Moderator Jörg Thadeusz irritierte bei Sandra Maischberger mit einem Plädoyer für die Lieferung von Streumunition an die Ukraine. Das rief Widerspruch hervor. Ein Russlandkenner rechnete mit der Liquidierung von Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin. Und Finanzminister Christian Lindner musste sich bohrenden Fragen stellen.

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Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema

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Zwei große Themenkomplexe behandelte Sandra Maischberger in der Mittwochsausgabe ihrer Talkshow. Zunächst ging es um den Bundeshaushalt von Finanzminister Christian Lindner, der selbst Rede und Antwort stand. Die Gastgeberin grillte den FDP-Chef zu den Themen Kindergrundsicherung und Kürzung des Elterngeldes. Anschließend diskutierte die Runde über den aktuellen Stand des Ukraine-Krieges und darüber, wie sicher Wladimir Putin nach dem Wagner-Aufstand noch im Sattel sitzt.

Zwei statt zwölf Milliarden: Spart Lindner die Kindergrundsicherung kaputt?

Laut eines Berichts will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für die Kindergrundsicherung nur zwei Milliarden Euro bereitstellen. Dabei veranschlagt das Familienministerium das Sechsfache. (Photocredit: Wochit/Getty Images)

Das waren die Gäste

Christian Lindner: Der Bundesfinanzminister wollte bei Maischberger den Eindruck korrigieren, dass die Ampel die Gelder für Kinder zusammenstreicht. "Die Wahrheit ist: Der Haushalt der Familienministerin wächst um Milliarden." Und im Bildungsbereich werde das Startchancenprogramm aufgelegt, mit dem 4.000 Schulen speziell gefördert werden können. Die angedachte Halbierung der Einkommensgrenze beim Elterngeld auf 150.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen pro Paar verteidigte Lindner nicht aus vollem Herzen, sondern eher technokratisch. "Die Ausgabendynamik des Elterngeldes gegen den Bundeshaushalt kann so nicht weitergehen".

Zugleich bezeichnete er die Pläne immer wieder als "einen Vorschlag der Kollegin Paus". Gemeint war die Bundesfamilienministerin der Grünen. Er sei offen für andere Möglichkeiten, die Einsparziele des Ministeriums zu erreichen. Lindners oberstes Ziel ist es, die Schuldenbremse einzuhalten – ohne Steuern zu erhöhen. "Da kann man nicht immer populäre Entscheidungen treffen."

Das nächste Konfliktthema in der Koalition ist die Kindergrundsicherung. Für die will Lindner nicht mehr Geld als nötig locker machen. Die Rede ist von zwei bis sieben Milliarden Euro, die Familienministerin hatte sich zwölf Milliarden gewünscht. Der Liberale ist skeptisch, ob Geld, das automatisch auf dem Konto der Eltern eingeht, wirklich den Kindern zugutekommt. Arbeitslosigkeit sei der Hauptgrund für Kinderarmut. Lindner will lieber an dieser Stelle ansetzen und die Leute in Jobs bekommen.

Am Ende des Interviews überrascht er Maischberger mit der Aussage, dass das angepasste Heizungsgesetz der Regierung (dem ein monatelanger Streit vorausging) ein Beitrag sei, um die gerade in Ostdeutschland extrem hohen Umfragewerte der AfD zu reduzieren.

Petra Gerster: Die langjährige Moderatorin der ZDF-heute-Nachrichten ärgert sich, dass Konflikte in der Koalition von den Medien unnötig aufgebauscht werden. Sie will keine Kampagnen wie beim "Heizhammmer", sagte sie. "Das ist Kampagnenjournalismus. Das lehne ich ab." Außerdem zeigte sie sich als Unterstützerin der Bundeswehraufrüstung und fand, dass Bundesfamilienministerin Paus "seltsam empathielos" über die Kindergrundsicherung spricht. Lindners Kürzungspläne sind für sie ein Affront. "Bei diesen Kindern zu sparen, das heißt, dass man auf spätere Talente verzichtet, die nicht ausgebildet wurden."


Kerstin Palzer: Die Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio ist die Dauerstreitigkeiten in der Koalition leid. Für sie ein Grund für den Aufstieg der AfD. "Merkt ihr es eigentlich noch selber?", würde sie die Regierung fragen angesichts von 34 Prozent AfD-Stimmen bei einer Umfrage in Thüringen. Palzer beklagte außerdem, dass nur 30 Prozent der Menschen, die den Kinderzuschlag bekommen könnten, die Leistung auch beantragen. Für Jörg Thadeuz ein klares Versagen der Bürokratie im Lande.

Jörg Thadeusz: Der Moderator und Autor brachte Witz und Knallhart-Ansagen in die Runde. Petra Gerster sprach er nach ihrer Lobrede auf die Bundeswehraufrüstung als "Frau Bundeskanzlerin" an. Dann sorgte er mit einer irrwitzigen Rechnung für Lacher. "Die Deutschen haben 2021 fünf Milliarden für ihre Haustiere ausgegeben. Das waren zehn Prozent des damaligen Verteidigungshaushalts". Wenn uns die Bundeswehr jetzt so wichtig sei, so sein Gedanke, dann müsste es doch kein Problem sein, dort mehr Geld hineinzustecken.


Carlo Masala: In den Augen des Militärexperten hat Wladimir Putin nach der Wagner-Meuterei ein riesiges Problem: "Der Staat ist nicht in der Lage, für innere Sicherheit zu sorgen. Das ist das totale Chaos". Für die Ukraine habe sich die Bedrohungslage durch die mögliche Stationierung von Wagner-Söldnern in Weißrussland nicht geändert. "Wenn da 2.000 Wagner-Leute sind, dann werden die nicht nach Kiew durchmarschieren können." Zudem hält er es für verfrüht, die Frühjahrsoffensive der Ukraine für gescheitert zu erklären: "Das ist totaler Quatsch." Ganz wichtig ist es seiner Ansicht nach, dass das Land nun Hilfe bei der Luftverteidigung bekommt, um gegen die russischen Hubschrauber vorzugehen.


Michail Kasjanow: Der frühere russische Ministerpräsident und heutige Oppositionspolitiker ist sicher, dass der Anführer des Aufstands früher oder später das Schicksal vieler anderer Feinde Putins erfährt. "Prigoschin wird liquidiert werden." Er glaubt aber nicht, dass Prigoschins Ziel der Sturz Putins war. Er wollte den ungesetzlichen Zustand von Wagner legalisieren und die Armeeführung zwingen, die Waffen zu liefern, die man ihm versprochen habe. Die Revolte sei ein Druckmittel auf Putin gewesen, damit die Generäle ihre Versprechungen einhalten.

Das war das Rededuell des Abends – Teil I

Die Biden-Regierung in den USA erwägt, international geächtete Streumunition an die Ukraine zu liefern. Für Jörg Thadeusz absolut nachvollziehbar. Man müsse dem Land "alles" liefern, was es verlange.
Petra Gerster und Kerstin Palzer sprachen sich strikt dagegen aus. "Sollten wir nicht international geächtete Waffen natürlich nicht liefern?", fragte Palzer etwas verklausuliert. "Selbst wenn wir auf der Seite der Ukraine stehen?" Ihre Antwort: "Nein, wirklich nicht."

Da stieg bei Thadeusz der Puls. Er setzte zu einem Rundumschlag gegen alle jene Bedenkenträger an, die bei Waffenlieferungen an die Ukraine stets gewarnt haben. "Es hat hier genug Runden gegeben, wo die ganzen Feiglinge gesessen haben, die gesagt haben: Nee nee, das dürfen wir nicht." Maischberger fragte irritiert: "Feiglinge?" Thadeusz: "Für mich ist das feige." Deutschland kämpfe diesen Krieg nicht, sondern liefere nur Waffen. "Da müssen wir moralisch vom Gas gehen." Er wiederholte noch einmal, dass der Ukraine bei den Waffen wirklich jeder Wunsch erfüllt werden müsse.


Palzer, die nach Thadeusz' Definition zu den Feiglingen zählte, reagierte aufgebracht. "Aber das wäre dann die Atombombe sogar nach ihrer Logik." Thadeuz ging darauf nicht weiter ein, bevor Petra Gerster zugab, dass sie seinen Standpunkt emotional nachvollziehen kann. "Aber diese Flanke (mit der Streumunition, Anm. d. Red.) sollten wir nicht eröffnen."

Das war das Rededuell des Abends – Teil II

Dieses Mal zofften sich Thadeusz, Gerster und Palzer über die geplante Halbierung der elterlichen Einkommensgrenze beim Elterngeld. Gerster kritisierte die Maßnahme, die ja Geburten fördern soll. Außerdem könnte sie Frauen, die meist schlechter als ihre Männer verdienen, dazu zwingen, zu Hause zu bleiben.

Thadeusz schüttelte mit dem Kopf: "Ich finde, das hat Züge von Dekadenz." Eltern mit einem zu versteuernden Einkommen von über 150.000 Euro sollen ab dem nächsten Jahr keinen Anspruch mehr auf die Leistung besitzen – beschlossenen ist das aber noch nicht. "Und da soll ich rufen. Das sei Unrecht", empörte sich Thadeusz. Palzer stimmte ihm zu: "Es betrifft 60.000 Menschen in ganz Deutschland. Es ist eine Elitendiskussion."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Während Maischberger die zur Abwechslung mal sehr unterhaltsame Dreierrunde der Experten weitgehend laufen ließ, konnte sie im Vieraugen-Gespräch mit Christian Lindner ihre Stärken ausspielen. Bei der geplanten Streichung der Elterngeldbemessungsgrenze hakte sie vier- oder fünfmal bei Lindner nach, was denn nun seine persönliche Meinung dazu sei. Er ließ zumindest einen kleinen Einblick zu.

Auch bei der Kindergrundsicherung setzte sie den Minister unter Druck, auch wenn er sich letztlich auf keine Zahl festlegen wollte. "Muss ich so akzeptieren", resümierte Maischberger.

Einziges großes Versäumnis blieb, dass sie nach der Debatte um die Streumunition in der Expertenrunde Carlo Masala nicht nach seiner Einschätzung fragte. Die Meinung des russischen Oppositionspolitikers Michail Kasjanow dazu wäre ebenfalls spannend gewesen.

Das war das Fazit

Wir haben gelernt: Was Elterngeld und Kindergrundsicherung angeht, ist noch nichts in trockenen Tüchern. Christian Lindner wollte sich bei beiden Themen nicht festlegen, die Lage ist dynamisch. Gleiches gilt für die innenpolitische Situation in Russland. Für Kasjanow ist das Ende vom System Putin eingeläutet. Es dauere vielleicht noch einige Monate, aber spätestens im nächsten Jahr werde Putin weg sein. Seine Zukunftsprognose für die Zeit danach klang düster. "Es wird eine sehr große graue Zeit kommen in den nächsten Jahren", prophezeite eher. Russland werde nicht als Gefahr für Europa verschwinden. Man müsse der Ukraine helfen und demokratische Kräfte in Russland unterstützen.

Carlo Masala glaubt nicht, dass der Krieg in diesem Jahr beendet wird. Erst 2024 gebe es womöglich den Versuch, diplomatisch mehr zu unternehmen. Bis dahin werde die Ukraine alles unternehmen, um die Krim zurückzuerobern. Dies könnte dabei helfen, die russische Führung zu destabilisieren und letztlich Putins Ende einläuten.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Bundesfamilienministerin Lisa Paus als SPD-Politikerin bezeichnet. Richtig ist, dass Paus Mitglied der Grünen ist. Des Weiteren wurde die von der Ampel geplante neue Einkommensgrenze beim Elterngeld zunächst auf 150.000 Euro pro Monat beziffert – korrekt ist, dass die Einkommensgrenze auf 150.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen pro Paar abgesenkt werden soll.

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