• Die Bundesregierung hat Bürgerinnen und Bürger zum Tag der offenen Tür eingeladen.
  • Auch Robert Habeck hat sich im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz den Fragen seiner Gäste gestellt.
  • Sie wollten wissen: Kommt Deutschland in der Energiekrise über den Winter? Und will der Grünen-Politiker eigentlich Bundeskanzler werden?

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Das Ambiente ist lauschig: Die Gäste sitzen auf Bierbänken und Liegestühlen, es gibt Schatten, Kaffee oder Bier. Doch die Besucherinnen und Besucher machen es dem Gastgeber trotzdem nicht leicht.

Die Bundesministerien und das Kanzleramt haben an diesem Wochenende zum Tag der offenen Tür eingeladen. Im Innenhof des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz stellt sich Robert Habeck den Fragen der Menschen. Und davon gibt es viele.

"Was machen Sie, wenn es kein Gas mehr gibt?"

Die vielleicht wichtigste Frage stellt am Anfang ein Mädchen: "Was machen Sie, wenn es im Winter kein Gas mehr gibt?" Habeck betont daraufhin "Kein Gas wird nicht passieren." Die Speicher seien "okay gefüllt", man baue Lieferwege aus. "Es kann aber ein Szenario geben, wo nicht genug in den Speichern ist."

Und dann? Das sagt er nicht. Eher appelliert er an die Einzelnen, Energie zu sparen, damit es gar nicht erst so weit kommt. 15 bis 20 Prozent weniger Gas als üblich müsse Deutschland verbrauchen. "Wenn es gelingt, das zu tun, haben wir eine gute Chance, über den Winter zu kommen."

Für die einen Polit-Star, für die anderen Feindbild

Habecks Start ins Amt war schwungvoll und ehrgeizig. Von ihm erhofften sich viele Beamte und die Wirtschaft mehr Tatkraft als vom etwas behäbig wirkenden Vorgänger Peter Altmaier. Habecks manchmal flapsige und häufig sehr verständliche Art der Kommunikation kam in der Öffentlichkeit gut an. Der ehemalige Grünen-Chef schaffte es in der repräsentativen Umfrage des ZDF-Politbarometers zum beliebtesten Politiker des Landes. Und blieb es.

Doch die vergangenen Monate machen sichtbar auch Habeck zu schaffen. Seine Hauptaufgabe ist nicht mehr der klimagerechte Umbau der deutschen Wirtschaft. Er muss zuerst eine schwere Energiekrise und Rezession abwenden - die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der westlichen Sanktionen.

Die Bundesregierung bürdet den Bürgerinnen und Bürgern jetzt die Gasumlage auf: Zu den ohnehin hohen Preisen kommt noch die Umlage hinzu, über die auch Otto-Normal-Kunden große Gas-Import-Unternehmen vor der Pleite retten sollen. Habeck verordnet Menschen und Unternehmen zudem das Energiesparen.

In Teilen der Bevölkerung ist er damit zum Feindbild geworden. In Sachsen haben Rechtsextreme per Video einen Schauprozess gegen ihn inszeniert. Als der Minister Anfang der Woche auf einer Pressekonferenz die Gasumlage verteidigte, wirkte er sichtlich angespannt.

Klares Nein zu Vorstoß von Wolfgang Kubicki

Am Sonntag im Ministerium ist das anders. "Für den Moment geht’s mir super", sagt er, "weil man ein bisschen vergessen kann, was vor und nach diesem Moment ist". Trotzdem: Die vergangenen acht Monate seien "herausforderndste Zeiten". In seinem Büro, das sich beim Tag der offenen Tür ebenfalls besichtigen lässt, steht eine Skulptur des Künstlers Jonas Burgert: eine liegende Gestalt mit ungesund verdrehten Gliedmaßen. "So fühlt es sich gerade an, Politik zu machen: merkwürdig verrenkt und verdreht", sagt Habeck unten im Innenhof.

Kretschmann gibt Einblick in private Energiebilanz - und offenbart Schwachpunkt

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann versucht, in Sachen Energiesparen mit gutem Beispiel voranzugehen. In einem Aspekt gesteht er aber in einem Interview: "Da habe ich noch Luft nach oben." (Bildcredit: imago/Arnulf Hettrich)

Das wird auch bei den Fragen der Besucherinnen und Besucher deutlich: Eine Frau will wissen, warum ausgerechnet ein Grüner wie Habeck jetzt über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke nachdenkt. Spricht Habeck dann aber über die Gefahren der Atomenergie, rufen offenkundige Kernkraft-Fans wütend dazwischen. In der Politik kann man es nie allen recht machen.

Insgesamt geht es aber höflich und sachlich zu – auch wenn die Gäste Habecks Politik kritisch sehen. Ein Fragesteller findet zum Beispiel den jüngsten Vorstoß von Wolfgang Kubicki (FDP) gut. Durch die Pipeline Nord Stream 1 fließen derzeit nur 20 Prozent der möglichen Menge Gas von Russland nach Deutschland. Kubicki fordert deshalb, die zweite Pipeline Nord Stream 2 zu öffnen, um Deutschland über den Winter zu bringen.

Habeck lehnt das klar ab. "Nord Stream 1 ist vollständig operabel", sagt er. Dass die Liefermenge aus technischen Gründen geringer sei, sei Propaganda der russischen Regierung von Wladimir Putin. "Wer gibt uns denn die Garantie, dass er das mit Nord Stream 2 nicht genauso macht?" Wenn man jetzt die zweite Pipeline öffne, dann sei das "ein dramatischer politischer Fehlschlag", sagt Habeck. "Wir hätten doch alles vergessen, was die letzten Monate uns gelehrt haben."

Habeck: "Ich bin total froh, dass Olaf Scholz unser Bundeskanzler ist"

Aus Sicht seiner Kritiker schadet der Wirtschaftsminister gerade den Interessen des deutschen Volkes. Aus Sicht seiner Anhänger wäre Habeck dagegen der bessere Kanzler. An diesem Amt hat er aber – noch – kein Interesse. Das Thema kommt am Ende der Fragestunde auf, als eine Jugendliche fragt: "Wollen Sie Bundeskanzler werden?"

Habeck reagiert darauf mit einem Lob – für den Amtsinhaber: "Ich bin froh, dass Olaf Scholz unser Bundeskanzler ist", sagt er. Deutschland profitiere von dessen Wissen, Erfahrung und "Abgeklärtheit". Dann schiebt er noch hinterher: Er hoffe, dass Olaf Scholz so auch über die Ministerinnen und Minister in seinem Kabinett denke.

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