Am Sonntag (29. September) ist Wahltag in Österreich. Seit den vorgezogenen Wahlen im Jahr 2019 werden die Österreicherinnen und Österreicher von einem Bündnis aus ÖVP und Grünen regiert. Das wird nach der Wahl allen Umfragen zufolge nicht mehr möglich sein. Welche Konstellationen sind dann denkbar? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

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Wann wird gewählt und wer darf wählen?

Rund 6,3 Millionen Menschen sind am Sonntag (29. September) zur Wahl aufgerufen. Die letzte Nationalratswahl fand 2019 statt, damals wurden die Wahlen vorgezogen. Die Öffnungszeiten der Wahllokale sind nicht einheitlich und unterscheiden sich mitunter stark.

Frühestens öffnen Wahllokale um 6:00 Uhr, der Großteil um 8:00 Uhr, manche aber auch erst um 9:00 Uhr. Spätestens kann bis 17:00 Uhr gewählt werden, manche Wahllokale machen aber auch bereits um 13:00 Uhr wieder zu. Die Öffnungszeiten der Wahllokale findet man auf der Website des Innenministeriums. Wählen dürfen am Sonntag alle Österreicherinnen und Österreicher ab einem Alter von 16 Jahren.

Welche Parteien treten an?

Insgesamt treten elf Parteien bei der Nationalratswahl an. Dazu zählt die ÖVP, die christdemokratisch-konservative Werte vertritt und mit der deutschen CDU/CSU vergleichbar ist. Ambitionen auf das Kanzleramt hat auch die FPÖ, die als rechtsnational gilt und oft mit der AfD verglichen wird. Sie hatte bereits die EU-Wahl im Juli gewonnen und landete damals mit 25,4 Prozent der Stimmen knapp vor der ÖVP.

Die sozialdemokratische SPÖ kam in den Nachkriegsjahren auf Werte von weit über 40 Prozent und war bestimmende politische Kraft in Österreich. Sie hat aber seit der Jahrtausendwende – ähnlich wie die SPD in Deutschland – deutlich an Zuspruch verloren. Die Grünen sind ebenfalls im Abwärtstrend und dürften gemeinsam mit der schwarz-grünen Koalition abgewählt werden. Immer wieder hatte es zwischen ÖVP und Grünen Spannungen gegeben, die Regierung gilt inzwischen als gescheitert.

Hinter dem Kürzel NEOS steckt die liberale Partei "Neues Österreich". Sie wurde 2012 gegründet und gehört im EU-Parlament zur selben Fraktion wie die FDP. Zu den weiteren Parteien zählen die einst als Satire gegründete linksliberale Kleinpartei "Bier" und die kommunistische Partei Österreichs (KPÖ). Erstmals bundesweit auf dem Stimmzettel sind die Liste Gaza, die Liste Madeleine Petrovic, die MFG Partei sowie die Partei "Keine von denen".

Wer sind die Spitzenkandidaten?

Der Spitzenkandidat der ÖVP ist der amtierende Kanzler Karl Nehammer, der zuvor auch schon Innenminister war. Zwar liegt die ÖVP in den Umfragen hinter der FPÖ, die Beliebtheitswerte von Nehammer sind aber hoch: Gäbe es eine Direktwahl des Kanzlers, läge er laut einer Umfrage vor dem Kandidaten der FPÖ, Herbert Kickl.

Unter Kickl hat sich die FPÖ weiter radikalisiert, er ist umstritten und gilt selbst für FPÖ-Verhältnisse als extrem. Er trat beispielsweise in der Vergangenheit bei dem rechtsextremen Kongress "Verteidiger Europas" als Gastredner auf und hat die FPÖ immer näher an die Positionen der Identitären Bewegung gerückt. Außerdem wird ihm eine Nähe zu Russland nachgesagt.

Die SPÖ geht mit ihrem Parteivorsitzenden Andreas Babler ins Rennen. Er ist Bürgermeister der Stadtgemeinde Traiskirchen, in der sich ein zentrales Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Österreich befindet. Spitzenkandidat der Grünen ist der aktuelle Vizekanzler und Wirtschaftswissenschaftler Werner Kogler, die Nummer eins bei den NEOS ist die Juristin Beate Meinl-Reisinger.

Wie wird gewählt?

Grundsätzlich reicht es, ein Kreuz bei der Partei zu machen, die man wählen möchte. Wählerinnen und Wähler haben zusätzlich die Möglichkeit, sogenannte Vorzugsstimmen zu vergeben. Mit diesen Vorzugsstimmen, die man einmal für Bundes-, Landes- und Regionalebene vergeben darf, kann man den Einzug eines Kandidaten in den Nationalrat beeinflussen. Bei ausreichend Vorzugsstimmen kann ein Kandidat auch unabhängig von seinem Listenplatz einen Sitz im Nationalrat erhalten.

Wer nicht im Wahllokal wählen kann oder möchte, kann per Wahlkarte abstimmen. Die Frist, um sie schriftlich zu beantragen, ist bereits abgelaufen. Man konnte sie aber noch bis zum 27. September mündlich oder persönlich beantragen. Die Wahlkarte selbst muss bis spätestens 17:00 Uhr am Wahltag bei der Bezirkswahlbehörde eingehen.

Was besagen die aktuellen Umfragen? Wer liegt vorn?

Die rechtsnationale FPÖ hat sich von der Ibiza-Affäre erholt und liegt in allen Umfragen vorn. Zuletzt wurde der Abstand zwischen FPÖ und ÖVP aber immer knapper. Bei der Wahl 2019 kam die FPÖ noch auf 16,2 Prozent der Stimmen, aktuell liegt sie wieder bei Werten um die 27 Prozent. Die ÖVP landet knapp dahinter (25 Prozent), es folgen die SPÖ (21 Prozent), die Grünen und NEOS (9 Prozent). Mit einem solchen Ergebnis würden die Grünen fast die Hälfte ihrer Wählerschaft verlieren, auch die ÖVP und SPÖ müssen eins der schlechtesten Ergebnisse der Nachkriegszeit befürchten.

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Welche Themen haben den Wahlkampf bestimmt?

Ähnlich wie in seinen Nachbarländern dominieren auch in Österreich Migration und innere Sicherheit den Wahlkampf. Auch die gestiegenen Preise waren ein großes Thema. Laut Umfragen ist den Österreicherinnen und Österreichern das Thema soziale Sicherheit sogar wichtiger als die Themen Asyl und Migration. Denn die Wirtschaftslage ist angespannt: Die Inflationsrate ist zwar von über sieben Prozent wieder auf 2,3 Prozent gefallen, doch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst kaum. Durch Hochwasserereignisse in vielen Teilen des Landes ist auch das Thema Klimaschutz wieder deutlich nach oben gerückt.

Was sind die möglichen politischen Auswirkungen der Wahl?

Österreich steht vor einem politischen Neustart. Die schwarz-grüne Regierung dürfte deutlich abgewählt werden, die FPÖ hingegen starke Zugewinne einfahren. Mitregiert hat die FPÖ auf Bundesebene schon: Bereits fünfmal war sie Koalitionspartner, zuletzt von der konservativen ÖVP. Einen FPÖ-Kanzler gab es allerdings noch nicht. Nun könnte die FPÖ zum ersten Mal in der österreichischen Geschichte stärkste Kraft werden.

Dass der künftige Kanzler Kickl heißt, ist damit aber noch nicht ausgemacht. Die FPÖ bräuchte für eine Regierung einen Juniorpartner, es gilt als unwahrscheinlich, dass sich die ÖVP dafür andient. Eine große Koalition aus ÖVP und SPÖ hätte rechnerisch allerdings auch keine Mehrheit. Denkbar ist aber auch – wie in Deutschland , dass erstmals eine Dreier-Koalition regiert.

Ein solches Bündnis könnte aus ÖVP, SPÖ und Grünen oder ÖVP, SPÖ und NEOS bestehen. Erstmals könnten auch die Kleinparteien KPÖ und die Bierpartei im Nationalrat vertreten sein. Sie kommen in Umfragen auf Werte zwischen drei und sechs Prozent. Dann wären bis zu sieben statt bisher fünf Parteien im Nationalrat vertreten.

Verwendete Quellen

Österreichs Rechtspopulisten kämpfen ums Kanzleramt

Österreich steht vor einer möglichen Zäsur

Die FPÖ könnte bei der Wahl am kommenden Sonntag erstmals stärkste Kraft werden. Der Politikexperte Thomas Hofer sieht das Rennen allerdings noch offen. In der Hochwasserkatastrophe hatte sich die Regierung von ÖVP-Kanzler Nehammer zuletzt profilieren können.
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