In einem Punkt wenigstens hat Donald Trump recht, wenn er behauptet, die Wahl 2020 sei noch nicht gelaufen: Nach den Präsidentschaftswahlen, deren Ergebnis er nach wie vor nicht anerkennen will, spielt sich derzeit ein zweiter Wahlkrimi um die Mehrheit im Senat ab. Erst im Januar wird es dort eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen für Joe Bidens Präsidentschaft geben.

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Der Senat ist die "zweite Kammer" der USA, vergleichbar mit dem Bundesrat in Deutschland, der bei uns auch "Länderkammer" genannt wird. Gemeinsam mit dem Repräsentantenhaus bildet er den Kongress und ist dort die Vertretung der Bundesstaaten.

Jeder der 50 Bundesstaaten der USA ist im Senat mit zwei Senatoren vertreten. Um die Kontinuität zu wahren, werden diese "schichtweise" ausgetauscht – alle zwei Jahre wird ein Drittel des Senats neu gewählt. Deshalb standen im Rahmen der (noch immer nicht ausgezählten) US-Wahl am 3. November in einigen Staaten auch Senatoren zur Wahl. Das Ergebnis ist für die Demokraten ernüchternd – sie haben es trotz Joe Bidens Erfolg nicht geschafft, sich eine stabile Mehrheit in der zweiten Kammer zu sichern.

Senat: Georgia, der Wackelkandidat

Die Spannung wird noch länger anhalten: Am Mittwoch wurde bekannt, dass die zur Wahl stehenden Senatorensitze in Alaska und North Carolina an die Republikaner gehen. 48 der 100 Senatssitze sind diesen nun bereits sicher.

Einziger Wackelkandidat unter den Bundesstaaten ist Georgia. Zwar erreichte Joe Biden hier die Mehrheit bei den Präsidentschaftswahlen. Doch bei den Senatswahlen schaffte keiner der vier Kandidaten für die beiden Sitze die notwendige Mehrheit von mehr als 50 Prozent der Stimmen. Deshalb wird es am 5. Januar eine Stichwahl geben – und so lange wird das Zittern und Bangen bei Joe Biden anhalten.

50 zu 50 wäre schon ein Sieg

Würden die Demokraten beide Senatorenplätze gewinnen, stünde es zukünftig im Senat 50 zu 50 – es wäre ein knapper, wackeliger Sieg für sie. Denn im Senat entscheidet bei Stimmengleichheit die Vizepräsidentin – das ist nun die Demokratin Kamala Harris. Sie könnte aber nur dann den Ausschlag geben, wenn alle Demokraten geschlossen abstimmen.

Allerdings herrschen im Senat andere Regeln als im Repräsentantenhaus: Fraktionsdisziplin wird kleingeschrieben, die mächtigen Senatoren entscheiden oft individuell, unabhängig und über Parteiengrenzen hinweg.

Die Bedeutung des Senats ergibt sich aus er amerikanischen Verfassung. Dort werden ihm – anders als dem deutschen Bundesrat – viele wichtige Befugnisse zugestanden.

  • Kein Bundesgesetz kann ohne die Zustimmung des Senats in Kraft treten.
  • Auch für die Besetzung vieler Regierungsposten ist die Mehrheit von mindestens einer Stimme im Senat notwendig: Kein Minister, kein Bundesrichter, kein Richter des höchsten Gerichts – des Supreme Courts – kann ohne Senats-Zustimmung sein Amt antreten. Dazu führt der Senat aufwändige Anhörungen durch, in denen die Kandidaten "geprüft" werden.
  • Zwar war es bisher höchst selten, dass der Senat Ministervorschläge des Präsidenten abgelehnt hat. Doch in der angespannten Lage nach der jetzigen Präsidentschaftswahl ist sogar vorstellbar, dass über Kabinettsposten verhandelt werden muss.
  • Auch internationale Verträge sind in bestimmten Fällen zustimmungspflichtig.

"Strategische Mehrheit" für beide Seiten weit entfernt

Der Senat hat es also zu einem großen Teil in der Hand, ob und inwieweit der Präsident seine Ziele durchsetzen kann. Eine Mehrheit, die auf der Stimme der Vizepräsidentin beruht, ist die kleinste denkbare.

Zur Erinnerung: Als Präsident Barack Obama 2010 – ein Jahr nach seinem Amtsantritt – die sogenannte strategische Mehrheit im Senat verlor, wurde dies von den Demokraten als Katastrophe empfunden. Von einer strategischen Mehrheit wird dann gesprochen, wenn eine Partei im Senat mindestens 60 Stimmen hat. Dann kann sie Abstimmungen erzwingen, aber auch Debatten und Gesetzesvorhaben verhindern. Von solch komfortablen Machtverhältnissen ist Joe Biden schon zu Beginn seiner Amtszeit sehr weit entfernt.

Ob er wenigstens ansatzweise stabile Verhältnisse erreichen wird, entscheidet die Stichwahl in Georgia. Fällt auch nur eines der beiden zur Wahl stehenden Mandate an die Republikaner, wird es für Biden schwierig – wenn auch nicht aussichtslos.

Denn Gesetzesvorschläge, die seiner Politik zuwiderlaufen, kann der Präsident mit seinem Veto verhindern. Um das Präsidenten-Veto aufzuheben, braucht der Senat eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen, von der wiederum die Republikaner derzeit weit entfernt sind – selbst wenn sie beide Sitze in Georgia gewinnen.

Jetzt sind Kompromisse gefragt

Bevor er zum letzten Mittel des Vetos greift, wird Joe Biden zunächst ausloten müssen, wie er für zustimmungspflichtige Projekte die Zustimmung des Senats möglich machen könnte – Kompromisse sind gefragt.

Das betrifft beispielsweise innenpolitische Themen wie die Migrationsgesetze – Trump hat sie verschärft, Biden möchte sie wieder lockern. Auch in der Corona-Politik konnten sich die Kontrahenten schon vor der Wahl nicht einigen. Joe Biden hat hier eine deutliche Neuorientierung angekündigt – unter anderem ein großes Konjunkturpaket – die er ohne die Hilfe der Republikaner im Senat kaum durchsetzen kann.

Außenpolitisch steht Biden etwa bei der Klimapolitik im Wort – er hat nicht nur der amerikanischen Bevölkerung, sondern auch der Staatengemeinschaft für den Fall seines Wahlsiegs eine Rückkehr der USA zu internationalen Klimaschutz-Abkommen in Aussicht gestellt. Auch hierfür wird er den Senat brauchen.

Die große Frage für Biden wird sein, wie sich die Republikaner im Senat verhalten. Wird sich ein harter Konfrontationskurs durchsetzen oder ist nach Ende der Ära Trump ein moderaterer, kompromiss- und konsensbereiter Weg denkbar?

Vielleicht kommt dem neuen Präsidenten bei der Auslotung der Möglichkeiten seine eigene Erfahrung als Senator zugute: Joe Biden war 36 Jahre lang Senator seines Heimatstaates Delaware und hat unter anderem den wichtigen Auswärtigen Ausschuss geleitet.

Verwendete Quelle:

  • Website des United States Senate
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