Kamala Harris und Donald Trump liefern sich im US-Wahlkampf ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Am 5. November kommt es vor allem auf die sieben Swing States an. Wenige Tausend Stimmen könnten den Ausschlag geben, wer ins Weiße Haus einzieht. Das dürfte nach dem Wahltag zum Problem werden. Vor allem in einem Szenario.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Thomas Fritz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Donald Trump kann es nicht lassen: Der 78-Jährige sät schon jetzt – wie bei seiner Niederlage 2020 – Zweifel am fairen Ausgang der Abstimmung und behauptet, Harris könne nur durch Betrug gewinnen. Damals marschierten Tausende Trump-Fans nach einer Rede ihres Idols in der Hauptstadt Washington zum Kapitol. Sie griffen Polizisten an, prügelten sich den Weg zum Kongress-Gebäude frei, besetzten Teile des Kapitols und verzögerten die Amtseinführung von Joe Biden als neuen US-Präsidenten um mehrere Stunden. Fünf Menschen starben rund um den 6. Januar.

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Jetzt stehen die Vereinigten Staaten wieder vor der Wahl. Und wieder ist es Donald Trump, der ums Weiße Haus kämpft. Wiederholt sich die Geschichte? Droht in den USA ein Kapitolsturm 2.0 oder gar eine Welle von Gewalt im ganzen Land?

Politikwissenschaftler: "Erhöhte Gewaltbereitschaft" seit Trump

Gut möglich. Das sagt zumindest der Politikwissenschaftler Christian Hacke im Gespräch mit unserer Redaktion. Er schließt politische Gewalt zwischen Wahl und Vereidigung des neuen Präsidenten "überhaupt nicht aus". Zumindest in einem Fall: dann nämlich, wenn Kamala Harris die Wahl knapp gewinnen sollte. "Wenn Trump dann seine Leute mobilisiert, könnte es nicht nur einen Sturm aufs Kapitol geben, dann könnte es einen Sturmlauf im ganzen Land geben", sagt Hacke. Zwar werden die Sicherheitsvorkehrungen rund ums Kapitol bei der Amtseinführung im Januar 2025 deutlich strenger sein als 2021, die Capitol Police wurde zudem mit mehr Befugnissen ausgestattet. Aber auch die Radikalsten unter den Trump-Unterstützern seien heute besser für einen gewaltsamen Umsturz gerüstet, fürchtet Hacke.

In einer Umfrage sagten 2022 immerhin 40 Prozent der US-Amerikaner, dass sie einen Bürgerkrieg in den kommenden zehn Jahren für möglich halten. Statistiken zu politischer Gewalt in den USA zeigen, dass sie so hoch ist wie seit 50 Jahren nicht mehr. Trump überlebte einen Attentatsversuch verletzt, einen zweiten vereitelten Polizisten knapp. Politikwissenschaftler Hacke hält einen "Bürgerkrieg Reloaded" für möglich. Kommt es aber auch so?

Friedliche Machtübergabe durch Trump?

Sarah Fagan sieht Warnungen vor einem unfriedlichen Machtwechsel skeptisch. Die republikanische Strategin war unter Präsident George W. Bush Direktorin des Büros für politische Angelegenheiten des Weißen Hauses. "Wir sollten uns auch daran erinnern, was passiert ist", blickt sie in der ABC-Sendung Meet the Press auf Trumps Abwahl im Jahr 2020 zurück. "Er ist aus dem Amt geschieden. Er verließ das Amt, als er es sollte." Fagan charakterisiert das trotz des 6. Januars, den sie verurteilt, als "friedliche Machtübergabe".

Dies war auch möglich, weil sich das amerikanische Rechtssystem damals als robust erwies. Dutzende Klagen wegen angeblichen Wahlbetrugs wurden abgeschmettert – viele von Richtern, die von Republikanern ernannt wurden. Auch der konservativ dominierte Supreme Court entschied gegen Trump. Dennoch erinnert der deutsche Politik-Experte Christian Hacke daran, dass der oberste Gerichtshof Trump schon weitgehende Immunität bei offiziellen Amtshandlungen zugesprochen hat. Eine Entscheidung, die "früher undenkbar" gewesen sei. "Der Supreme Court würde in vielen Fragen wahrscheinlich pro Trump entscheiden. Das ist die große Gefahr." Schon jetzt bereiten die Republikaner 100 Klagen in verschiedenen Bundesstaaten gegen einzelne Aspekte der Wahlen vor, um bei einer möglichen Niederlage Trumps den Wahlsieg von Kamala Harris anzufechten.

Für Sarah Fagan ist der Supreme Court dagegen ein Argument, der amerikanischen Demokratie zu vertrauen. "Donald Trumps eigene Richterkandidaten blockierten seine Versuche, das Wahlergebnis zu untergraben. Die Wähler sehen das also ganzheitlich und sagen: 'Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das keine Bedrohung ist, und ich stimme für ihn.'" Hinzu kommt: Präsident Joe Biden unterschrieb 2022 den "Electoral Count Reform and Presidential Transition Improvement Act", der die Wahlanfechtung in den einzelnen Staaten deutlich erschwert.

Was wird Elon Musk tun?

Ein entschiedener Faktor, ob der Machtwechsel in den USA friedlich oder gewalttätig über die Bühne geht, könnte Multimilliardär Elon Musk mit seinem sozialen Netzwerk X werden. "Das Demokratische liegt ihm vermutlich nicht im Blut. Wenn er auf X nach der Wahl bei einer Niederlage Trumps von Wahlbetrug spricht oder sogar zu Gewalt aufruft, dann könnte es sehr gefährlich für die USA werden", sagt Christian Hacke über den eingefleischten Trump-Unterstützer. Weil der Politikwissenschaftler aber fest mit einem Wahlsieg Trumps rechnet, würden die meisten Schreckenszenarien rund um die Wahl ohnehin an dem Land vorübergehen.

Dass Trump aber danach versuchen könnte, die Armee gegen politische Gegner zu mobilisieren, hält Hacke für "eine Riesengefahr". Immerhin hatte er unlängst gedroht, gegen einen "Feind im Inneren" und "Linksradikale" notfalls auch die Streitkräfte einzusetzen. Trump müsse man ernst nehmen. "Er wird da vielleicht schon Vorkehrungen treffen. Der Mann ist unberechenbar. Das sagen auch viele der Leute, die mit ihm zusammengearbeitet haben", so Hacke. Zwei von ihnen, Ex-Generalstabschef Mark Milley und Trumps früherer Stabschef John Kelly, wollen bei Trump sogar faschistische Züge erkannt haben. Mit seiner extremen und teils gewalttätigen Rhetorik hat er einen friedlichen Machtwechsel in den USA erneut nicht wahrscheinlicher gemacht.

Über den Gesprächspartner

  • Christian Hacke (Jg. 1943) war als Professor an der Universität der Bundeswehr Hamburg und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn tätig. Der Politikwissenschaftler befasst sich u.a. mit amerikanischer Geschichte und Außenpolitik sowie den transatlantischen Beziehungen.

Verwendete Quellen

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