigkeit, so dachte man. 108 Gegentore dürften tatsächlich nie mehr zu toppen sein und auch die läppischen 15 Tore in 34 Spielen sind kaum zu unterbieten.

Und der 1. FC Köln wird garantiert auch nicht vor weniger als 20.000 Fans spielen müssen.

Aber die Sache mit den wenigsten Siegen und den wenigsten Punkten oder aber kein Sieg in einem Auswärtsspiel – das erscheint in diesen Tagen selbst für Berufsoptimisten nicht nur unmöglich.

Das 3:4 gegen den SC Freiburg war mehr als eine Niederlage im Abstiegskampf. Es lässt den FC nicht mehr wie einen handelsüblichen designierten Absteiger erscheinen, sondern drückt die Mannschaft nun schon in die Niederungen der Tasmania.

Was umso bedenklicher ist, da Köln in der abgelaufenen Saison überragend abschloss und Fünfter wurde, ein gestandener Profiklub ist mit einer erfahrenen Mannschaft.

Derzeit ist der Kader aber ähnlich ausgedünnt und nicht bundesligatauglich. Das Verletzungspech hat Köln heimgesucht wie sonst keine andere Mannschaft in der Liga und Spielern aus der zweiten und dritten Reihe, sowie einige Jugendspieler die Tür geöffnet.

Der große Vorteil für die Kölner: Sie haben noch 19 Spiele Zeit, den Abstieg zu vermeiden. Und damit zwangsläufig auch alle Vergleiche mit Kult-Absteiger Tasmania Berlin verbieten.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.