Treffen sich ein CDU-Wirtschaftsminister und ein Grüner - das kann nicht gut gehen, auch nicht bei "Maybrit Illner". Die Frage, wer den nötigen Klimaschutz zahlen soll, bleibt umstritten.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

ETS, EEG - ojemine. Irgendwie scheint alles ganz fürchterlich schwierig zu sein in Sachen Klimaschutz, dieser Eindruck bleibt an diesem Donnerstagabend hängen, an dem Maybrit Illner den Zuschauern eine streckenweise arg detailreiche Gesprächsrunde zumutet.

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Hoffentlich verschreckte das nicht allzu viele Zuschauer, denn die Diskussion war so aktuell wie notwendig.

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Was war das Thema?

Die Deutschen gelten ja international als Meister darin, Rechnungen, z. B. im Restaurant, genau aufzuteilen. Bei der Umweltpolitik ist das Ganze, wie schon erwähnt, aber gar nicht so einfach.

"Rettet das Klima! Wer zahlt den Preis?", fragte Illner deswegen ihre Gäste. Denn auch wenn sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen eine CO2-Steuer ausgesprochen hat, wie sie SPD-Umweltministerin Svenja Schulze fordert - es scheint klar, dass der Ausstoß des Klimagases bald mit einem Preis versehen wird, auf welche Art auch immer.

Wer waren die Gäste?

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will allerdings weder Unternehmen noch Bürger weiter belasten - dafür den Finanzminister Olaf Scholz, der mehr Geld für Investitionen in Klimaschutz locker machen soll.

Bei einer CO2-Steuer, fürchtet Altmaier, gebe es einige Verlierer, und zwar vor allem jene, die eben nicht auf ihr Auto verzichten oder teure Sanierungsarbeiten an ihren Häusern bezahlen können.

"Man kann das auch klug machen", entgegnete der grüne Posterboy Robert Habeck, dumm nur, dass er das Modell seiner Partei nicht wirklich einleuchtend erklären konnte. Am Ende sollen jedenfalls Kleinverdiener besser aussteigen als Besserverdiener.

Und trotzdem wird es für den berühmt-berüchtigten "kleinen Mann" teurer, da ist es schnell vorbei mit dem Klimabewusstsein: Im Deutschlandtrend der ARD sprachen sich nur 34 Prozent für eine Extrasteuer auf fossile Kraftstoffe aus, 62 Prozent dagegen.

Eine Alternative formulierte Unternehmerin Marie-Christine Ostermann, und zwar immer und immer wieder, wie eine Ein-Frau-Dauerwerbesendung: "Besser als Steuern ist ein Emissionshandel."

Das sogenannte ETS gibt es EU-weit und auch darüber hinaus schon, allerdings nur in der Energiewirtschaft und Teilen der Industrie - und es funktioniert erst, seit der Preis pro Tonne CO2 signifikant auf rund 25 Euro gestiegen ist.

Für die Akzeptanz des Klimaschutzes muss eine Steuer nicht schädlich sein, meinte der Vorsitzende der fünf Wirtschaftsweisen, Wirtschaftsprofessor Christoph M. Schmidt: "Hauptsache es gibt einen Preis." Das lasse den Bürgern die Wahl, ihren eigenen Lebensentwurf anzupassen.

Für kontraproduktiv hält er eher Eingriffe des Staates wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Ökosteuer. Für Lacher sorgte der Ökonom, als er für Klimaschutz bei gleichzeitiger Schonung der Unternehmen warb: "Es gibt verschiedene Ziele, die man gleichzeitig verfolgen kann, und eins davon ist, die deutsche Wirtschaft nicht gleich umzubringen."

Für derlei Rücksicht ist Forscherin Antje Boetius nicht zu gewinnen. Der Emissionshandel reiche "hinten und vorne nicht" aus, sagte die Meeresbiologin, die zu den "Scientists for Future" gehört, einer Gruppe von Wissenschaftlern, die sich mit den Schülerprotesten solidarisiert und verbündet hat.

"Noch drei solche Sommer darf es nicht geben", sagte Boetius mit Blick auf die Dürre 2018. Die Meeresbiologin sieht die Zeit für die "ganz großen Stellschrauben" gekommen: "Wir sind im Notstand."

Was war der Moment des Abends?

Zu Beginn der Sendung stellte Maybrit Illner die Journalistin Petra Pinzler vor. Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann und den zwei Kindern ein Jahr lang versucht, den CO2-Verbrauch einzudämmen. Das Ergebnis: Sie konnten ihre Emissionen um ein Drittel senken.

Mit teils drastischen Maßnahmen - die Pinzlers haben zum Beispiel kein Auto mehr. Und dann fällt eine Nebenbemerkung, die manchem Zuschauer vielleicht durchgerutscht sein mag: Von elf auf sieben Tonnen CO2 pro Kopf hat Familie Pinzler ihre Emissionen gesenkt. "Zwei wären gut", sagt Pinzler.

Zwei Tonnen CO2. Das wäre das Klimabudget jedes Menschen, wenn die Temperatur der Erde nicht über die kritischen 2 Grad hinaus steigen soll, hat der Weltklimarat errechnet. Zwei Tonnen CO2 wären also nicht gut, sondern wichtig. Sehr wichtig. Vielleicht überlebenswichtig.

Etwas kleinkrämerisch erschien die teils doch sehr technische Diskussion über EEG-Umlagen und die Vorzüge des Emissionshandels, wo es vielleicht doch eher um ganz Grundsätzliches gehen sollte. "Die Sendung führt doch so zu nichts", ereiferte sich Forscherin Antje Boetius, die sich zunehmend auf Kassandra-Rufe verlegte: "Die Zukunft ist kaputt. Wir haben nur noch 10, 12 Jahre."

Was war das Rededuell des Abends?

Ein Gespenst ging um im Studio - das Gespenst der Gelbwesten. Sie dienten besonders Peter Altmaier als Argument gegen eine CO2-Steuer. Wenn eine Tonne CO2 180 Euro kostet, wie von der "Fridays for Future"-Bewegung gefordert, werde der Sprit bis zu 40 Cent teurer.

"Ich kann mir nicht vorstellen", unkte Altmaier, "dass das a) sozial verträglich und b) ohne Auswirkungen bleiben wird." Nicht das einzige Mal, dass der CDU-Mann vor den Folgen so einer Steuer für die Einkommensschwachen warnte.

"Ich würde es super finden, wenn Herr Altmaier seine soziale Ader auch beim Thema Mindestlohn entdeckt", ätzte Habeck. "Man kann doch nicht den Klimaschutz gegen soziale Not ausspielen."

Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?

Genau ein einziges Mal schaltete sich an diesem Abend die Moderatorin mit einer "Verständnisfrage" ein - wenn sie den gesamten Rest der Sendung verstanden hat, gebührt ihr allerhöchster Respekt und ein Proseminar-Schein in europäischer Klimapolitik.

Eine leise Spitze erlaubte sie sich gegen Robert Habeck, vielleicht um nicht - wie zuletzt einige Kollegen, die über den 49-Jährigen schreiben - in den Verdacht zu geraten, sie sei ein Fangirl.

Also fragte sie den Vorsitzenden der als "Verbotspartei" geschmähten Grünen, ob es in Sachen Klimaschutz Verbote brauche. "Ich würde das nicht als Verbotsdiskurs führen wollen." - "Dass sie das nicht wollen, ist mir klar, aber brauchen wir Verzicht?"

Schützenhilfe erhielt Habeck in dieser Situation von der immer ungeduldigeren Antje Boetius: "Reden Sie uns doch nicht immer diesen Verzichtkram ein." Ihr Argument: 1-Euro-Shirts, Schnitzel satt, Billigflüge - all das sei nicht notwendig, also könne man auch nicht wirklich von Verzicht reden.

Was ist das Ergebnis?

Schlechter als zusammen in einem Kabinett kann man sich Peter Altmaier und Robert Habeck nur in einem Klimakabinett vorstellen. Dem CDU-Minister ist wichtig, dass Klimaschutz "nicht auf Kosten der Wirtschaftsdynamik gehen darf", Habeck findet dieses Ausspielen von Wohlstand gegen Klimaschutz "dumm und blöde": "Wenn wir nicht im reichen Europa in vier Jahren das Ruder rumreißen, wenn wir nicht in die Puschen kommen, werden wir dramatische Auswirkungen diskutieren."

Wenn dabei allerdings der Strom weiter verteuert werde, kontert Altmaier, würden Arbeitsplätze nach China ausgelagert und im Reich der Mitte noch mehr Kohlekraftwerke gebaut werden. Auch das helfe der Umwelt nicht.

Was auch nicht hilft, aber nur am Rande erwähnt wurde: Noch immer werden in Deutschland ganz falsche Anreize gesetzt, mit Steuergeld. Dass Kerosin steuerfrei ist, kann kein Mensch rechtfertigen. Die Pendlerpauschale plus das Dieselprivileg etwa kosten den Staatssäckel jedes Jahr 12 Milliarden Euro, genauso viel, wie im gesamten deutschen ÖPNV über Ticketverkäufe eingenommen wird.

Man könnte also einen gratis ÖPNV schaffen, wenn man diese Mittel umschichten würde. Steuern können steuern, heißt es – aber eben auch in die falsche Richtung. Wohin es genau gehen sollte, darüber müsste man sich vielleicht so langsam mal unterhalten. Ganz grundlegend.

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