• Großbritannien hat sich entschlossen, als erstes Land Kampfpanzer westlicher Bauart in die Ukraine zu liefern.
  • 14 Panzer des Typs "Challenger 2" sollen schnellstmöglich nach Osten geschickt werden.
  • Die Entscheidung hat möglicherweise auch Auswirkungen auf deutsche Waffenlieferungen.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Lange hieß es aus dem Kanzleramt, man wolle eine Eskalation des Krieges verhindern und daher keine Panzer "westlicher Bauart" in die Ukraine liefern. Immer wieder wurde vor deutschen Alleingängen gewarnt. Alles solle in Absprache mit den europäischen Partnern geschehen. Dann preschte zunächst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor und sagte der Ukraine Anfang Januar Schützenpanzer zu. Deutschland und die USA zogen nach und verkündeten wenige Tage später, ebenfalls Schützenpanzer liefern zu wollen.

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Nun geht Großbritannien den nächsten Schritt und liefert Kampfpanzer des Typs "Challenger 2". 14 Stück sollen so schnell wie möglich geliefert werden, das Training der Crews soll sofort starten. Die Eile ist verständlich vor dem Hintergrund zusätzlicher Mobilisierungen in Russland und einer erwarteten Offensive der russischen Armee im Frühjahr.

Was bedeutet die Lieferung für den Kriegsverlauf und heißt das jetzt, dass auch Deutschland Kampfpanzer vom Typ "Leopard" liefern wird?

Panzern sowjetischer Bauart überlegen

In einem sind sich Experten einig: Der "Challenger 2" ist den sowjetischen Modellen der T-Reihe deutlich überlegen. Insbesondere T-72-Panzer sind anfällig für empfindliche Treffer in die Munitionsdepots, die den gesamten Panzer explodieren und den Turm wie bei einem Springteufel in einem Feuerball nach oben schießen lassen.

Das endet für die Besatzung in der Regel tödlich. Der Schutz der Mannschaft beim britischen "Challenger 2" sei hingegen deutlich besser, wie Rafael Loss vom European Council on Foreign Relations gegenüber dem "Spiegel" erklärt.

Im direkten Vergleich mit den Panzern, die die Ukraine bisher einsetzt, ist der britische Kampfpanzer also klar besser gerüstet. Auch den vielen veralteten T-62 der russischen Armee ist er laut Experten klar überlegen und kann sie effektiv bekämpfen. Die britische Armee gibt sogar an, der Panzer sei im Kampf unbesiegt. Er wurde im Irakkrieg unter anderem gegen Panzer der sowjetischen T-Baureihe eingesetzt und soll, bis auf einen versehentlichen Abschuss durch eigene Truppen, nie komplett zerstört worden sein.

Technisch teilweise veraltet

Auf der anderen Seite ist der Panzer in einigen Punkten veraltet, weshalb er bei der britischen Armee bald vom "Challenger 3" abgelöst werden soll. So ist die Kanone mit gezogenem Lauf weniger effektiv als die Glattrohrkanone des "Leopard 2" oder des US-amerikanischen "Abrams".

Die Durchschlagskraft der Projektile leidet darunter, sollte aber gegen die meisten russischen Panzer ausreichen, so die Meinung von Experten. Auch hat der "Challenger 2" keine sogenannten "Abstandsaktive Schutzmaßnahmen", also Abwehrwaffen, die bei Beschuss die heranrasenden Projektile noch vor dem Auftreffen zerstören oder ablenken.

Verglichen mit dem "Leopard 2" ist das britische Pendant auch nicht besonders schnell. Lediglich 59 km/h bringt er zustande, verglichen mit über 70 km/h der schnelleren deutschen Raubkatze. Im Gelände sollen es sogar lediglich 40 km/h sein. Auch Wartung und Logistik könnten zum Problem werden. So sind die westlichen Panzer deutlich komplexer bei Instandhaltung und Munition verglichen mit ihren Pendants aus sowjetischer Produktion. Ersatzteile müssen erst aus dem Ausland geliefert werden. Derzeit wird daher die "Panzerhaubitze 2000" in Litauen und bald auch in der Slowakei gewartet.

Bundesregierung unter Zugzwang: "Der Druck auf Deutschland erhöht sich natürlich"

Für die Bundesregierung könnte die Lieferung der britischen Kampfpanzer zum Anreiz für eigene Waffenlieferungen werden. Ebenso wie beim Vorpreschen der französischen Regierung in Sachen Schützenpanzern könnten nun die anderen westlichen Länder nachziehen und ebenfalls Kampfpanzer liefern.

Am kommenden Freitag wollen sich die westlichen Verbündeten in Ramstein treffen und über ihr weiteres Vorgehen beraten. SPD-Chef Lars Klingbeil hatte laut Tagesschau vorab signalisiert, dass auch eine Lieferung von "Leopard 2"-Panzern nicht mehr ausgeschlossen sei. Es gebe keine roten Linien, so der SPD-Politiker am Montag.

Gustav Meibauer von der Radbout Universität in Nijmegen in den Niederlanden sieht die Bundesregierung unter Zugzwang. "Der Druck auf Deutschland erhöht sich natürlich, jetzt Leopard-2-Lieferungen aus den europäischen Staaten zuzulassen sowie selber entsprechende Unterstützung zu veranlassen", so der Außenpolitik-Experte gegenüber unserer Redaktion.

Deutschland habe es wieder nicht nur verpasst zu führen, sondern sich überhaupt vernünftig auf die Situation vorzubereiten. "Die Bundesregierung versucht, das als umsichtig zu verkaufen, scheitert aber sowohl an ihrer weiterhin katastrophalen politischen Kommunikation - auch aus den Fraktionen heraus -, als auch am schon festgefahrenen Bild einer zögerlichen, gar ängstlichen und getriebenen Politik, der jede Strategie oder Vision zum Ukrainekonflikt abzugehen scheint."

Über den Experten:
Gustav Meibauer ist Assistant Professor für internationale Beziehungen an der Radboud Universität in Nijmegen in den Niederlanden. Er ist spezialisiert auf Entscheidungsfindungsprozesse in der Außenpolitik und die Einrichtung von Flugverbotszonen in Krisengebieten.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Gustav Meibauer
  • sueddeutsche.de: Die Briten preschen vor
  • spiegel.de: So wertvoll sind die Challenger-2-Panzer für die Ukraine
  • tagesschau.de: Klingbeil: Signal aus Ramstein für Ukraine
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