Die Stimmung vor Ort erleben, Eindrücke sammeln: Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn ist Finanzminister Lindner in Kiew. Wieder läuft eine Debatte um mehr deutsche Waffenlieferungen.
Der Himmel über Kiew ist strahlend blau, es ist ein sonniger und warmer Tag. Der Verkehr rollt, Fußgänger flanieren durch das Stadtzentrum, Cafés und Restaurants sind geöffnet. Alltag in einer Millionenstadt - doch es ist eine Stadt im Kriegszustand. Mitten in der Altstadt auf dem Michaelsplatz steht Bundesfinanzminister
Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor nun fast anderthalb Jahren ist der FDP-Chef nach Kiew gekommen - in die Hauptstadt eines Landes, das sich in einem existenzbedrohenden Krieg befindet. Lindner ist über Nacht mit einer kleinen Zahl Begleiter mit dem Zug aus Polen gekommen. Am Montagmorgen steigt er - wie vor ihm bereits Kanzler
Finanzminister Christian Lindner will ukrainischen Alltag kennenlernen
Es gehe ihm - so weit wie dies möglich sei - darum, zu erfahren, wie der Alltag der Menschen während des schrecklichen Kriegs sei, sagt Lindner. "Es ist immer ein anderer Eindruck, den man sich macht, wenn man selber vor Ort ist, als wenn man sich in Washington oder Brüssel oder Berlin in Sitzungsräumen trifft." 2020 sei er in Kiew gewesen und habe damals den Eindruck gewonnen, die Ukraine strebe nach Westen. Genau deswegen sei das Land von Russland überfallen worden.
Dann kommt die Botschaft, die sie hier in Kiew hören wollen: Deutschland werde weiter Schulter an Schulter an der Seite der Ukraine stehen, sagt Lindner. "Hier geht es um die Zukunft der europäischen Friedens- und Freiheitsordnung." Die Ukraine verteidige liberale westliche Werte. Zum Frühstück trifft er sich mit dem Kiewer Bürgermeister
Mit Blick auf weitere Waffenlieferungen läuft derzeit eine Debatte über eine mögliche Abgabe deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus. Die Ukraine macht Druck auf die Bundesregierung, Kiew diese zu liefern, um die Verteidigung gegen Russland zu stärken.
Scholz hatte sich am Sonntag im ZDF zurückhaltend dazu geäußert. So wie in der Vergangenheit werde die Bundesregierung jede einzelne Entscheidung immer sehr sorgfältig überprüfen, sagte er.
Lindner unterstützt Wunsch der Ukraine nach Taurus-Marschflugkörpern
Lindner wird in Kiew deutlicher. Nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Finanzminister Serhij Martschenko sagt er auf eine Frage zum Thema Taurus, es gelte das übliche Verfahren. Deutschland werde im Kreis der Verbündeten beraten, was benötigt werde und was möglich sei. Und dann: "Da ich weiß, dass viele für eine solche Unterstützung Sympathie haben, wie ich selbst auch, hoffe ich auf eine baldige, sehr baldige Klärung dieser Fragen."
Das sind klare Worte. "Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen", sagt der Finanzminister. "Deshalb ist es auch Teil unserer Verantwortung, dass die Durchhaltefähigkeit der Ukraine immer größer ist als die Bösartigkeit, die von Putins Krieg ausgeht." Die Bundesregierung wolle deshalb weiterhin alles in ihrer Macht stehende tun, um auch die militärischen Fähigkeiten der Ukraine zu stärken. Dazu sei bereits viel unternommen worden.
Die Ukraine wehrt seit über 17 Monaten mit massiver westlicher Hilfe eine russische Invasion ab. Lindner spricht von Gesamthilfen der Bundesregierung für die Ukraine in Höhe von 22 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch Milliardenhilfen für die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung Geflüchteter aus der Ukraine. Die Militärhilfen beliefen sich auf mehr als 12 Milliarden Euro.
Absichtserklärung für wirtschaftlich prosperierende Zukunft der Ukraine
Lindner will den Blick aber auch nach vorne richten. Zusammen mit Martschenko unterzeichnet er eine Absichtserklärung. Deutschland wolle mehr dafür tun, dass die Ukraine eine wirtschaftlich prosperierende Zukunft hat. Das Finanzministerium will der Ukraine konkret bei der Finanzaufsicht helfen oder bei der Privatisierung von Staatsbeteiligungen. Damit sollen auch die Grundlagen gelegt werden für den Wiederaufbau des Landes. Lindner betont, es komme darauf an, attraktive Bedingungen zu schaffen für ausländische Direktinvestitionen.
Doch noch ist der Krieg nicht vorbei. Wie lange er noch dauert? Wohl niemand kann es vorhersagen. Die Ukraine schätze die Unterstützung Deutschlands sehr, sagt Martschenko. Lindner sagt nach dem Gespräch mit den ukrainischen Soldaten, ihm sei sehr bewusst, wie wichtig die Luftverteidigung für den ukrainischen Durchhaltewillen sei. Und dann erwähnt der Reserveoffizier Lindner beiläufig, er sei ja selbst Major - bei der Luftwaffe. (dpa/cgo)
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