Sie sind jung, hübsch – und gerade jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, auffällig aktiv auf Instagram und Co. Als bekennende Alice-Weidel-Fans verbreiten sie Bilder und Videos voller rechter Ideologien. Das Skurrile daran: Die Influencerinnen existieren nicht wirklich – sie sind KI-generiert.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lara Lattek sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Eine junge Frau sitzt auf dem Sofa. Ihr hellbraunes Haar fällt ihr über die Schultern, umrahmt ihr makelloses Gesicht. Die Augen sind groß und blau, die Lippen hellrot geschminkt. Ihre Haut ist glatt, als wäre sie mit mehreren Weichzeichnern retuschiert worden.

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Larissa Wagner – 22 Jahre alt, Brandenburgerin, Dorfkind und "Katzenmammi" – so stellt sie sich auf ihrem Instagram-Profil vor. Und als "AI-Mädel". Das heißt: Larissa Wagner gibt es nicht wirklich. Sie ist das Produkt einer künstlichen Intelligenz. Sobald man auf eines ihrer Videos klickt und sie anfängt, zu sprechen, wird das mehr als deutlich.

Denn ihr Blick bleibt dabei starr und leer in die Kamera gerichtet. Ihre Bewegungen sind steif, wie die einer Puppe. Ihre Lippen sprechen, doch die restlichen Gesichtszüge zeigen keinerlei Regung. Die Stimme, weiblich, doch zugleich mechanisch – sie gleicht der eines Roboters.

Die KI-Influencerin ist eine von vielen auf Instagram, TikTok und anderen Social-Media-Plattformen. Sie alle sind jung, weiblich und viele würden sagen: sehr hübsch. Ganz nebenbei verbreitet sie antifeministische, rassistische und queer-feindliche Botschaften.

Auf ihrem Instagram-Profil macht die KI-Influencerin "Larissa Wagner" Wahlwerbung für AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel. (Quelle: Instagram)

KI-Influencerinnen: rechte Einflussnahme im Netz

So forderte "Larissa" nach dem Sturz Assads alle Syrer in Deutschland auf, nun "ihre Koffer zu packen und zu gehen". "Lara", die sich äußerlich bis auf ihre blonden Haare kaum von "Larissa" unterscheidet, postete ein Bild von sich vor einer Deutschlandflagge. Neben ihr stehen die Worte "Fck Grn" und "Stolz statt woke". Und auf "Sophias" T-Shirt steht unverblümt das Wort "Remigration" – ein von Rechtsextremen vereinnahmter Begriff für die Forderung nach zwangsweiser Rückführung von Migranten.

Johanna Niendorf forscht u.a. zu Geschlechterverhältnissen, Sexismus, Antifeminismus und Antisemitismus. © Privat

Zwischen diesen rechtsextremen Botschaften teilen die KI-Frauen auch harmlose Bilder von sich am Strand oder beim Sport, die ihren ganz normalen Alltag zeigen sollen. Dennoch bleibt die politische Ausrichtung ihrer Profile eindeutig.

"Diese KI-generierten Bilder sollen Ästhetik mit rechten, menschenfeindlichen Positionen kombinieren", erklärt Johanna Niendorf vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut in Leipzig. Sie sieht darin eine gezielte Strategie der Rechten: Da in den sozialen Medien tagtäglich nahezu perfekte Bilder von Menschen gezeigt würden, wirkten diese Darstellungen vertraut und nahbar. Das könne dazu führen, dass die dort transportierten rechten Ideologien immer normaler erscheinen.

Offensive Wahlwerbung für Alice Weidel

Auffällig dabei ist die Nähe der KI-Influencerinnen zur AfD, die sie nicht verbergen. Im Gegenteil: Ihre Accounts sind übersät mit blauen Herzen, sie werben offen für die Kanzlerkandidatin Alice Weidel und rufen dazu auf, die AfD-Chefin zu wählen. "Larissa" lobt in einem Beitrag etwa Weidels "starken Auftritt mit Elon Musk" beim Wahlkampfauftakt der AfD in Halle, der sie und viele andere tief beeindruckt habe. So wie "Aylin", die offen kundtut "nur noch die AfD" zu wählen.

"Man kann davon ausgehen, dass diese Frauen gezielt dafür eingesetzt werden, Wählerstimmen für die AfD zu gewinnen", sagt Niendorf.

Ein Blick auf die aktuellen Umfragen von infratest dimap (Stand: 20.02.2025) zeigt, dass die AfD mit 21 Prozent der Wählerstimmen derzeit auf Platz zwei liegt, hinter der Union mit 32 Prozent. Ob und welchen Einfluss die die KI-Influencerinnen tatsächlich auf die Zustimmungswerte der AfD haben, ist schwer zu sagen.

"Dass sie die diesjährige Bundestagswahl beeinflussen halte ich für unwahrscheinlich.", sagt Niendorf. Denn: Die Qualität ihrer Videos sei noch zu schlecht, und die Interaktion auf diesen Profilen derzeit noch zu gering.

So hat "Larissa" als eine der präsentesten KI-Influencerinnen gerade einmal knapp über 600 Follower auf Instagram, und ihre Beiträge erhalten meist nur eine Handvoll Kommentare. Zumindest auf X erreicht sie mit 4.300 Followern schon etwas mehr Menschen.

Doch, wenn auch noch nicht jetzt, so könnten Bedeutung und Reichweite solcher Profile in Zukunft deutlich zunehmen, sagt Niendorf. "Vor allem dann, wenn sich die Qualität weiter verbessert – und das geschieht derzeit mit enormer Geschwindigkeit." So seien die Profile der KI-Influencerinnen derzeit noch eine Art "Probeversuch", der gerade erst ins Rollen kommt.

Die AfD als Strippenzieher?

Dass die AfD davon in den nächsten Jahren enorm profitieren könnte, legt nahe, dass die Partei selbst hinter den Profilen steckt oder zumindest darin verwickelt ist. Verstärkt wird der Eindruck durch "Larissas" Inszenierung als Praktikantin des rechten Compact-Magazins – das in enger Verbindung zur AfD steht und als Sprachrohr der rechtspopulistischen Partei gilt.

"Das zeigt auf jeden Fall eine Nähe zur AfD, auch wenn wir nicht mit Sicherheit sagen können, wer sich genau hinter diesen Profilen verbirgt", erklärt Niendorf. Sie geht davon aus, dass es sich um eine ganze Bandbreite von Akteuren handele – von professionellen Agenturen bis hin zu politischen Organisationen oder auch Einzelpersonen.

Frauen als Instrument, um Frauen zu mobilisieren

Dabei sei es kein Zufall, dass Frauen für diese Accounts instrumentalisiert werden – eine altbekannte Strategie extremer Rechter, ordnet Niendorf ein. "Frauen können authentischer über gewisse Themen sprechen, wie zum Beispiel Probleme in der Familienpolitik" – was nebenbei den Zweck erfüllen solle, mehr Frauen als Wähler für die AfD zu gewinnen.

Vor allem, weil aktuell der Anteil der männlichen Wählerschaft der AfD deutlich höher als der der Frauen ist. So wählten dem Deutschlandfunk zufolge bei der Europawahl 2024 über 20 % insbesondere junge Männer im Alter von 16 bis 24 Jahren die AfD, was im Vergleich zu den jungen Frauen nahezu doppelt so hoch ist. Und auch bei den letzten Landtagswahlen in Thüringen lag der Stimmenanteil unter jungen Männern sogar bei 38 %.

"Man kann davon ausgehen, dass diese Frauen gezielt dafür eingesetzt werden, Wählerstimmen für die AfD zu gewinnen"

Johanna Niendorf

Wer sich schließlich von den KI-Influencerinnen angesprochen fühle, sei laut Niendorf nicht geschlechterabhängig – denn vor allem gefährdet seien die "ganz Jungen", die viel Zeit in sozialen Medien verbringen. "Sie werden quasi permanent mit solchen Inhalten beschallt und dadurch ein Stück weit sozialisiert", erklärt sie. Wenn KI-generierte Videos und Bilder immer alltäglicher werden, werde es vermutlich immer schwieriger, diese als Fake zu erkennen.

Allerdings, so Niendorf, sei es vielen Menschen auch egal, ob diese KI-Frauen echt seien oder nicht. Vielmehr gehe es ihnen darum, die eigene Meinung bestätigt zu sehen und dadurch eine gewisse Sicherheit zu erleben. "In einer Zeit, in der die Realität krisenhaft und für viele beängstigend ist, finden die Menschen in den rechten Aussagen dieser KI-Frauen vermeintlich einfache Antworten. Diese Antworten bieten eine Art Beruhigung, auch wenn sie in Wirklichkeit die komplexen gesellschaftlichen Probleme nicht lösen, sondern verschlimmern".

Denn diese Realitätsflucht verhindere, dass sich Menschen in demokratische Prozesse einbringen. Niendorf warnt eindringlich davor, KI den Feinden der Demokratie zu überlassen. "KI ist nichts pauschal Negatives. Sie hat viel Potenzial. Dieses Potenzial kann als Werkzeug genutzt werden, eine demokratische Gesellschaft aktiv mitzugestalten." Dafür sei es wichtig, auch über die Verwendung von KI demokratisch mitzubestimmen – unabhängig von den Interessen einzelner großer Unternehmen.

Über die Gesprächspartnerin:

  • Johanna Niendorf ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig. Spezialisiert hat sie sich auf Themen wie Autoritarismus, Geschlechterverhältnisse und Antifeminismus.

Verwendete Quellen: