Haas hat vor der Saison Mick Schumacher durch den deutlich älteren Nico Hülkenberg ersetzt, wofür Teamchef Günther Steiner auch Kritik einstecken musste. Doch die Rechnung geht auf – Hülkenberg liefert und lässt Schumacher alt aussehen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Worte von Günther Steiner überraschten. Man erkannte den Haas-Teamchef fast nicht wieder, als er über Nico Hülkenberg sprach. Denn Steiner fand ausnahmsweise mal kein Haar in der Suppe. "Wir haben genau das bekommen, was wir wollten", hatte der Südtiroler vor dem dritten Saisonrennen der Formel 1 in Australien erklärt. "Er arbeitet sehr hart und fordert die Crew, was genau das ist, was wir wollen. Bisher habe ich nichts zu meckern, was sehr selten ist", sagte er mit einem Augenzwinkern.

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Doch wie oft er tatsächlich meckern kann, bekam im Vorjahr Mick Schumacher bei fast jedem Rennen zu spüren. Doch Steiners Rechnung, den 24-jährigen Schumacher nach einem schwierigen Jahr durch den elf Jahre älteren Hülkenberg zu ersetzen, geht auf.

Denn der Deutsche fuhr am Sonntag nach einem starken Rennen den siebten Platz und sechs Punkte ein, in der chaotischen Schlussphase hätte er den überzeugenden Auftritt sogar fast mit dem ersten Podiumsplatz seiner Karriere veredelt. "Hätte es die letzte rote Flagge nicht gegeben, hätten bei uns richtig die Korken geknallt", haderte der 35-Jährige ein wenig am Sky-Mikrofon.

Fast der erste Podiumsplatz

Denn zu dem Zeitpunkt des letzten Abbruchs war er Vierter, dem Dritten Carlos Sainz (Ferrari) wurde eine Fünfsekunden-Strafe aufgebrummt, Platz drei war also realistisch. Doch die Rennleitung nahm die Reihenfolge vor dem Chaos als Referenz für den letzten Neustart.

Weshalb es am Ende Rang sieben wurde. Grund genug für Hülkenberg, mit sich und der Welt zufrieden zu sein. "Ich fühle mich wohl", sagte er auf die Frage, ob er im Moment so viel Spaß habe wie noch nie in seiner Formel-1-Karriere und führte aus: "Man sagt im Deutschen so schön: Ich bin im Reinen mit mir selber. Ich habe Spaß hier."

Die drei Jahre Pause seien gut gewesen, betonte Hülkenberg, sie hätten ihn resettet, er habe den Kopf wieder freibekommen, "meine Perspektive hat sich geändert, familiär auch, ich bin auf allen Ebenen gut aufgestellt. Ich habe eine dicke Haut, lasse mir nicht so leicht reinreden und es geht gut".

Das merkt man auf der Strecke. Im Fahrerlager. Und im Team. Das Paket Hülkenberg funktioniert. Für Steiner ist das ein Volltreffer, denn sein Wechsel von Schumacher zu Hülkenberg hatte auch für Kritik gesorgt, schließlich ist der Emmericher mit seinen 35 Jahren keine langfristige Lösung.

Stuck: "Er macht das sensationell"

"Seine Leistung überrascht mich nicht, er macht das sensationell", sagte die deutsche Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck bei "Eurosport". Er halte große Stücke auf Schumacher, so Stuck, "aber ob er auch die Leistungen wie Hülkenberg bringen würde, weiß ich nicht".

Hülkenberg sei für das Team in allen Bereichen ein Zugewinn, lobt Stuck. "Einerseits, weil er die Erfahrung hat, wie ein Auto funktionieren muss und es somit fortentwickelt. Zudem hat er eine Rennerfahrung, die Schumacher auch erst einmal sammeln muss", sagte Stuck.

Schumacher hatte sich im Vorjahr nach zahlreichen teuren Unfällen in den ersten Monaten gefangen, fuhr Punkte ein, konnte die Verantwortlichen aber in den entscheidenden Momenten nicht final überzeugen und verlor nach zwei Jahren Formel 1 den Platz bei Haas.

Er ist 2023 Ersatzfahrer bei Mercedes und kämpft um eine Rückkehr in ein Stammcockpit. Natürlich ist es ein Stück weit hypothetisch, was Schumacher mit dem leicht modifizierten Auto in dieser Saison angestellt hätte, wie er sich in seinem dritten Jahr in der Königsklasse geschlagen hätte. Doch Hülkenbergs Leichtigkeit trotz der langen Pause lässt seinen Landsmann im Vergleich dann doch ein wenig alt aussehen.

Hülkenberg agiert fehlerfrei, souverän, zielstrebig, locker und dabei fokussiert. Und erfolgreich. Womit Diskussionen, ob die Entscheidung richtig oder fair war oder nicht, vorerst verstummt sind. Vor allem im Qualifying kann Hülkenberg bislang voll überzeugen.

In Bahrain stellte er den Haas auf Platz zehn, in Saudi-Arabien auf elf, in Australien auf zehn, jedes Mal vor seinem Teamkollegen Kevin Magnussen. Jetzt hat er den Dänen, der bislang einen Punkt geholt hatte, auch im Rennen erstmals hinter sich gelassen.

Ganz klares Ausrufezeichen gesetzt

"Vor Nico Hülkenberg muss man den Hut ziehen! Wie er zurückgekommen ist, das ist stark! Nico hat in den ersten drei Rennen ein ganz klares Ausrufezeichen gesetzt. Er macht alles richtig und bringt sich dadurch in eine Position, in der andere Teams auf ihn aufmerksam werden", lobte Sky-Experte Timo Glock in seiner Kolumne.

Doch bei aller Euphorie weiß Hülkenberg auch, dass es in der Formel 1 schnell gehen kann. Daran erinnerte ihn ausgerechnet sein Teamkollege, der das Chaos in der Schlussphase in Melbourne ausgelöst hatte. Er war unbedrängt und überraschend in die Streckenbegrenzung gerauscht – und hat im Duell mit Hülkenberg in der Gesamtbetrachtung aktuell das Nachsehen.

Spott musste er sich anschließend auch noch gefallen lassen. "Wird es nicht langsam Zeit für Steiner, Magnussen öffentlich anzuzählen und fertig zu machen?", schrieb ein User auf Twitter. Ein anderer meinte: "Kritisiert Günther jetzt eigentlich auch seinen geliebten Magnussen so wie Mick letztes Jahr? Schließlich fährt HUL ihn in Grund und Boden und jetzt kostet er auch noch Geld." Oder: "Magnussen übernimmt in diesem Jahr scheinbar den Job von Mick Schumacher." Für Glock ist klar: "Kevin Magnussen wird sich die eine oder andere Frage stellen."

Hülkenberg ist positiv gestimmt

Hülkenberg wiederum ist nach der ersten Punktefahrt "sehr positiv gestimmt. Ich genieße es sehr, mit dem Team zu arbeiten und mit dem Auto zu experimentieren. Wir haben ein sehr gutes Momentum und das wollen wir in die nächsten Rennen mitnehmen". Damit Steiner auch weiterhin nichts zu meckern hat.

Verwendete Quellen:

  • Sky.de: Glock-Kolumne
  • Eurosport.de: Australien-GP - Hans-Joachim Stuck lobt Nico Hülkenberg nach siebten Platz in Melbourne: "Sechser im Lotto"
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