Im US-Wahlkampf liefert Donald Trump so viele Angriffspunkte, dass die E-Mail-Affäre um Hillary Clinton völlig in den Hintergrund gedrängt wird. Was Clinton vorgeworfen wird und warum diese Geschichte beinahe ihre Präsidentschaftskandidatur beendet hätte, erklärt USA-Experte Dr. Martin Thunert.

Ein Interview

Es geht um die nationale Sicherheit der USA. Das mag wie ein Intro für einen Politthriller klingen, ist aber real und in diesen Tagen präsenter denn je.

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Hillary Clinton sieht sich vor der US-Wahl 2016 schwerwiegenden Vorwürfen in der E-Mail-Affäre ausgesetzt. Ihr Widersacher, der Republikaner Donald Trump, versucht, die pikante Geschichte im Wahlkampf gegen die Demokratin auszuspielen.

Was es mit der E-Mail-Affäre auf sich hat und wieso sie Clinton beinahe die Präsidentschaftskandidatur gekostet hätte, erklärt USA-Kenner Dr. Martin Thunert im Interview mit unserer Redaktion.

Herr Thunert, Hillary Clinton macht sich vor der US-Wahl wegen der sogenannten E-Mail-Affäre angreifbar. Worum geht es genau?
Dr. Martin Thunert: Es geht darum, dass sie als Außenministerin der Vereinigten Staaten (2009 – 2013, Anm. d. Red.) einst ihren gesamten E-Mail-Verkehr nicht über einen Server abgewickelt hat, der im Außenministerium stand, sondern bei ihr zu Hause in einem Vorort von New York. Und dort wohl in einer Scheune. Hier hat keine Trennung stattgefunden. Zudem haben FBI-Ermittler festgestellt, dass über 30.000 Mails gelöscht wurden. Sie behauptet, es seien harmlose E-Mails gewesen, etwa Verabredungen in den Fitness-Club. Die amerikanischen Behörden gehen davon aus, dass einige E-Mails aber von den Russen gehackt wurden.

Der Vorwurf ist also, dass sie zu leichtsinnig war?
Genau. Es gibt zwei Vorwürfe. Als US-Außenministerin wickelte sie auch E-Mails ab, die der Geheimhaltung unterlagen. Erstens wurde vonseiten des FBI geprüft, ob sie die Sicherheit der USA bedroht hat, weil eben solche E-Mails darunter gewesen sein könnten. Zweitens werfen ihre Gegner ihr vor, dass es kein Versehen war.

Sondern?
Dass sie die Verbindung zwischen ihrer Arbeit als Außenministerin und ihrem Engagement als Co-Vorsitzende der Clinton-Stiftung vertuschen wollte. Man hätte ihr nachweisen können, dass Leute, die bereit waren, für ihre Stiftung zu spenden, bei der Außenministerin eher Gehör fanden.

Sie hat demnach private Interessen mit beruflichen vermischt.
Diesen Vorwurf hat Trump nochmal aufgegriffen. Es muss wohl Hinweise auf Mails gegeben haben, die auf eine Verbindung von Spenden für ihre Stiftung und ihre Arbeit als Außenministerin hingedeutet haben, aber es gibt keinen klaren Beweis dafür.

Hat sie sich juristisch strafbar gemacht oder im Fall der Fälle nur moralisch?
Es gab Ermittlungen des FBI bis Juli. Das FBI bewertete die E-Mails nicht so gravierend, dass Anklage hätte erhoben werden müssen. Wenn Anklage erhoben worden wäre, hätte sie wohl auf ihre Kandidatur verzichten müssen. Die Trump-Leute sind nun der Meinung, dass das FBI von der Justizministerin Loretta Lynch beeinflusst wurde, die ebenfalls Demokratin ist. Dafür gibt es keine Beweise. Es soll aber ein Treffen zwischen Bill Clinton und Lynch auf dem Rollfeld eines Flughafens im Flugzeug der Ministerin gegeben haben. Viele fragen sich, warum Lynch das Flugzeug anhielt, um mit Hillary Clintons Ehemann zu sprechen. Die Behörden sagen dagegen: Ja, Hillary war extrem nachlässig, mehr aber auch nicht.

In der Affäre fällt immer wieder der Name John Podesta. Welche Rolle spielt er?
Nun ja, er ist Hillary Clintons Wahlkampfmanager. Er hat die Clintons und die Obamas seit 20 Jahren beraten. Bei Bill Clinton war er am Ende Stabschef im Weißen Haus. Er versucht, sie gut dastehen zu lassen. Es wurden aber auch gehackte E-Mails von ihm aus dem Wahlkampf für Barack Obama 2008 veröffentlicht, damals noch innerparteilich bei den Vorwahlen gegen Hillary Clinton. Auch hier wird davon ausgegangen, dass der russische Geheimdienst dahintersteckt. Es sollte wohl gezeigt werden, dass er gar nicht gut über Hillary Clinton denkt.

Wie sieht es bei Huma Abedin aus, ihrer vielbeschworenen "rechten Hand"?
Viele gehen davon aus, dass sie Stabschefin wird, sollte Clinton Präsidentin werden. Sie war mitverantwortlich für die Stiftung und gleichzeitig Büroleiterin Clintons im Außenministerium. Kämen die E-Mails an die Öffentlichkeit, würde eventuell publik, dass es zwischen ihren beiden Funktionen ebenfalls keine Trennung gab. Sie soll diejenige gewesen sein, die Anfragen entgegennahm und den Leuten klarmachte, dass das viel schneller ginge, wenn sie an die Stiftung spenden würden.

Klingt verdächtig.
Hillary Clinton hat es immer wieder geschafft, von diesem Thema abzulenken. Trump war da schwach, hat in den TV-Debatten nicht genügend nachgebohrt. Als der Moderator sie fragte, wie denn das mit der Stiftung gewesen sei, fing sie einfach an zu erzählen, welch wunderbare Sachen ihre Stiftung mache. Er hat eine Gelegenheit verstreichen lassen, eine Schwachstelle bei ihr aufzudecken. Da sah man, wie schlecht er vorbereitet war.

Zusammenfassend: Ist die E-Mail-Affäre beispielhaft dafür, warum ein "Sauberfrau"-Image Clintons infrage gestellt wird?
Ich bin mir nicht sicher, ob sie jemals ein solches Image hatte. Wenn jemand 30 Jahre lang in machtvollen Positionen in der Politik ist, hat er oder sie immer Angriffsflächen. Was ihr nun vorgeworfen wird, ist aber sicher schwerwiegender als das, was man ihr vielleicht noch vor 20 Jahren vorhielt, als sie einige der Damen eingeschüchtert haben soll, mit denen Bill Clinton sie wohl betrogen hat. Was die E-Mails wahrscheinlich noch zeigen würden ist, dass sie in ihren Reden vor den Banken die Kredithäuser eben nicht so hart angepackt hat, wie sie angibt, sondern diesen vielmehr nach dem Mund geredet hat. Es wird ihr aber nicht zum Nachteil, weil wir es mit einer Trump-Verhinderungswahl zu tun haben. Viele Leute sagen: Sie ist die einzige, die zwischen uns und Trump steht, sie hat zwar keine "weiße Weste", ist aber wenigstens kompetent.

Dr. Martin Thunert ist Dozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Sein Institut erforscht und analysiert interdisziplinär historische, kulturelle, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen in den USA.
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