Die Steuereinnahmen steigen, aber SPD-Finanzminister Olaf Scholz hält an der Schwarzen Null fest. Auch die Investitionen sinken laut Haushaltsentwurf bis 2022. Spart der Staat damit das Land kaputt, wie Kritiker befürchten?

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Es hätten auch Wolfgang Schäubles Worte sein können. Das Bekenntnis von Finanzminister Olaf Scholz zur Schwarzen Null klang überraschend vertraut.

"Wir haben uns fest vorgenommen, für den Haushalt 2018 und die kommenden Jahre keine neuen Schulden zu machen", sagte Scholz auf der Bundespressekonferenz am vergangenen Mittwoch und bekräftigte:

"Die Bundesregierung wird eine solide Haushalts- und Finanzplanung vorlegen, die einen ausgeglichenen Haushalt und die Entwicklung sozialgerechter und zukunftsweisender Politik ermöglicht."

Dieser Haushalt sieht für 2018 Einnahmen und Ausgaben von jeweils 341 Milliarden Euro vor, 2022 sollen es rund 368 Milliarden Euro sein.

Über 700 Milliarden Euro für Sozialausgaben bis 2022, zusätzliche Mittel für bezahlbaren Wohnraum, 8 Milliarden für die Flüchtlingsintegration, 4 Milliarden für einen sozialen Arbeitsmarkt und mehr als 5 Milliarden für die innere Sicherheit.

Scholz ist sich sicher, mit diesem Haushaltsentwurf das Rezept für sozialen Zusammenhalt, Gerechtigkeit und internationale Zusammenarbeit gefunden zu haben.

Bund drosselt Investitionen

Doch während die Konjunktur boomt, drosselt der Bund seine Investitionen.

Hatte die große Koalition bei Amtsantritt noch große Investitionen für die Zukunft des Landes angekündigt und im Koalitionsvertrag von regelrechten "Investitionsoffensiven" gesprochen, sollen die öffentlichen Ausgaben bis 2022 deutlich sinken.

Nach einem Anstieg auf 37,9 Milliarden Euro im kommenden Jahr, sollen die öffentlichen Investitionen 2022 auf 33,5 Milliarden Euro fallen – unter das Niveau von 2017, als 34 Milliarden Euro öffentliche Gelder investiert wurden.

Wird Deutschland also kaputtgespart? - Prof. Dr. Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, hält das für übertrieben.

Das Festhalten an der Schwarzen Null sei in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage sogar richtig.

"Wir haben eine günstige konjunkturelle Situation, die nicht ewig anhält. Auf einen ausgeglichenen Haushalt zu schauen, ist für die längerfristige Entwicklung der Finanzen in Deutschland wichtig", so Werding im Gespräch mit unserer Redaktion.

Haushaltspolitik habe schließlich zum Ziel, automatisch stabilisierend zu wirken. "Bei einer Rezession sind Defizite angesagt, um die Konjunktur entsprechend zu beleben. Spiegelbildlich heißt das: In einer günstigen Wirtschaftslage brauchen wir mindestens einen ausgeglichenen Haushalt, wenn nicht sogar Überschüsse", erklärt der Experte.

Kritik an Struktur des Haushaltes

Aber auch Werding kritisiert, wie und wo investiert werden soll: "Die Struktur des Haushaltes stimmt nicht, insofern ist die Kritik an den sinkenden Investitionsausgaben berechtigt."

Die kam von allen Seiten: "Es werden keine Zukunftsaufgaben aufgegriffen. Man fragt sich, warum die SPD das Finanzministerium unbedingt wollte, wenn sie nur an der Schwarzen Null festhält", sagte Grünen-Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckardt und Linkspartei-Chef Bernd Riexinger sprach von "Wählerbetrug erster Güte".

Auch aus den Ministerien kam Kritik. So stimmten das Verteidigungs- und Entwicklungsministerium den Eckwerten für den Etat 2019 nur "mit der Erwartung" zu, dass in der weiteren Entwicklung noch fehlende Mittel aufgebracht würden.

Juso-Chef Kevin Kühnert sprach sogar vom "Fetisch Schwarze Null", der mehr als gefährlich sei und auf Kosten der jüngeren Generation gehe.

Große Ankündigungen im Koalitionsvertrag

Experte Werding erscheint der Haushaltsplan ebenfalls nicht ausgewogen. "Es wirkt so, als hätten Union und SPD gemeinsam eine Wunschliste abgearbeitet, nach dem Motto: 'Wir machen deins, dann machen wir auch meins'."

Der Koalitionsvertrag sei bereits voll mit Ausgabenversprechen gewesen, bei denen man sich fragte, ob das alles so sinnvoll ist.

"Wählerbetrug", wie ihn Linken-Chef Riexinger wittert, hält Werding zwar für ein starkes Wort, räumt aber ein: "Bei vielen Dingen hätte man die Wirkungen besser überdenken müssen. Das hätte Platz gemacht für die Investitionsausgaben, die wir brauchen."

Schon in den Koalitionsverhandlungen hätte es härtere Verhandlungen gebraucht.

Im Koalitionsvertrag kommt das Wort "Investition" immerhin über 90 Mal vor, gepaart mit Ankündigungen wie: "Wir investieren auf Rekordniveau in Infrastruktur und bessere Bildung" oder "Zur Verbesserung der Bildung werden wir eine Investitionsoffensive für Schulen auf den Weg bringen" und natürlich das ultimative Versprechen: "Wir investieren in unser Land."

Fehlende Härte und Mut zur Wahrheit

"Was über Bildung und Infrastruktur im Koalitionsvertrag steht, ist vermutlich alles richtig, aber es muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden", betont Werding. "Das Motto: Hier ein Zuckerl, da ein Zuckerl funktioniert nicht", so Werding.

Eine Kindergelderhöhung könne man zudem nicht als Maßnahme gegen Kinderarmut verkaufen, auch das Baukindergeld führe nicht unbedingt zur Entlastung junger oder einkommensschwacher Familien.

Es habe mit Blick auf den Koalititionsvertrag die Härte und Wahrheit gefehlt zu sagen: "Das klingt nett, aber wir können nur einen Teil machen", meint Erding.

Der Experte Werding blickt zudem kritisch voraus: "Die Vorzeichen der Ausgabenentwicklung sind problematisch. Der Investitionsanteil am Bundeshaushalt sinkt in der Planung - und in der Realität vermutlich noch stärker, weil die Spielräume kleiner werden."

Gleichzeitig warnt der Sozialwissenschaftler: "Die demografische Alterung wird massive Ansprüche an die öffentlichen Finanzen stellen. Es zeichnet sich ein Geschäft zulasten zukünftiger Steuerzahler ab."

Scholz: "Buchhalterischer Effekt"

Olaf Scholz verteidigte den Haushaltsplan. Das Festhalten an der Schwarzen Null sei richtig, um sich "Unabhängigkeit und die Möglichkeit, die Zukunft selbst zu gestalten" zu erhalten.

Den Eindruck, die Investitionen würden gedrosselt, relativierte er auf mehreren Ebenen. "Ein paar Ausgaben können noch gar nicht in den Einzelhaushalten ausgewiesen werden, die dann für die Investitionen relevant sind."

Denn teilweise müsse man erst einmal neue Gesetze schaffen, um Ausgaben überhaupt tätigen zu können.

"Die Investitionen im Bereich der Breitbandinfrastruktur und Digitalisierung können wir außerdem noch gar nicht in dem Investitionshaushalt ausweisen, weil die Konkretisierung noch nicht erfolgt ist", so der Finanzminister.

Auch in Bezug auf die Entflechtung von Bund und Ländern sprach Scholz von einem "buchhalterischen Effekt". Jener führe dazu, dass ein Teil der Aufwendungen, die heute der Bundeshaushalt trägt, demnächst von den Ländern getragen würde.

Er beteuerte: "Mit dem Haushalt sind wir in der Lage, die Vorstellungen der Regierung vollständig umzusetzen."

"Ein Stück weit hat Scholz recht", bestätigt Experte Werding. "Was wir im Bereich Bildung ausgeben, wird tatsächlich als Konsumausgaben angesehen und nicht als Investition."

Bei einem großen Teil der zusätzlichen Ausgaben handele es sich um Transferleistungen und nicht um Investitionen. Dazu zählten die Zahlungen an Länder und Gemeinden, die Gelder für die Betreuung in Kindertagesstätten sowie die teilweise Abschaffung des Soli-Zuschlags. Auch das geplante Baukindergeld gelte nicht als Investition.

Warnung vor wirtschaftlicher Abschwächung

Dennoch: "Was für 2018 vorliegt, passt zwar einigermaßen zum Koalitionsvertrag, aber die mittelfristige Planung für die weitere Legislaturperiode wird ohnehin revidiert werden müssen", glaubt Werding.

Er gehe schließlich davon aus "dass vor 2021 die aktuell gute wirtschaftliche Entwicklung einknickt und wir eine konjunkturelle Eintrübung erleben".

Dann müsse neu geplant werden: "Wenn man dann die ohnehin schon sinkend geplanten Investitionsausgaben weiter herunterfährt, ist das problematisch."

Investitionen müssten laut Werding Vorrang haben, sonst setze der Haushaltsentwurf die Logik der Koalitionsverhandlungen fort.

"Es darf nicht um kurzfristig Sichtbares nach den Wünschen der beiden Koalitionspartner gehen, sondern darum, gemeinsam die Spielräume auszuhandeln, die man für langfristig orientierte Ausgaben braucht", sagt Experte Werding.

Olaf Scholz sieht mit seinem Haushaltsentwurf genau das bedient: Die Investitionen seien insgesamt so bedeutsam, dass er mit "Auswirkungen auf die Entwicklung des wirtschaftlichen Wachstums unseres Landes" rechne.

Ob das eintritt, und inwiefern Scholz in die Fußstapfen von Schäuble tritt, wird sich noch zeigen müssen.

"Da wird man ein bisschen abwarten müssen. Die Traditionslinie der Schwarzen Null ist langfristig, sodass sie auch parteiübergreifend fortgesetzt werden kann", meint Werding. "Herr Scholz muss viel mehr darauf achten, an welchen Stellen er sagt 'Ja machen wir' - oder als Finanzminister auch einmal die Stirn runzelt."

Über Prof. Dr. Martin Werding

Martin Werding ist Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum. 2000 bis 2008 leitete er am Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung den Bereich Sozialpolitik und Arbeitsmärkte. Seine Forschungsschwerpunkte sind öffentliche Finanzen, Sozialpolitik, Bevölkerungsökonomie und Arbeitsmarktpolitik.


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