• Acht Stunden lang berieten die USA und Russland in Genf, um die Ukraine-Krise zu entschärfen.
  • Russland verlangt das Ende der Nato-Osterweiterung, die USA den Rückzug der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine.
  • Die Fronten sind ziemlich verhärtet.

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Anderthalb Meter Abstand, kein Händeschütteln für die Kameras zwischen der US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman und ihrem russischen Amtskollegen Sergej Rjabkow beim Treffen in Genf. Die Szene war zwar sicher dem Coronavirus geschuldet - aber das Bild der beiden veranschaulichte am Montag symbolisch auch, wie weit die USA und Russland in der Ukraine-Krise auseinander liegen. Es gab in der Sache keine Annäherung. Russland verlangt weiter ein garantiertes Ende der Nato-Osterweiterung und einen amerikanischen Truppen- und Waffenabbau in Europa, die USA und Verbündete verlangen weiter den Rückzug der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine und drohen mit massiven Sanktionen, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren.

Was steckt hinter den Drohgebärden auf beiden Seiten?

Russland wolle westliche Akzeptanz für eine russische Einfluss- und Interessensphäre in Mittel- und Osteuropa, sagt Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin dem Schweizer Sender SRF. Das widerspreche aber der Charta von Paris. Der Vertrag sollte nach der Wiedervereinigung Deutschlands im November 1990 das Ende der Ost-West-Konfrontation besiegeln. "In diesem Zusammenhang bekennen wir uns zum Recht der Staaten, ihre sicherheitspolitischen Dispositionen frei zu treffen," heißt es darin. Das unterschrieb auch die Sowjetunion, deren Rechtsnachfolger Russland ist. Das westliche Bündnis will keinesfalls einen neuen russischen Gewaltakt wie die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 hinnehmen.

Welche diplomatischen Entspannungsbemühungen gibt es?

Nach dem Treffen am Montag in Genf folgen am Mittwoch der Russland-Nato-Rat, der erstmals seit zweieinhalb Jahren tagt, und am Donnerstag Gespräche bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien. Nur dort könnten die russischen Forderungen besprochen werden, sagen die Amerikaner. "Wir haben klar gemacht, dass wir über die europäische Sicherheit nicht ohne unsere Alliierten und Partner diskutieren", twitterte Sherman.

Wie groß ist die Aussicht auf Erfolg?

"Ich glaube nicht, dass wir erwarten können, dass diese Treffen alle Probleme lösen werden", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. Er hoffe aber sehr, dass auf beiden Seiten echter Willen bestehe, einen neuen bewaffneten Konflikt in Europa zu verhindern. US-Außenminister Antony Blinken sagte CNN: "Ich glaube nicht, dass wir in der kommenden Woche irgendwelche Durchbrüche erleben werden." Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow meinte vor den Gesprächen, es sei naiv, schnelle Fortschritte zu erwarten.

Was sind die Knackpunkte?

Während Russland darauf beharrt, an seinen Grenzen tun zu können, was es will, haben die USA die russischen Forderungen rundheraus abgelehnt. Ein Abzug von US-Truppen aus Osteuropa oder eine Zusage für eine Nicht-Ausweitung der Nato stünden nicht zur Verhandlung, sagte Blinken. Das westliche Bündnis betont, dass jedes Land selbst entscheide, welche Allianzen es eingehe.

Droht ein Einmarsch Russlands in die Ukraine?

Russlands Staatschef Wladimir Putin hat diese Frage offen gelassen. Das Staatsfernsehen fragte ihn, wie die Reaktion Moskaus im Falle eines Scheiterns der Gespräche ausfallen könnte. Die Antwort hänge "von den Vorschlägen ab, die mir unsere Militärexperten unterbreiten werden", meinte Putin. Immer wieder ist in Moskau von "roten Linien" die Rede und von der Gefahr für die eigene Sicherheit. Im Dezember telefonierte der Kremlchef gleich zweimal mit US-Präsident Joe Biden.

Wer müsste sich zuerst bewegen?

Beide Seiten sind darauf bedacht, keine Schwäche zu zeigen. "Wir gehen nicht mit ausgestreckter Hand dorthin, sondern mit einer klar formulierten Aufgabe, die zu den von uns formulierten Bedingungen gelöst werden muss", sagte Rjabkow vorab. Blinken sah Russland zuerst am Zug. Es sei schwierig, "in einer Atmosphäre der Eskalation mit einer Waffe am Kopf der Ukraine" Fortschritte zu erzielen. Es gelte das Prinzip der Gegenseitigkeit. Jeder Schritt, den die Vereinigten Staaten und Europa unternähmen, müsse von Russland erwidert werden.

Was könnte zur Entspannung führen?

Politikwissenschaftler Kaim hält vertrauensbildende Maßnahmen für möglich. So könnten die Amerikaner ihre Truppenpräsenz in Europa ausdünnen, oder Kurz- und Mittelstreckenraketen abziehen. Denkbar sei auch eine Vereinbarung über mehr Transparenz, etwa gegenseitige Benachrichtigungen, wann und welche Manöver geplant sind. Die US-Regierung hat Bewegung in diesen Bereichen in Aussicht gestellt. Auch eine stille Zusicherung der Amerikaner, dass die Ukraine und Georgien auf absehbare Zeit nicht in die Nato aufgenommen werden, hält Kaim für möglich. In dem Fall sehen Experten der Denkfabrik Moskauer Carnegie Center die Chance, dass Moskau und Kiew direkte Gespräche über eine Lösung ihrer Konflikte führen, darunter die Annexion der Krim und Moskaus Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine. (ash/dpa)

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