Beim "Schlagabtausch" zwischen FDP, Linkspartei, Grünen und AfD sprach sich AfD-Chef Jörg Meuthen für die Abschaffung des EU-Parlaments aus - und musste Spott über sich ergehen lassen. Die Grüne Ska Keller kämpfte dagegen gut gelaunt und selbstbewusst für mehr Europa.

Eine Kritik

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Nach dem TV-Duell der Spitzenkandidaten Manfred Weber (Europäische Volkspartei) und Frans Timmermans (Sozialdemokratische Partei Europas) kam es im ZDF zum Schlagabtausch der kleinen Parteien.

Dabei präsentierten Nicola Beer (FDP), Özlem Demirel (Die Linke), Jörg Meuthen (AfD) und die Grüne Ska Keller ihre Lösungen für gegenwärtige Probleme sowie Ideen für die Zukunft der Union.

Was ist das Thema?

Während es beim großen TV-Duell auf der zwischenmenschlichen Ebene freundlich zuging, fuhren die Teilnehmer der kleinen Parteien schwerere Geschütze auf.

Besonders Jörg Meuthen, der Ska Keller eine "Vertreterin der Ökopopulisten" bezeichnete und erklärte, die Teilnehmer der "Fridays for Future"-Demonstrationen seien einer "systematischen Gehirnwäsche" unterzogen worden.

Aber Meuthen musste sich auch polemische Widerworte gefallen lassen. So machte sich Özlem Demirel über seinen Professoren-Titel lustig.

Wer sind die Gäste?

Jörg Meuthen

Gefundenes Fressen für den AfD-Mann: Gleich der erste Themenblock befasste sich mit Flucht und Migration.

Meuthen sprach sich im Mittelmeer für ein Vorgehen vergleichbar der "No Way"-Politik Australiens aus. Sämtliche im Meer aufgegriffene Flüchtlinge sollen konsequent an den Ursprungsort ihrer Fahrt zurückgebracht werden. Dann würde niemand mehr die Flucht versuchen und es gäbe keine Toten mehr, so Meuthens Logik.

Zudem kündigte er die Gründung einer Fraktion der rechten Parteien im neuen EU-Parlament an, der unter anderem die italienische Lega und die FPÖ aus Österreich angehören soll.

Meuthen würde das EU-Parlament sowieso am liebsten abschaffen. Denn dort seien "viel zu viele Menschen mit viel zu vielen Aufgaben befasst, die es nicht bedarf." Ein angriffslustiger Auftritt des AfD-Spitzenkandidaten.

Özlem Demirel

Die EU, die sich die Linken-Spitzenkandidatin vorstellt, hat mit der des AfD-Mannes höchstens den Namen gemein.

Demirel will ein solidarisches und gerechteres Europa. Konkret: europaweite armutsfeste Mindestlöhne, mehr Investition in die soziale Infrastruktur, eine gerechtere Besteuerung von großen Unternehmen und eine stärkere Besteuerung von Superreichen.

Der AfD warf sie vor, "nichts mit Menschlichkeit" zu tun zu haben, als es um die Migrationspolitik ging.

Um Fluchtursachen zu bekämpfen, sind in ihren Augen ein Stopp von Rüstungsexporten in Krisenländer und eine gerechtere Handelspolitik nötig. Demirel gab das gute Gewissen in der Runde.

Ska Keller

Die Grüne warb mit einem klaren, positiven Bekenntnis für Europa. "Die Europäische Union ist nicht ohne Fehler, aber es ist dennoch die beste Idee, die wir je auf diesem Kontinent hatten".

Keller kritisiert das Fehlen einer gemeinsamen europäischen Seenotrettung und forderte endlich eine solidarische Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten. Notfalls durch eine Gruppe von willigen Ländern, die "zusammengehen und zeigen, es funktioniert".

Anders als Meuthen, dem mehr Befugnisse für Brüssel ein Graus sind, sprach Keller von der "Idee einer europäischen Republik".

Schließlich forderte sie eine ökologische Wende und wünschte sich von der Automobilindustrie endlich ein flottes europäisches E-Auto für den Normalverbraucher. So fröhlich wie Keller hat schon lange keiner mehr für Europa getrommelt.

Nicola Beer

Auch die FDP-Politikerin warb für die europäische Idee und grenzte sich damit von Meuthen ab, der in der EU allein dem Binnenmarkt etwas Positives abgewinnen konnte.

Das größte Versagen Brüssels sei die fehlende gemeinsame Migrationspolitik, so Beer, d.h. ein Instrument, um Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu regeln.

Sie will im neuen EU-Parlament eine "Modernisierungsallianz" schaffen, den Mittelstand stärken sowie kleine und mittlere Einkommen von Sozialausgaben entlasten.

Beer blieb in der Runde angesichts der scharfen Themen-Profile ihrer Mitstreiter ein wenig blass und schien manchmal lediglich Sätze aus dem FDP-Programm aufzusagen.

Was war das Rededuell des Abends?

Özlem Demirel bedankte sich herzlich bei den "Fridays for Future"-Demonstranten für deren Engagement. Jörg Meuthen gefiel das gar nicht. Die Schüler seien einer systematischen Gehirnwäsche unterzogen worden, behauptete er.

"Sie glauben jetzt ernsthaft, dass junge Menschen blöd sind?", fragte daraufhin Demirel spitz. "Nicht blöd. Sie werden gezielt fehlinformiert in Richtung erneuerbare Energien", erwiderte Meuthen.

"Die haben mehr von Wissenschaft verstanden als Sie. Sie sind Professor, glaube ich", spottete Demirel. Meuthen bejahte dies, woraufhin die Linke-Politikerin ätzte: "Das ist aber schade. Manchmal wundere ich mich, was hierzulande Professor ist." Den Spruch ignorierte Meuthen.

Was war der Moment (ODER Lacher) des Abends?

Ein Versprecher von Moderator Matthias Fornoff. "Der linke und rechte Populismus zählt zu den Hauptproblemen der EU, sagt die AfD", sprach Fornoff. Das sorgte unter den Gästen und im Publikum für viele lachende Gesichter. Gemeint war eigentlich die FDP.

Was ist das Fazit?

Eine unterhaltsame Debatte mit angriffslustigen Gästen, in der die Unterschiede zwischen den Parteien klar sichtbar wurden.

Besonders AfD-Chef Meuthen polarisierte mit seinen Aussagen und ging Keller und Demirel, die ihrerseits kein gutes Haar am Rechtsaußen-Politiker ließen, immer wieder an.

Um das Verständnis für die EU, ihre Projekte und ihre innere Verfasstheit zu erhöhen, wäre regelmäßige Debatten wie diese Fall hilfreich. Sie könnten vielleicht dazu beitragen, die EU-Verdrossenheit ein wenig zu verringern. Und das wäre - abgesehen von Jörg Meuthen - ganz im Sinne aller Diskutanten beim ZDF-"Schlagabtausch".

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