• Der ehemalige Football-Star Herschel Walker tritt für die Republikaner im heiß umkämpften Georgia an.
  • Walker und seinen Förderer Donald Trump verbindet eine jahrelange Beziehung.
  • Lange sah es gut aus für Walker – bis Journalisten ein Netz aus Lügen und Halbwahrheiten aufdeckten, das ihn den Wahlerfolg kosten könnte.

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Donald Trump und der Football, das ist eine schwierige Beziehung. In der Online-Enzyklopädie Wikipedia gibt es einen eigenen Artikel, der beschreibt, wie sich die Hassliebe zwischen Trump und der wichtigsten Football-Liga NFL über die Jahre entwickelt hat.

Ausführlich wird in dem Artikel etwa erklärt, wie Trump jahrelang versuchte, ein NFL-Team zu übernehmen. Als das nicht klappte, versuchte er Mitte der 80er-Jahre eine Konkurrenz-Liga namens USFL aufzubauen, die er mit der NFL fusionieren wollte. Auch dieser Versuch misslang.

Menschen, die Trump kennen, sagen, er habe zeitweise eine regelrechte Vendetta gegen die NFL geführt – bis heute sei die Liga Trumps "ältester Rivale". Zwar zeigte sich Trump während seiner Präsidentschaft hin und wieder bei College-Football-Spielen, aus seiner Abneigung gegen die Protagonisten der Profiliga machte er jedoch kein Geheimnis: Als 2016 zahlreiche Spieler während der Nationalhymne niederknieten, um ein Zeichen gegen Rassismus zu senden, forderte Trump gar den Rauswurf aller protestierenden Spieler.

Umso erstaunlicher ist es, dass Trump bei den US-Kongresswahlen, die an diesem Dienstag stattfinden, ausgerechnet auf eine Legende aus der von ihm verhassten NFL setzt. Herschel Walker heißt der Mann, der im besonders umkämpften Südstaat Georgia um einen Senatssitz kämpft und den Trump bei dieser Wahl unterstützt.

Georgia könnte das Zünglein an der Waage sein

Georgia ist für Trump und die Republikaner besonders wichtig, weil es sich um einen sogenannten 'toss-up-State' handelt. Ähnlich wie in den Bundesstaaten Nevada oder Pennsylvania sind die Senatsplätze dort besonders hart umkämpft. Mit einem Sieg in Georgia könnte Walker die Patt-Situation im Senat beenden, wo sowohl Demokraten als auch Republikaner aktuell 50 Sitze halten.

"Die Folge wäre eine tiefgreifende Blockade in der Gesetzgebung sowie der Bestätigung von Personalentscheidungen, beispielsweise für Botschaftsposten oder gegebenenfalls offen werdende Stühle im Obersten Gerichtshof", erklärt David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz.

Was Trump persönlich betrifft, könnte Walkers Erfolg darüber mitentscheiden, ob Trump nach der Wahl seine Machtbasis bei den Republikanern weiter ausbauen kann. Der Ex-Präsident hat kräftig mitgeholfen, die Kandidaturen zahlreicher Politiker durchzudrücken, zu denen er entweder enge Beziehungen unterhält oder denen er einen Gefallen schuldig ist, weil diese ihn bei seiner Kandidatur als US-Präsident unterstützt haben.

Insofern werden die Midterms auch ein Test für Trumps politische Zukunft: Setzen sich die Republikaner, für die er wirbt, in der Mehrzahl durch, kann ihm das den Schwung geben, bald seine Kandidatur für das Präsidentschaftsrennen 2024 zu verkünden. "Insgesamt war Trump mit seinen Unterstützungen sehr erfolgreich", erklärt Amerika-Experte Sirakov. "Allerdings gab es in den Vorwahlen nur wenige von ihm unterstützte Kandidaten, die in wirklich umkämpfte Nominierungsrennen gegangen sind. In der Regel waren es Regionen, die ohnehin als Trump-Land bezeichnet werden können."

Lange sah es danach aus, als habe Trump auch bei seiner Personalauswahl im umkämpften Georgia, wo die Republikaner bei der letzten Wahl beide Sitze gegen die Demokraten verloren hatten, ein gutes Händchen gehabt.

In Georgia wird Walker aufgrund seiner Erfolge als Runningback bei den 'Georgia Bulldogs', dem Football-Team der University of Georgia, als Halbgott verehrt. Walker hatte 1982 die 'Heisman Trophy' gewonnen, die wichtigste Einzelauszeichnung im College-Football, und ist bis dato der letzte Spieler aus Georgia, dem das gelungen ist. Von dort aus schaffte er den Sprung in die wichtigste Football-Liga NFL und spielte rund 15 Jahre als Profi, unter anderem für die Dallas Cowboys.

Walker soll Georgia zurückerobern

Dass die Republikaner in Georgia mit Walker auf einen der populärsten Söhne des Staates setzten, der sich noch dazu nicht erst seit gestern politisch engagiert, hatte damit eine innere Logik. Dazu kam: Einer der beiden Sitze, die die Partei bei den letzten Wahlen gegen die Demokraten verloren hatten, ging an den afroamerikanischen Pastor Raphael Warnock.

Viele Republikaner zogen daraus die Lehre, dass sich die Partei in einer zunehmend multikulturellen Wählerschaft auch gegenüber diesen Schichten öffnen muss. Der afroamerikanische Walker schien für diese Mission der richtige Mann zu sein.

Dass Trump wiederum Walker protegiert, liegt nicht nur an dessen ultrarechtem Profil, sondern auch an persönlichen Verflechtungen. Walker war zu Beginn seiner Karriere Spieler der New Jersey Generals, einer USFL-Mannschaft, die Trump in den 80ern gekauft hat. Seitdem gibt es eine enge Beziehung zwischen beiden Familien, regelmäßig reiste Walker in der Vergangenheit mit Trumps Kindern zu Disney World nach Florida.

Zur Präsidentschaftswahl 2016 unterstützte Walker dann Trump und auch vier Jahre später stand er an der Seite des Ex-Präsidenten. Und er weist die üblichen Insignien eines Trump-Kandidaten auf. "Als ehemaliger Football-Star, der nicht aus der Politik kommt, kann Walker glaubhaft machen, nicht Teil des verhassten Establishments zu sein", erklärt Sirakov.

Wie Trump vertritt Walker die sogenannte "Big Lie", also Trumps Märchen von der gestohlenen Wahl. Bereits kurz nach der Wahl erklärte er im Dezember 2020 in einem Interview bei "Fox News", dass er "garantieren könne, dass Joe Biden keine 50 Millionen Stimmen bekommen habe". Biden gewann die Wahl jedoch mit über 81 Millionen Stimmen – mehr als je ein Präsidentschaftskandidat zuvor.

Walker verbreitete Trumps Lüge vom Wahlbetrug. Am 4. Januar 2021, zwei Tage vor dem Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol, erklärte er auf Twitter, dass Amerika "eine Reinigung braucht, die nur Donald Trump bewältigen kann". Es sei an der Zeit, wieder zu "Recht und Ordnung zurückzukehren und all die schlechten Schauspieler strafrechtlich zu verfolgen".

Ein Netz aus Halbwahrheiten und Lügen

Auch eine weitere Eigenschaft teilt der 60-Jährige mit Trump: Er nimmt es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau. So behauptete Walker, er habe keine anderen Kinder als seinen erwachsenen Sohn Christian. Kurz darauf kam heraus, dass er noch mindestens drei weitere von drei verschiedenen Frauen hat.

Auch über eine angebliche Tätigkeit fürs FBI log er, genauso wie über einen Abschluss an der University of Georgia und seinen geschäftlichen Erfolg. Und Walkers politisches Angebot, das ein Potpourri aus Abtreibungsverbot, militärischer Aufrüstung und Antidrogenmaßnahmen ist, entspricht ebenfalls in weiten Teilen klassischen Trump-Positionen.

Fraglich ist jedoch, wie ernst es Walker mit seinen Positionen wirklich meint: Mitte Oktober erschien in der Internetzeitung 'The Daily Beast' ein Artikel, der aufdeckt, dass der erklärte Abtreibungsgegner Walker einer ehemaligen Freundin 2009 eine Abtreibung bezahlt hatte. Die anonyme Frau lieferte der Zeitung als Beweis eine Quittung der Abtreibungsklinik, einen von Walker unterschriebenen Check über 700 Dollar und eine Karte, in der er ihr eine gute Besserung wünschte.

All dies passte nicht zu Walkers Selbstdarstellung als kompromissloser Abtreibungsgegner und konservativer Familienmensch. Kurz darauf trat eine weitere Frau vor die Presse und erklärte, dass Walker ihr 1993 einen Schwangerschaftsabbruch gezahlt und sie persönlich zu einer Klinik nach Dallas gefahren habe.

Walkers eigener Sohn attackiert ihn auf Twitter

Dass Walker sämtliche Vorwürfe leugnete, führte wiederum dazu, dass dessen Sohn Christian - der selbst glühender Trump-Anhänger ist – auf Twitter der Kragen platzte. "Mir ist es egal, wenn jemand eine schlimme Vergangenheit hat und Verantwortung übernimmt", schrieb er dort. "Aber wie KANNST DU ES WAGEN, zu lügen und so zu tun, als wärst du ein 'moralischer, christlicher, aufrechter Mann'?" Ab diesem Zeitpunkt wusste das ganze Land über die Vorwürfe Bescheid – Christian Walker hat rund 290.000 Follower auf Twitter, 170.000 auf TikTok und über 500.000 auf Instagram.

Im ohnehin schon aufgeheizten Wahlkampf sorgen diese Episoden aus Walkers Privatleben zwar für reichlich Schlagzeilen. Doch ob sich republikanische Wähler aufgrund der Vorwürfe in Scharen von Walker abwenden, ist mehr als fraglich. Die letzten Umfragen zeigen Walker und den amtierenden Senator Raphael Warnock jedenfalls gleichauf.

"Solche Verfehlungen scheinen in der MAGA-Welt und im hyperpolarisierten Amerika keine Rolle mehr zu spielen. Zumindest zeitigen sie weit weniger Auswirkungen, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist", sagt Amerika-Experte Sirakov. "Es erinnert mich an den Ausspruch Trumps, er könne mitten auf der 5th Avenue einen Menschen erschießen und würde keinen einzigen Wähler verlieren."

Trump könnte eine Niederlage in Georgia wohl verkraften

Und selbst wenn: Ob eine Niederlage Walkers bei dieser Wahl Donald Trump tatsächlich schaden würde, ist längst nicht ausgemacht. "Die Erfahrungen aus dem Jahr 2020 zeigen, dass Trump trotz des Verlustes beider Senatssitze und damit einer dortigen republikanischen Mehrheit weiterhin im Zentrum der Partei steht, sie in den vergangenen zwei Jahren sogar noch deutlich stärker in den Griff bekommen hat", so Sirakov.

Trump sei gut darin, die Verantwortung für Wahlergebnisse auf andere abzuwälzen. "Da ist es wahlweise die Unfähigkeit des Kandidaten, seine 'großartige' Hilfe zu nutzen, oder eben der Vorwurf des Wahlbetrugs. Angesichts der persönlichen Beziehung zu Walker würde ich im Falle seiner Wahlniederlage auf Letzteres tippen."

Über den Experten: Der Politikwissenschaftler Dr. David Sirakov ist seit 2015 Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz in Kaiserslautern. Er beschäftigt sich unter anderem mit der gesellschaftlichen Polarisierung in den USA und der US-Außenpolitik. Er gehört zu den Herausgebern des Buches "Donald Trump und die Politik in den USA – Eine Zwischenbilanz".

Verwendete Quellen:

  • The Daily Beast: She Had an Abortion With Herschel Walker. She Also Had a Child With Him
  • Twitter-Account von Christian Walker
  • The Economist: Who is Herschel Walker?
  • The New York Times: How Republicans Cast Aside Concerns and Learned to Love Herschel Walker
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