Was tun gegen die Klimakrise? Die Waldbrände im Amazonas-Gebiet rücken die Zukunftsfrage Nummer eins erneut ins Bewusstsein. Maybrit Illner fragte deshalb am Mittwochabend: "Der Regenwald brennt – zerstört unser Konsum den Planeten?"
Es brennt. Und diesmal auch im wörtlichen Sinn. Die immensen Waldbrände im Amazonas-Gebiet und all die politischen Szenarien darum herum führen vor Augen, wie gefährlich die Klimakrise tatsächlich ist und welche globalen Zusammenhänge es hier gibt.
Als ob es dafür noch eines Beweises bedarf, fragt
Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner:
Annalena Baerbock (Die Grünen/B'90), ParteivorsitzendeChristian Lindner (FDP), Partei- und Fraktionsvorsitzender- Arndt Günter Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW
Ranga Yogeshwar , Physiker und Wissenschaftsjournalist- Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
Nelson Müller , Koch
Darüber diskutierte die Runde bei "Maybrit Illner"
Ranga Yogeshwar legte gleich zu Beginn noch einmal die inhaltliche Basis, warum der brennende Regenwald ein so großes Problem ist: "Es bedeutet, dass enorme Mengen CO2 in die Luft gesetzt werden. Zum Zweiten, dass Regenwald die Fähigkeit hat, Kohlenstoffdioxid zu binden, (…) und was wir noch merken ist die Politik, die in Brasilien gerade anläuft – nachdem Brasilien in den letzten Jahren wirklich großartig gearbeitet hat. (…) Eigentlich ist es eine Erfolgsgeschichte, weil die Rodung nach unten ging. Und dann kommt es zu einem Wechsel in der Politik."
Globale Klimapolitik
"Was kann die Weltgemeinschaft tun?", "Wie hindert man nationale Regierungen daran, das Weltgemeintum auszunutzen?" Auf solchen Fragen wollte Illner Antworten zu den globalen Risiken nationalen Ursprungs haben.
Die Runde war sich im Kern einig, dass die zwei großen Hebel faire Preise und internationale Abkommen mit entsprechender Kontrolle sind. Nur in der Ausgestaltung gab es Uneinigkeit.
Claudia Kemfert forderte: "Wir brauchen eine radikale Kostenwahrheit: Die ökologischen Schäden an der Umwelt müssen eingepreist werden. Wir müssen die Rechnung dafür bezahlen, was wir dem Planeten antun", erklärt Kemfert und schlägt die Brücke zur heimischen Wirtschaft.
"Wenn die Umweltkosten in das Rindsteak aus Brasilien eingepreist würden, hätten wir einen fairen Preis, dem sich auch der deutsche Wettbewerb stellen kann."
Lokale Klimapolitik
Nicht: "Was kann die Weltgemeinschaft tun?", sondern "Was kann jeder selbst tun?" - darum ging es im zweiten Teil der Diskussion und da rückte das Thema Fleischkonsum in den Mittelpunkt.
Für das Steak auf den heimischen Tellern wird nämlich auch Regenwald abgeholzt, um Soja für Futtermittel anzubauen. Nelson Müller ist sich sicher: "Die Debatte hat viele Menschen wachgerüttelt und zum Nachdenken gebracht."
Nachdenken reicht Annalena Baerbock nicht: "Wenn wir aus dem System des Billigfleisches herauswollen, müssen wir das Agrarsystem umstellen und nachhaltige Landwirtschaft betreiben", fordert Baerbock die längst fällige Wende in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft.
Der Schlagabtausch des Abends
Der Schlagabtausch des Abends begann mit einem, für einen Politiker, der in einer Talkshow über dieses Thema reden sollte, beunruhigenden Eingeständnis der eigenen Unwissenheit.
Als es um das sogenannte "Mercosur-Abkommen", einer riesigen Freihandelszone zwischen der EU und südamerikanischen Staaten ging, wollte Illner wissen, ob man mit jemandem wie Brasiliens Regierungschef Bolsonaro solche Abkommen schließen könne, bei denen es ihm überlassen ist, ob er sich an Klimaschutzkriterien hält.
Darauf antwortete Linder mit einer Wissenslücke: "Wir sprechen hier über einen komplexen Vertrag und ich ahne, dass 99,9 Prozent - inklusive meiner Person – derjenigen, die darüber sprechen und die Sendung sehen, die einzelnen Vertragsbestandteile gar nicht kennen."
Annalena Baerbock zeigte Linder daraufhin, dass man sehr wohl Ahnung davon haben kann, worüber man redet: "Natürlich kennen wir den Mercosur-Text, jedenfalls diejenigen, die sich damit näher beschäftigt haben."
Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die beiden aneinander gerieten.
So schlug sich Maybrit Illner
Illner stellte die richtigen Fragen – aber die falschen oder zu wenige Nachfragen. Das führte dazu, dass Illners Gäste, hier vor allem Wirtschaftsvertreter Kirchhoff, ihre jeweilige Agenda ohne Einschränkung ausbreiten konnten.
So konnte Kirchhoff ohne Gegenwehr für Markt und Freiwilligkeit und gegen Regulierung werben und am Ende sogar den völlig unkritisierten Satz sagen: "Die Lösung, die Klimaziele zu erreichen, bringt die Wirtschaft" - so, als ob die Wirtschaft nichts mit der Verursachung der Klimakrise zu tun gehabt hätte.
Das zweite große Problem des Abends: Es waren schlicht zu viele Gäste. Sechs Diskussionsteilnehmer, dazu noch Einspieler zur Erklärung und die Fragen der Moderatorin, da blieb einfach zu wenig Zeit für ein intensives Gespräch.
Das führte zum einen dazu, dass Maybrit Illner ihre Gäste gar nicht ausreden ließ und zum anderen entstand so eine reine Frage-Antwort-Frage-Situation, bei der eine echte Diskussion so gut wie gar nicht aufkam und wenn doch, wusste Illner, diese sofort zu ersticken.
Die Erkenntnisse für den Zuschauer
Dass wir alle mit unserem Handeln und Unterlassen mitverantwortlich für die Klimakrise und mit unserem Fleischkonsum auch für den brennenden Regenwald sind, das war der gemeinsame Nenner in der Runde.
Unterschiedliche Meinung gab es allerdings, wie man am besten etwas gegen dieses klima- und damit menschenschädliche Verhalten unternimmt: Regulierung, Technologie, internationale Abkommen, CO2-Steuer, Marktgläubigkeit – es lagen viele Optionen auf dem Tisch.
Einigkeit bestand in der Runde darin, dass es vor allem darauf ankommt, dass man faire Preise herstellt, also Preise, in denen alle tatsächlichen Kosten enthalten sind, die im Zusammenhang mit dem Produkt verursacht werden.
Das Fazit
Es war eine gute Diskussion. Nicht weil es eine gut geführte Diskussionsrunde war, sondern weil sie überhaupt stattfand und die Klimakrise noch mehr ins Bewusstsein rückte.
Was der Runde bei Illner fehlte, war allerdings der übergeordnete Blick, was alles auf dem Spiel steht. Immerhin versuchte Rangar Yogeshwar hin und wieder diesen Blick zu schärfen.
"Wir brauchen ein Bewusstsein für die Einzigartigkeit dieses Planeten. (…) Es geht nicht um einen Preis für eine Wirtschaft allein, es geht um etwas Einzigartiges: Wie kann man bepreisen, dass die Orang-Utans in Sumatra aussterben, weil wir günstige Gartenmöbel irgendwo im Baumarkt kaufen?"
Wie sehr dieser Blick auf das große Ganze fehlt, zeigte Christian Lindner, als er als Argument gegen Annalena Baerbock wieder einmal das ausgelutschte Märchen von der grünen Verbotspartei vortrug und stattdessen auf die Innovationskraft des Marktes setzte – als ob man nur das eine oder das andere tun könne.
Wie prekär die Lage und wie wichtig daher alle Lösungsansätze zur Bekämpfung der Klimakrise sind, musste ihm deshalb Annalena Baerbock erklären.
"Die Zeit rennt uns davon, wir brauchen alle Instrumente, die uns helfen die Klimaziele zu erreichen."
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