Donald Trumps Wahlkampfmanager Steve Bannon schwingt sich zum Unterstützer der europäischen Rechtspopulisten auf: Offenbar will er eine "Supergruppe" der Rechtsaußen schaffen. Das Ziel: größtmöglicher Erfolg bei der Europawahl im Mai. Ist Bannon eine Gefahr? Ein Experte meint: "Herr Bannon kann Schaden anrichten. Die Europawahl entscheiden wird er aber nicht."

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Steve Bannon will vor der Europawahl 2019 eine rechtspopulistische Revolte anzetteln.

Der Mann, der Chef des rechtspopulistischen US-Nachrichtenportals Breitbart-News war, der Mann, der Donald Trumps aggressiv-nationalistischen Präsidentschaftswahlkampf gesteuert hat und nach der Wahl mit dem Posten des Chefstrategen belohnt wurde, wendet sich Europa zu. Jetzt, da er die anderen beiden Jobs los ist.

Steve Bannons Ziel sei es, im Europäischen Parlament eine "rechtspopulistische Supergruppe" zu bilden, der bis zu einem Drittel der Abgeordneten angehören sollen, berichtet das Nachrichtenportal "The Daily Beast".

Hierzu plant Bannon, der die EU "die schädlichste Kraft gegen nationalstaatliche Demokratien im Westen" nennt, die Gründung einer Stiftung mit dem Namen "The Movement" (Die Bewegung). Sie soll ihren Sitz in Brüssel haben und zunächst mit zehn Mitarbeitern ausgestattet sein.

Weidel findet Bannons Pläne "sehr spannend"

Die Stiftung soll Parteien vom rechten Rand vernetzen. Gegenüber "The Daily Beast" nennt Bannon die "Schwedendemokraten" und die "Wahren Finnen" als "ideale Besetzung" für seine Supergruppe.

Auch mit dem französischen "Rassemblement National", dem Nachfolger des "Front National" sowie mit der polnischen Regierungspartei PiS und mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat er nach eigener Aussage schon gesprochen.

Während AfD-Chef Jörg Meuthen sagt, "einen Coach brauchen wir nicht", findet die Fraktionschefin der AfD im Bundestag, Alice Weidel, "die Pläne von Steve Bannon sehr spannend und ambitioniert".

Neben etablierten Parteien will Bannon auch Gruppen unterstützen, die bislang ohne professionelle politische Strukturen oder bedeutsame Budgets operieren.

Die Stiftung könne beispielsweise Meinungsumfragen durchführen, bei der Zielgruppenerfassung in Sozialen Netzwerken helfen oder gezielt Botschaften in der Öffentlichkeit platzieren.

Werden rechte Kräfte dank "The Movement" in der EU die Oberhand gewinnen? Ist die Einmischung des "großen Manipulators", wie das "Time Magazine" Steve Bannon einst taufte, für die Demokratie gefährlich? Und was können gemäßigte Kräfte entgegensetzen?

"Da ist viel Scharlatanerie dabei"

Unsere Redaktion hat den Demokratie-Forscher Dr. Robert Vehrkamp von der Bertelsmannstiftung um eine Einschätzung gebeten. "Aus fast allen Ländern der EU werden nach der Europawahl rechtspopulistische Parteien im neuen EU-Parlament vertreten sein. Wenn es gelingt, die rechtspopulistische Parteienfamilie im EU-Parlament als politische Kraft zu bündeln, ist das für die etablierten Parteien eine große Herausforderung", sagt er, wenngleich die Rechtspopulisten auch im neuen EU-Parlament eine Minderheit bleiben werden.

Gleichzeitig warnt Vehrkamp davor, Steve Bannons Einfluss zu überschätzen. Bannon nennt als Vorbild für die Arbeit von "The Movement" die Kampagne der Brexit-Befürworter und den Wahlkampf der "Fünf Sterne" und der "Lega" in Italien, die trotz knapper Budgets erfolgreich waren.

Doch so einfach sei es nicht, so Vehrkamp. "Jeder Wahlerfolg hat viele Mütter und Väter, die für sich beanspruchen, den entscheidenden Unterschied gemacht zu haben. Da ist viel Scharlatanerie dabei."

Mehrheiten kämen nie rein manipulativ zustande. Der Brexit etwa sei das Resultat gesellschaftlicher Verwerfungen und mehrerer Krisen. "Herr Bannon kann Schaden anrichten. Die Europawahl entscheiden wird er aber nicht, auch wenn er das suggeriert."

"Populisten müssen entzaubert werden"

Wie viele Wähler am 26. Mai 2019 ihr Kreuz bei einer rechten Partei machen werden, wird massiv davon anhängen, was die gemäßigten Politiker ihnen entgegenzusetzen haben, sagt Vehrkamp. "Populisten müssen entzaubert werden. Sie fahren ihre Wahlerfolge ja vor allem durch Vorurteile, Ressentiments und das Schüren von Ängsten ein, und nicht über konstruktive Vorschläge und positive Visionen. Das ist kurzfristig ihre Stärke, und zugleich ihr wunder Punkt. Sie zwingen, Farbe zu bekennen, sie nach ihren Lösungen fragen und die Konsequenzen ihrer Vorschläge aufzeigen, das ist die richtige Strategie."

Dass das gelingen kann, habe Emmanuel Macron im vergangenen Jahr bewiesen. Er hatte sich in der Stichwahl um die Präsidentschaft gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen durchgesetzt.

Macron habe im Wahlkampf die realen Folgen der europapolitischen Vorstellungen Le Pens offenbart. "Und eine große Mehrheit ist ihm gefolgt. Ich bin überzeugt: Mit einer positiven Vision für Europa lassen sich auch in Deutschland Wahlen gewinnen. Die etablierten Parteien sind da oft viel zu ängstlich", sagt Vehrkamp.

Schneider: Probleme lösen, die die Menschen wirklich umtreiben

Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, schlägt in seiner Reaktion auf Bannons Ankündigung in diese Kerbe. "Wir müssen den Populisten in ganz Europa den Nährboden entziehen, indem wir die Probleme lösen, die die Menschen wirklich umtreiben."

"Der Schlüssel dafür" sei auf vielen Gebieten "die europäische Kooperation". Dafür müsse man "offensiv werben und die Debatte nicht den Nationalisten überlassen".

Ähnlich äußert sich sein Parteikollege Michael Roth, Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt: Europa dürfe "keine Angst haben vor den nationalistischen Kampagnen, mit denen Herr Bannon meint, Europa in die Knie zwingen zu können. Unsere Werte sind stärker als sein Hass und seine Lügen."

Guy Verhofstadt, Fraktionsvorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten im Europaparlament, twitterte: "Steve Bannons Rechtsaußen-Vision und der Versuch, die hasserfüllte Politik von Trump zu importieren, wird von anständigen Europäern zurückgewiesen. Wir wissen, was Nationalismus unseren Ländern in der Vergangenheit angetan hat."

Eine Gefahr und eine Chance zugleich

Unterm Strich sieht Demokratie-Forscher Vehrkamp in Bannons fragwürdigem Engagement nicht nur eine Gefahr, sondern auch eine Chance für das vereinte Europa. Denn die Rechtspopulisten Europas, die Bannon einen will, haben größtenteils nicht mehr gemeinsam als das Dagegensein.

Beispiel Euro: Viele Parteien und Gruppierungen kritisieren den Euro, doch zu den Modalitäten eines Euro-Ausstiegs und möglichen Alternativen haben sie völlig unterschiedliche Vorstellungen.

Wenn es den EU-Befürwortern gelinge, dieser "Zerstörungswut der Populisten eine positive Vision Europas entgegenzustellen", werden sie als Sieger aus der Wahl hervorgehen, ist Vehrkamp überzeugt. "Dass es dafür in Europa große und stabile politische Mehrheiten gibt, dessen bin ich mir sicher."

Mit positiven Botschaften kontern - genau das ist die Strategie von "Volt Europa". Sie will 2019 als erste gesamteuropäische Partei bei den Europawahlen antreten. Emmanuel Macron versucht derweil eine liberale Fraktion im Europaparlament zu installieren, unter anderem mit der FDP und den spanischen Ciudadanos.

"The Movement" setzt also auch seine politischen Gegner in Bewegung und lässt sie enger zusammenrücken.

Mit Material der dpa
Zum Experten: Robert Vehrkamp leitet das Programm "Zukunft der Demokratie" der Bertelsmann Stiftung. Der promovierte Volkswirtschaftler arbeitete vor allem an Themen zur Entwicklung der Demokratie, zu Bürger- und Wahlbeteiligung. Derzeit ist er Gastwissenschaftler am Wissenschaftszentrum (WZB) in Berlin und forscht dort zu Populismus.
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