Könnten bald schwere Straftäter zurück nach Syrien oder Afghanistan abgeschoben werden? Bundeskanzler Scholz versprach das. Jetzt macht die Opposition Druck.
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, sieht Bundeskanzler
"Und ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland uns das auch nur mitteilt, wenn er der Überzeugung ist, dass es geht, dass er die entsprechenden Berater hat, die ihm Möglichkeiten und Wege aufgezeigt haben", sagte Lindholz. Deshalb erwarte sie, "dass wir zu Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan kommen".
Scholz bekräftigt Willen zu Abschiebungen in schwierige Herkunftsländer
Scholz hatte als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Mannheim im Juni angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen "Gefährdern" nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Deutschland unterhält derzeit weder zu den Taliban-Machthabern in Kabul noch zur Regierung des syrischen Präsidenten, Baschar al-Assad, diplomatische Beziehungen.
Dennoch gebe es Kontaktpersonen, sagte Lindholz. Das habe sich etwa gezeigt, als es darum gegangen sei, ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan nach Deutschland zu holen, oder bei der Koordinierung des Hilfseinsatzes an der syrisch-türkischen Grenze.
Überlegt wird in der Bundesregierung, ob Rückführungen über Nachbarstaaten möglich wären. Zumindest mit Usbekistan hat es schon Gespräche gegeben. Von Journalisten auf seine Ankündigung angesprochen, sagte Scholz am Mittwoch in Berlin: "Ich habe öffentlich gesagt, wir werden Abschiebungen insbesondere von Straftätern nach Afghanistan, aber auch in andere Länder wie Syrien durchführen und bereiten vor, dass das auch tatsächlich geschieht."
Vertrauliche Gespräche und neuer Lagebericht zu Syrien
Dass sich die Bundesinnenministerin darauf berufe, dass man sich in vertraulichen Gesprächen befinde, sei zwar nachvollziehbar, räumte Lindholz ein. Sie fügte jedoch hinzu: "Ich meine nur, nach mehr als eineinhalb Jahren Ankündigung, dass sie das machen will, ist es jetzt Zeit, dass sie uns sagt, wie das möglich ist." Das habe
Faeser hatte bei dem Treffen Ende Juni über die Möglichkeit von Abschiebungen von Schwerstkriminellen und Islamisten, denen die Polizei eine schwere politisch motivierte Straftat zutraut, nach Afghanistan und Syrien über Drittstaaten gesprochen. Sie sagte, im Falle Syriens sei dafür neben der Klärung der praktischen Fragen auch eine Neubewertung der Lage in dem arabischen Land notwendig. Sie sei sicher, dass sie dies mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in naher Zukunft lösen könne. Für Abschiebungen nach Afghanistan sei keine veränderte Sicherheitseinschätzung notwendig.
Der aktuelle Asyllagebericht des Auswärtigen Amtes ist relativ neu. Er wurde zuletzt im Februar 2024 aktualisiert. Die Berichte sind grundsätzlich nicht öffentlich. "Die Asyllageberichte werden turnusmäßig aktualisiert – dafür beobachtet das Auswärtige Amt die Lage in den Ländern kontinuierlich", heißt es aus Baerbocks Ministerium. Die Berichte enthielten keine rechtlichen Wertungen oder Schlussfolgerungen. Diese würden alleine von den zuständigen Innenbehörden beziehungsweise den Verwaltungsgerichten vorgenommen.
Gericht kommt zu neuer Einschätzung zur Gefährdung in Syrien
Für Aufsehen hatte vor einigen Tagen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster gesorgt. Darin heißt es, dass in Syrien für Zivilisten "keine ernsthafte, individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" mehr bestehe. Der Kläger in dem Verfahren war vor seiner Einreise nach Deutschland in Österreich zu einer Haftstrafe verurteilt worden, weil er an der Schleusung von Menschen aus der Türkei nach Europa beteiligt gewesen war. Das Oberverwaltungsgericht führte aus, ihm drohe in Syrien keine politische Verfolgung. Von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei er wegen seiner vor der Einreise begangenen Straftaten ausgeschlossen.
Auch die Voraussetzungen für subsidiären Schutz seien nicht gegeben. Dieser eingeschränkte Schutz gilt für Menschen, die nicht als individuell verfolgte Flüchtlinge anerkannt werden, aber stichhaltige Gründe liefern, warum ihnen bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ernsthafte Schäden – etwa durch Bürgerkrieg – drohen. Für Syrien war in Asylverfahren bislang im Regelfall von einer solchen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit von Zivilisten ausgegangen worden.
Im Falle des Klägers, der aus der Provinz Hasaka stammt, sah das Gericht dies weder in dessen Heimatregion im Nordosten noch in Syrien allgemein als gegeben an. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mehrere Landesinnenminister begrüßten die Entscheidung aus Münster. Einige von ihnen forderten die Bundesregierung auf, zu einer differenzierteren Betrachtung der Lage in Syrien zu kommen. (dpa/the)
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