Malu Dreyer ist der letzte Star der westdeutschen SPD. In Rheinland-Pfalz kämpft sie nun um ihre Wiederwahl als Ministerpräsidentin. Gefühlt ein Selbstläufer. Doch neue Umfragen zeigen - es wird eng. Und ein weithin unbekannter CDU-Provinzpolitiker punktet plötzlich. Wer ist dieser Christian Baldauf?

Dr. Wolfram Weimer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

Mehr aktuelle News

Am 14. März findet die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz statt. Die amtierende Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gilt bundesweit als gefühlte Favoritin und selbstverständliche Siegerin, so dass sich kaum jemand für den Wahlkampf in der Pfalz interessiert. Doch nun zeigt sich - es könnte zu einer Überraschung kommen. In aktuellen Umfragen deutet sich ein spannender Wahlausgang an.

Die CDU dürfte demnach ihr letztes Wahlergebnis (31,8 Prozent) verbessern und liegt bei allen drei Forschungsinstituten (Infratest, Forschungsgruppe Wahlen und INSA) jetzt bei 33 Prozent. Der SPD werden hingegen klare Verluste voraus gesagt. Sie lag beim letzten Mal noch bei 36,2 Prozent, diesmal wird sie von den Instituten nur noch zwischen 28 und 31 Prozent taxiert. Damit käme es zu einer Wachablösung in der Rolle der stärksten Partei - und zu heißen Koalitionsverhandlungen.

Kann Malu Dreyer ihre Macht in Rheinland-Pfalz verteidigen?

In der Berliner SPD-Parteizentrale herrscht deswegen Alarmstimmung: Wenn nämlich eine Malu Dreyer ihre Macht nicht verteidigen kann, dann wäre das auch für die SPD mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst ein fatales Signal, zumal die Sozialdemokraten in Baden-Württemberg (dort wird ebenfalls am 14. März gewählt) nach neuesten Umfragen gerade noch 10 Prozent der Stimmen erwarten können.

Die SPD regiert Rheinland-Pfalz seit 1991 - und nach 30 Jahren zeigen sich die üblichen Abnutzungserscheinungen der Macht, die Lokalpresse meldet immer häufiger "Günstlingswirtschaft", "Beförderungsaffären" und "Finanzskandale". Auch Dreyer wird in Mainz als „zusehends dünnhäutig“ wahrgenommen, ihrer Politik fehle ein innovativer Impuls. Dass bislang trotzdem keine breite Wechselstimmung im Land aufgekommen ist, liegt gleichwohl an ihrem Charisma. Ihre persönlichen Beliebtheitswerte haben die pfälzische SPD immer wieder gerettet.

Christian Baldauf könnte Malu Dreyer mit ihren eigenen Waffen schlagen

Dass es diesmal anders kommen könnte, liegt auch am neuen Herausforderer Dreyers. Denn die CDU zieht mit einem Spitzenkandidaten in den Wahlkampf, der Dreyer mit ihren eigenen Waffen schlägt: Konzilianz und Verbindlichkeit. Christian Baldauf sieht aus wie Dieter Nuhr und spricht wie Eckart von Hirschhausen. Er ist kein Mann der lauten Töne, mehr Typus Landarzt, ein zweifacher Familienvater, der sich jeden persönlichen Angriff auf Dreyer verkneift. Im Gegenteil - er schreibt ihr sogar handschriftliche Weihnachtskarten.

Baldauf ist bundespolitisch weithin unbekannt. "Christian, wer?" fragen sie in Berlin, wo sich keiner recht vorstellen kann, dass ausgerechnet der Mann aus der tiefen Provinz neuer Ministerpräsident werden wird. Doch Baldauf führt just aus diesem Image heraus einen geschickten, radikal lokalen Wahlkampf. Mit Stolz auf seine Herkunft aus Frankenthal an der Isenach adressiert er aus Sicht der kleinsten Gemeinden die landespolitischen Schwächen vom Impfchaos über die Bildungskrise bis hin zur finanziellen Überschuldung vieler pfälzischer Kommunen.

Christian Baldauf – sein Programm trifft an der Basis auf offene Ohren

Erstmals in der CDU-Parteigeschichte wird sogar das Programm auf 14 Regionen in Rheinland-Pfalz herunter gebrochen. Das "Abgehängtsein" ist ein zentrales Stimmungsbild in der Pfalz und genau darauf geht er ein. Baldauf ist der Herold des ländlichen Raums, unentwegt fordert er gleichwertige Lebensverhältnisse. Gerade sein Bekenntnis zur Provinz macht ihn für die Menschen vor Ort glaubwürdig.

Wenn Baldauf im Wahlkampf berichtet, dass nur zwei Prozent der bundesweiten Start-Ups aus Rheinland-Pfalz kämen, dass auf dem Land viele Kinder nicht mehr schwimmen lernen würden (in seinem Programm fordert er das "Seepferchen für alle Grundschüler"), dass die Gesundheitsversorgung in Landkreisen schlecht sei, dass weiträumig die Straßen nicht ordentlich repariert und ausgebaut würden, dass die Brücken marode seien, dass Kinder aus Dörfern endlich bessere Bildungschancen bräuchten, weil "mehr als ein Drittel der Schüler in Rheinland-Pfalz am Ende der vierten Klasse nicht richtig lesen und schreiben können" - dann trifft er an der pfälzischen Basis auf offene Ohren.

Ein heikler Koalitionspoker ist möglich

Sollte Baldauf tatsächlich die CDU wieder zur stärksten Partei in Rheinland-Pfalz machen, dann kommt es in Mainz zu spannenden Koalitionsverhandlungen. Denn FDP und Grüne könnten auch mit der Baldauf-CDU regieren. Er pflegt in beide Parteien hinein gute Kontakte und hat schon einmal - beim Bezirkstag der Pfalz - eine ungewöhnliche Koalition mit SPD und Grünen gebildet. Umgekehrt ist er auch vorstellbar in der Juniorrolle einer Großen Koalition. Er könnte auch noch vier Jahre mit Malu Dreyer regieren und sie dann erst beerben.

Denn Baldauf ist in seinem Habitus ein Teamplayer-Vereinsmensch, Mitglied in einem Männerchor, kein ehrgeiziger Solist. Er konnte jahrelang dem CDU-Star Julia Klöckner loyal die CDU-Bühne bauen und auf seine Gelegenheit warten. Nun ist sie da. Auf dem CDU-Parteitag wurde er mit 872 Stimmen und damit mit dem besten Ergebnis aller in den CDU-Bundesvorstand gewählt. Und wenn er tatsächlich im März einen relativen Wahlsieg erringt und ein heikles Koalitionspoker beginnt, wird er Ruhe bewahren und leise sondieren.

So wie auf seinem Tauchausflug vor zwei Jahren in Südafrika, als ihm ein weißer Hai gefährlich nahe kam, ein anderer Hai die Flosse auf seine Go-Pro-Kamera schlug. Baldauf schwamm ruhig weiter und spürte Sardinenschwärmen nach. Für einen, der die Provinz zum Programm macht, an einem Baggersee bei Speyer tauchen gelernt hat und immer noch treuer Westkurvenfan des 1. FC. Kaiserslautern ist, gilt vor allem - in der Ruhe liegt die Kraft.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.